Bundesregierung muss in der Klimapolitik endlich Farbe bekennen
„Die Bundesregierung muss in der Klimapolitik endlich Farbe bekennen.“ Das sagte BDI-Präsident Dieter Kempf am Donnerstag in Berlin auf dem BDI-Klimakongress. „Ein Reduktionsziel von 95 Prozent bis 2050 geht komplett an der Wirklichkeit vorbei. Dagegen ist eine CO2-Minderung von 80 Prozent – bei optimaler politischer Steuerung – nach heutigem Stand der Technik verkraftbar. Mit Investitionen von rund 1,5 Billionen Euro bis 2050 wäre dieser Umbau erreichbar.“
Die Chance auf mehr als 80 Prozent CO2-Einsparungen bis 2050 knüpfte der BDI-Präsident an drei Voraussetzungen, die er „80 Prozent + X“ nannte: „Wir brauchen Durchbrüche bei der Erforschung neuer Klimaschutztechnologien und deren Akzeptanz in der Gesellschaft. Erforderlich sind vergleichbare Klimaschutzanstrengungen im Ausland und die Möglichkeit, Minderungen im Ausland zu finanzieren und im Inland anzurechnen.“ Dies solle bei der diesjährigen UN-Klimakonferenz in Chile festgelegt werden.
„In den Unternehmen herrscht mittlerweile eine große Ungeduld angesichts der Widersprüchlichkeit in der Klimaschutzpolitik“, sagte Kempf.
Die CO2-Preise seien seit gut zwei Jahren um das Vierfache gestiegen, bei den Industrie-Strompreisen sei Deutschland weltweit fast Spitzenreiter. „Hier rangieren wir auf Rang 113 von 115 Staaten“, warnte der BDI-Präsident.
„Hochambitionierte Klimaschutzziele lassen sich nicht mit dem Kopf durch die Wand erreichen, sondern nur im Einklang mit Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit“, sagte der BDI-Präsident. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, jetzt eine gründliche Debatte über die Ausgestaltung einer CO2-Bepreisung für die nicht im europäischen Emissionshandel organisierten Sektoren zu beginnen. Es sei höchste Zeit, die Wirkungen und Verteilungseffekte eines solchen Steuerungsinstruments zu diskutieren, um künftige gesetzliche Regelungen vorzubereiten.
Das Thema tauge nicht für Schnellschüsse: Die konkrete Umsetzung sei nicht so einfach, wie es viele Wunder-Konzepte versprächen. „Ergebnis sollte ein intelligentes, sozial vertretbares und wettbewerbsneutrales System sein. Es muss CO2-orientierte Preissignale für die noch nicht im EU-Emissionshandel organisierten Sektoren in Kombination mit anderen Lenkungssystemen vorsehen.“
Bei der Gebäudesanierung kritisierte Kempf, dass die Politik selbst die einfachsten und effizientesten Maßnahmen auf die lange Bank schiebe: „Die Bundesregierung muss die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung noch in diesem Jahr auf den Weg bringen und dafür schnell den Dialog mit den Bundesländern aufnehmen.“ Um das 80-Prozent-Ziel zu erreichen, müsste der Anteil der pro Jahr sanierten Gebäude unmittelbar verdoppelt werden.
Das Klimaziel für den Verkehrssektor bis 2030 ist aus Sicht des BDI nur unter idealtypischen Bedingungen und größten Anstrengungen durch Einsatz aller technisch machbaren Hebel erreichbar. „Die Einhaltung des 2030er-Klimaziels im Verkehr wäre mit rund 250 Milliarden Euro Mehrinvestitionen für Staat und Gesellschaft besonders teuer. Das liegt daran, dass die benötigten Technologien voraussichtlich erst in den letzten Jahren vor Zielerfüllung zur Marktreife gelangen und ihre Wirkung entfalten.“
Die Bundesregierung sollte sich ernsthaft fragen, ob sie nicht anstelle einer extrem teuren und ineffizienten Punktlandung im Jahr 2030 lieber das Gesamtreduktionsziel vor Augen haben sollte – und dem Markthochlauf der Technologien mehr Zeit geben sollte. Mit tonnenscharfen und kleinteiligen Sektorzielen verbaue die Politik unnötig Chancen und steigere die Kosten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger.