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Biodiversität und Wirtschaft in Einklang bringen

Biologische Vielfalt und Naturschutz stehen in Brüssel ganz oben auf der politischen Agenda. Sie sind ein Schwerpunkt des European Green Deal. Mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur möchte die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten auf ehrgeizige Ziele verpflichten. Allerdings ist das Projekt in Ministerrat und Europäischem Parlament höchst umstritten.

Als die Europäische Kommission im Juni 2022 ihren Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur vorstellte, war die Zielsetzung klar: Europa soll einen entscheidenden Schritt bei der Bewahrung und der Verbesserung der Biodiversität vorankommen. Laut Kommission befinden sich 81 Prozent der in der EU geschützten Lebensräume in einem schlechten Zustand, wobei sich 36 Prozent verschlechtern und nur 9 Prozent verbessern.

Alle europäischen Ökosysteme - von natürlichen, naturnahen bis hin zu stark veränderten - stehen demnach unterzunehmendem Druck und leiden unter den sich verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels und anderen Entwicklungen, etwa den übermäßigen Einsatz von Düngemitteln und chemischen Stoffen, der Intensivierung der Flächennutzung oder der Umwandlung von Flächen.

Ehrgeizige Wiederherstellungsziele der Kommission – wenig Spielräume für Mitgliedstaaten

Der Vorschlag der Kommission legt ein allgemeines Wiederherstellungsziel für Land- und Meeresgebiete der Union von 20 Prozent bis 2030 fest sowie spezifische Ziele für alle Ökosysteme bis 2050, die der Wiederherstellung bedürfen. Hierzu zählen etwa Land- und Meeresökosysteme, städtische Ökosysteme, ebenso wie Fluss- und Waldökosysteme. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nationale Wiederherstellungspläne zu erstellen, in denen sie die konkreten Maßnahmen festlegen, mit denen auf ihrem Gebiet die Wiederherstellungsziele erreicht werden sollen. Dabei werden ihnen wenig Flexibilität eingeräumt. Die Wiederherstellungspläne werden der Kommission zur Bewertung vorgelegt.

Engagement der Unternehmen bei der Erhaltung der Biodiversität

Die deutsche Industrie bekennt sich zum Schutz der biologischen Vielfalt und der Aufgabe der Wirtschaft, ihren Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität zu leisten. Tatsächlich leisten Unternehmen in Deutschland seit langem einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt bzw. der Wiederherstellung biologischer Vielfalt, sei es durch gesetzlich vorgesehene Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen, sei es durch freiwillige zusätzliche Naturschutzmaßnahmen, in der Umweltbildung oder im Rahmen wissenschaftlicher Projekte. Der BDI begrüßt grundsätzlich Bestrebungen auf EU-Ebene den Schutz der biologischen Vielfalt zu fördern. Ziel muss es sein, ausgewogene Entscheidungen für eine nachhaltige Entwicklung von Ökosystemen im Rahmen einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung zu treffen.

Vorschlag der Kommission bedeutet Einschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten

Allerdings würde die neue Verordnung mit den geplanten Inhalten eine Mehrbelastung für die Industrie bedeuten, Genehmigungen für industrielle Aktivitäten würden erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Der Biotopschutz wird deutlich über die bestehenden Schutzgebiete ausgeweitet. Wenn Lebensraumtypen in großem Umfang wiederhergestellt und auch dort wieder heimisch gemacht werden, wo sie früher vorhanden waren, werden Zahl und Fläche von Schutzgebieten erheblich steigen. Der heute in Deutschland schon vorhandene Flächendruck, der sich auch in anderen Bereichen zeigt, etwa den Ausbau der erneuerbaren Energien, dürfte durch die geplante Verordnung weiter verschärft werden und industrielle Produktion in Deutschland weiter erschweren, in vielen Fällen gar unmöglich machen. Auch der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien würde erschwert und damit letztlich auch die Transformation der Industrie/Wirtschaft gefährdet.

Kontroverse Diskussion in Ministerrat und Europäischem Parlament

Der Kommissionsvorschlag wurde im Ministerrat und im Europäischen Parlament bislang sehr kontrovers diskutiert. Die Umweltminister einigten sich auf ihrer Sitzung im Juni 2023 nur mit knapper Mehrheit darauf, den Gesetzesentwurf zu unterstützen. Im Europäischen Parlament wurde dieser sogar vom Agrarausschuss und vom Fischereiausschuss gänzlich abgelehnt. Auch im federführenden Umweltausschuss verfehlte der Bericht zum Gesetzentwurf nach einer langwierigen Abstimmung denkbar knapp mit 44 zu 44 Stimmen eine Mehrheit. Viele Mitgliedstaaten und EP-Abgeordnete sind der Auffassung, dass die vorgesehenen Maßnahmen eine zu hohe Belastung für die Landwirtschaft und für Unternehmen darstellen und den Mitgliedstaaten zu wenig Spielräume zur Erreichung der Ziele gewährt werden. Vor allem die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) fordert die Kommission auf, den Vorschlag zurückzuziehen. Allerdings hält die Kommission bislang an ihren Plänen fest und signalisiert ihren Kritikern in Rat und Parlament nur punktuelles Entgegenkommen.

Derweil geht die Diskussion im Europäischen Parlament weiter. Im Juli 2023 wird das Plenum über das Vorhaben entscheiden. Ob es vor dieser Abstimmung noch zu einem Kompromiss zwischen den Fraktionen kommt, ist derzeit nicht absehbar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kommissionsvorschlag auch im Plenum abgelehnt wird und das Gesetzesvorhaben damit ganz scheitert.