François Baur/ economiesuisse

EU-Schweiz-Abkommen: „Der Verhandlungsabbruch ist ein Rückschlag für die bilateralen Beziehungen“

Seit 2009 leitet François Baur das Brüsseler Büro des größten Schweizer Wirtschaftsverbandes, economiesuisse, der 2020 sein hundertfünfzigjähriges Bestehen feierte. Im Interview spricht er darüber, wie eng die Schweiz und die Europäische Union wirtschaftlich verflochten sind und wie economiesuisse mit dem Abbruch der Verhandlungen zum EU-Schweiz-Rahmenabkommen umgeht.

Wie wichtig ist eine enge Anbindung an die Europäische Union für die schweizerische Wirtschaft?

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind sehr eng. Die Schweiz exportiert circa 50 Prozent ihrer Waren und Dienstleistungen in die EU27 und bezieht von dieser circa 67 Prozent ihrer Einfuhren. Insbesondere mit den Grenzregionen ist der Austausch intensiv: Allein der Handel mit ihren Nachbarn Baden-Württemberg und Bayern übersteigt den Handel der Schweiz mit ihrem drittwichtigsten Handelspartner China um 25 Prozent.

Dies ist nicht zuletzt deshalb möglich, weil die Schweiz durch das Abkommen über den Abbau der technischen Handelshemmnisse die EU-Gesetzgebung im Bereich der harmonisierten Produkte vollständig übernommen hat und bislang beim Austausch von Industrieprodukten und Komponenten am europäischen Binnenmarkt ohne zusätzliche administrative Hürden teilnehmen konnte.

Wie bewertet economiesuisse den Verhandlungsabbruch zum EU-Schweiz-Rahmenabkommen?

Der Verhandlungsabbruch ist ein Rückschlag für die bilateralen Beziehungen. Die EU will die bestehenden Abkommen nicht mehr an die Rechtsentwicklung in der EU anpassen – obwohl sie ungekündigt und weiterhin in Kraft sind. Damit wird die Teilnahme der Schweizer Unternehmen am EU-Binnenmarkt erschwert. Das Gleiche gilt für die Teilnahme von EU-Unternehmen auf dem Schweizer Binnenmarkt. Das ist bereits heute für die Medizinprodukte der Fall.

Welche Erwartungen hat economiesuisse jetzt an die Verhandlungsführer?

Wir erwarten, dass sich sowohl die EU als auch der Schweizer Bundesrat sobald wie möglich wieder an den Verhandlungstisch setzen und pragmatische Lösungen für die weitere Zusammenarbeit im beidseitigen Interesse ausarbeiten. Am Ziel einer Stabilisierung und wenn möglich eines Ausbaus der bilateralen Beziehungen ändert der Verhandlungsabbruch nichts. Für die Unternehmen in der Schweiz und in der EU ist es wichtig, dass sich beide Seiten an die bilateralen Abkommen halten und diese nicht einseitig aushebeln.

Welche Vision haben Sie für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in 2030?

Wir halten an einer Vision fest, in der es zwischen der Schweiz und der EU möglichst keine Hindernisse im Handel mit Dienstleistungen und Waren gibt und die Personenfreizügigkeit weiterhin gewährleistet ist. Außerdem haben wir bis 2030 stabile Rahmenbedingungen für die Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen ausgearbeitet. Wir sind der Überzeugung, dass sich die bilateralen Abkommen als Fundament für die gegenseitigen Beziehungen bewährt haben. Sie sind wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas.