Ulrich Grillo mit Azubis der Grillo Werke am 25. August 2015 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. ©Cristian Kruppa

Wirtschaft mit Haltung – Ulrich Grillo über unternehmerische Verantwortung

Wirtschaft mit Haltung bedeutet für mich, die durch Recht und Gesetz garantierten Freiheiten verantwortlich wahrzunehmen. Analog zum Sport könnte man sagen: Es geht darum, nach Spitzenleistungen unter der Prämisse des Fairplays zu streben, anstatt Erfolg um jeden Preis zu erzielen.

Wirtschaft mit Haltung bedeutet auch, sich mit den ethischen Konflikten, die sich im Tagesgeschäft immer wieder ergeben, auseinanderzusetzen und Antworten zu geben; nicht nur im Hinblick auf die Inhalte, sondern auch die Grenzen unternehmerischer Verantwortung. Denn im unternehmerischen Alltag ist es unvermeidlich, dass man nicht all die vielfältigen und oft widersprüchlichen Interessen der Eigentümer, der Kunden, der Mitarbeiter und anderen erfüllen kann. Genau deshalb braucht man Grundsätze, die die Haltung prägen und nach außen deutlich werden lassen.

Dagegen ließe sich die Frage stellen: Reicht es nicht aus, wenn Unternehmen Gewinne erwirtschaften? Ohne Frage müssen Unternehmen Gewinne erzielen, um existieren zu können. Gewinne sind grundsätzlich immer auch ein Ausdruck für die Akzeptanz der angebotenen Leistungen sowie die Leistungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Beschäftigten. Aber die Tatsache, dass Unternehmen Gewinne erwirtschaften, sagt ja noch nichts darüber aus, wie diese Gewinne erzielt werden.

Wirtschaft mit Haltung heißt, Gewinne anständig zu erzielen. Anders formuliert ist Vertrauenswürdigkeit eine der wichtigsten Voraussetzungen für nachhaltig erfolgreiches Wirtschaften. Wenn Unternehmen Vertrauen dauerhaft erhalten wollen, müssen sie nachvollziehbar darlegen, welche Formen der Gewinnerzielung sie als anständig erachten – und welche nicht. Aber wie kann das gehen? Als Vertreter der Wirtschaft müssen wir –unserer Pflicht als Erklärer der Wirtschaft noch stärker nachkommen. Wir müssen noch vernehmlicher darauf hinweisen, dass Wirtschaft und Gesellschaft eng miteinander verzahnt sind, und dass Unternehmen sehr viel mehr leisten als Bonuszahlungen für den Vorstand.

Wir müssen stärker deutlich machen, dass Gewinne nicht in irgendeiner Form „anstößig“ sind, sondern dass Unternehmen einen Gewinn erzielen müssen. Nur so können sie ihren gesellschaftlichen Aufgaben gerecht werden, Arbeitsplätze erhalten und nur so entsteht neuer Spielraum für Investitionen und Innovationen. Dabei müssen wir auch immer wieder vermitteln, dass wir mit den Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Wir müssen uns in unseren dynamischen Fragen immer wieder neu und selbstkritisch fragen: Was dürfen wir rechtlich tun? Was sollten wir betriebswirtschaftlich tun? Und was müssen wir mit Blick auf unsere diesbezügliche Haltung tun?

Wir müssen sagen, was wir tun – und wir müssen tun, was wir sagen. Vertrauen können wir uns nur durch harte Arbeit und vor allem: durch verlässliches Tun verdienen. Die deutsche Wirtschaft ist bereits auf einem sehr guten Weg. Das sollte uns Mut machen. Sie handelt größtenteils bereits sehr verantwortungsvoll und lebt Tag für Tag vor, dass die Spielregeln der Gesellschaft auch in der Wirtschaft gelten:   Die meisten Unternehmen orientieren sich bereits an nationalen wie internationalen Leitlinien zur Unternehmensführung: Am „Deutschen Corporate Governance Kodex“, am Standard der Globale Reporting Initiative, an ISO 26000 oder an den „OECD-Guidelines for Multinational Companies“. Deutsche Unternehmen exportieren zudem nicht nur Güter und Maschinen – mit jeder neuen Anlage exportieren sie auch die hohen deutschen Standards und fördern so die lokale Infrastruktur mit guten sozialen und ökologischen Bedingungen für die Menschen.

Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen – das ist längst ein Wirtschaftsfaktor. Wenn es etwa um die Attraktivität als Arbeitgeber geht oder um die Marktposition eines Unternehmens. Die deutsche Wirtschaft bekennt sich klar zur sozialen Marktwirtschaft. Sie ist Teil der Gesellschaft und als solcher nimmt sie ihre Verantwortung ernst. Das ist uns eine Verpflichtung, und es ist auch eine Chance.

Gerade diese Verschränkung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft hat in Deutschland eine gute Tradition, die wir gemeinsam intensivieren müssen. Das heißt: Im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft fördern wir natürlich den Unternehmergeist, den Fortschrittswillen und das Streben Einzelner – aber am Ende müssen alle was davon haben. Alfred Müller-Armack, Nationalökonom aus Köln und einer der Begründer der sozialen Marktwirtschaft, hat es so formuliert: Es geht darum die „Freiheit auf dem Markt“ mit dem „Prinzip des sozialen Ausgleichs“ zu verbinden. Und das galt in den 1950er Jahren, es gilt 2015 und es gilt auch in Zukunft!

Die Wirtschaft hat in diesem Zusammenhang eine zentrale, aber eher dienende Aufgabe: Sie soll das Allgemeinwohl steigern, außerdem Wohlstand und Wachstum der Gesellschaft mehren – mit den Mitteln des Profits, aber eben mit dem Ziel der allgemeinen Prosperität. Gewinne sind dabei natürlich wichtig. Ich habe es gesagt. Aber das alleinige Ziel der Wirtschaft sind sie nicht. Unser Ziel muss es sein, einen sichtbaren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft zu leisten. Im Grunde hat die Wirtschaft damit das gleiche Ziel wie die Politik: Den Menschen ein gutes Leben in stabilen Verhältnissen zu ermöglichen!

Die Menschen profitieren von der starken Stellung der deutschen Unternehmen in der Welt, die ihnen zu einem Arbeitsplatz und zu einem Einkommen verhilft, mit dem sie wiederum ihre Familien ernähren können. Und sie selbst leistet in den Unternehmen einen eigenen Beitrag dazu. Eine Richtschnur auf unserem Weg zu neuem Vertrauen und einer besseren Kommunikation mit der Öffentlichkeit und der Politik könnte darüber hinaus auch ein altes Prinzip sein, das des „ehrbaren Kaufmanns“. Dieses Prinzip ist kein exklusiv deutsches Patent – aber bei uns war es immer sehr erfolgreich.

Ich weiß, dass das Bild des „ehrbaren Kaufmanns“ heutzutage mitunter etwas romantisierend eingesetzt wird und damals auch anders verstanden wurde, als wir es heute tun. So war es dem ehrbaren Kaufmann beispielsweise damals nicht gestattet, Werbung für seine Produkte zu machen. Man stelle sich das heute einmal vor – eine Welt ohne Werbunganzeigen und Werbeclips…. Was dieser Begriff aber transportiert ist eine Vorstellung von einer anständigen Haltung. Wir müssen diese Haltung nun auf die Erfordernisse globaler Wertschöpfungsketten anpassen und übertragen. Der Kern dieses Prinzips mit seinem klaren Fokus auf Anstand und Respekt, Verantwortung und Rechtschaffenheit hat nach wie vor - und vielleicht heute mehr noch als damals - Geltung.

Unternehmen in dieser Tradition handeln entlang gesamtgesellschaftlicher Werte. Sie verknüpfen die betrieblichen Erfordernisse Profit, Wachstum und Erfolg mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen nach Wohlstand, guten sozialen und ökologischen Arbeitsbedingungen sowie stetigen Innovationen. Wenn die Industrie, und ganz allgemein die Wirtschaft eine Zukunft als Teil der Gesellschaft haben soll, dann muss sie einer solchen Tradition des Allgemeinwohls verpflichtet bleiben. So wie es ja auch im Grundgesetz steht. Artikel 14: Eigentum verpflichtet – sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Wir müssen also zeigen und „vor-leben“, dass die Haltung, die man noch heute mit dem Bild des „ehrbaren Kaufmanns“ assoziiert, in anderer Form noch immer gilt.