© Unsplash/Note Thanun

Auf dem Weg zu klimaneutraler Zementproduktion: Kohlenstoffkreisläufe schließen

Klimaneutralität bis 2050 – das ist das Ziel der Europäischen Union. Strategien zur CO2-Vermeidung sind ein Weg dorthin. Doch Restemissionen sind unvermeidbar. Für den Umgang mit ihnen sind innovative Ideen gefragt. Die deutsche Industrie setzt auf neue Technologien: Die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid ist ein vielversprechender Ansatz – insbesondere in der Grundstoffindustrie.

Um die Klimaziele 2050 zu erreichen, müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an allen verfügbaren Stellschrauben drehen. Dazu zählen Maßnahmen, um den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere von CO2, zu senken, etwa der Ausbau von erneuerbaren Energien sowie die Produktion und Verwendung klimaneutralen Wasserstoffs.

Diese Maßnahmen können den CO2-Ausstoß allerdings nicht komplett auf Null setzen, denn in einigen Wirtschaftsbereichen wie der Grundstoffindustrie fallen Emissionen an, die die heute verfügbaren Technologien nicht vollständig ersetzen können. Ein nachhaltiger Umgang mit den unvermeidbaren Restemissionen ist gefordert. Die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Utilisation, CCU und Carbon Capture and Storage, CCS) bieten der Grundstoffindustrie wichtige Chancen für den klimagerechten Umbau. Das Ziel: möglichst geschlossene Kohlenstoffkreisläufe etablieren.

Grüner Zement – eine Utopie?

Beton ist einer der elementaren Grundstoffe der Bauindustrie weltweit. Sein wichtigstes Bindemittel Zement jedoch ist einer der Baustoffe mit der energieintensivsten Produktion – etwa sechs bis sieben Prozent der globalen CO2-Emissionen entstehen in diesem Bereich. Das Ziel einer CO2-neutralen Zementproduktion klingt daher utopisch. Doch genau das hat sich der weltweit zweitgrößte Zementhersteller Heidelberg Materials (ehemals HeidelbergCement) vorgenommen. Bis spätestens 2050 will das Unternehmen klimaneutral produzieren.

Da sich ein Großteil der CO2-Emissionen bei der Zementproduktion nicht verhindern lässt, setzt das Unternehmen auf die Speicherung von CO2. Im norwegischen Brevik baut der Konzern die nach eigenen Angaben weltweit erste großtechnische CCS-Anlage in einem Zementwerk. „CO2-Abscheidung ist ein wichtiger Eckpfeiler zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele. Unser CCS-Projekt in Brevik wird den Weg für unsere Industrie und andere Sektoren ebnen“, sagt Dr. Dominik von Achten, Vorstandsvorsitzender von Heidelberg Materials.

Der Zeit voraus: Pionierarbeit in Norwegen

Der Startschuss für den Bau der Anlage fiel 2020, doch die Vorbereitungen reichen viel weiter zurück. Wie können wir die Zementproduktion nachhaltig gestalten? Diese Frage stellten sich die Pioniere der norwegischen Tochterfirma Norcem bereits 2005 und entwickelten erste Ideen zur CO2-Speicherung. Es folgten Jahre der Forschung und Entwicklung, in denen das Projekt konkrete Formen annahm. Norcem gewann Aker Carbon Capture und MAN Energy Solutions als Technologiepartner sowie die norwegische Regierung als Investor. Seit Ende 2020 ist der Standort Brevik Teil des Klima-Investitionsprojekts Longship, das die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab umfasst.

Das Ziel: 50 Prozent der CO2-Emissionen abscheiden

2023 wird das maßgebliche Jahr für den Bau und die Integration der CCS-Anlage in das bestehende Werk. Bereits im kommenden Jahr will Heidelberg Materials hier jährlich 400.000 Tonnen CO2 aus der Zementproduktion abscheiden – das sind 50 Prozent der Emissionen des gesamten Werks. Die Technologie von Aker Carbon Capture und MAN Energy Solutions komprimiert und verflüssigt das CO2, das Schiffe anschließend zu einem unterirdischen Speicherort bringen sollen. Mit seiner direkten Anbindung ans Wasser liegt das Werk ideal, um den abgeschiedenen Kohlenstoff direkt weiterzutransportieren.