Bundesregierung riskiert die Zukunft kleiner und mittlerer Unternehmen: Kein Fortschritt beim Schutz vor Carbon Leakage
Vor drei Monaten kursierte der erste inoffizielle Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums. Der BDI hatte diesen scharf kritisiert und vom Bundesumweltministerium und dem Wirtschaftsministerium konkrete Änderungen verlangt. Zwei Monate später wurde um einen Kompromiss gerungen – ohne Erfolg, wie der neue, nun offizielle Entwurf des Bundesumweltministeriums vom Februar zeigte. Bis auf unwesentliche Verschiebungen entspricht der offizielle dem alten, inoffiziellen Entwurf. Entsprechend scharf fiel die Kritik der Länder- und Verbändeanhörung aus. Wieder waren Monate verstrichen, ohne dass ein Fortschritt erzielt wurde. Und auch trotz der harschen Kritik und Forderung aus der Anhörung zur Korrektur der Verordnung ist das Bundesumweltministerium nicht bereit, substanzielle Änderungen an seinem Entwurf vorzunehmen. Auch die Forderungen der Koalitionsfraktionen aus einem Entschließungsantrag vom Herbst 2020 wurden nicht berücksichtigt.
Die Zeit drängt!
Es ist aktuell nicht absehbar, ob, und wenn ja wann, ein zufriedenstellender politischer Kompromiss gefunden werden kann. Soll die Verordnung noch dieses Jahr in Kraft treten, dann ist ein Kabinettsbeschluss in den nächsten Wochen erforderlich. Nach der Verabschiedung durch das Bundeskabinett muss die Verordnung noch vom Bundestag bestätigt werden. Hierfür stehen sechs Sitzungswochen zur Verfügung. Aufgrund der Bundestagswahl im September 2021 endet die offizielle Sitzungszeit bereits mit dem Start der Sommerpause. Das bedeutet, dass das Kabinett Ende März, spätestens aber Anfang April, einen Beschluss fassen muss.
Bereits 2021 wird es ohne Regelung zu Carbon und Investment Leakage kommen
Wie viel auf dem Spiel steht zeigen die Reaktionen der Unternehmen. Teilweise übersteigt die jährliche Zusatzbelastung bereits 2021 den durchschnittlichen Gewinn einzelner Branchen. Andere Unternehmen überlegen, Investitionen nicht in Deutschland, sondern an anderen Standorten zu tätigen. Wenn die Warnzeichen bisher nicht gehört wurden, dann sollte die Bundesregierung spätestens jetzt realisieren, dass immer weiter steigende Energiekosten für die Industrie neben der Corona-Pandemie ebenso belastend wirken. Die Zeit zu handeln ist jetzt!
Alternativvorschläge für einen Carbon Leakage Schutz wurden bereits im vergangenen Jahr gemacht und in der Länder- und Verbändeanhörung noch einmal konkretisiert. Sofern die Carbon Leakage Verordnung noch vor der Wahl vom Kabinett und im Bundestag beschlossen wird, muss diese dann im nächsten Schritt von der EU-Kommission geprüft werden. Diese Prüfung ist notwendig, da es sich um eine Beihilfe handelt. Erfahrungsgemäß dauern solche Prüfungen drei bis sechs Monate. Vor diesem Hintergrund ist auch bei Verabschiedung vor der Sommerpause erst Ende des Jahres mit einer Genehmigung durch die Kommission zu rechnen.
Nicht alle betroffenen Sektoren von Beginn an schutzberechtigt
Laut aktuellem Entwurf sind nicht alle relevanten Sektoren berechtigt, Carbon Leakage Schutz zu beantragen. Es ist aber vorgesehen, dass gefährdete Sektoren nachträglich eine solche Berechtigung erhalten können. Hierfür ist eine weitere Prüfung bei der Kommission durchzuführen. Auch dieses Verfahren wird mehrere Monate in Anspruch nehmen, so dass einige Sektoren erst im Laufe des Jahres 2022 wissen, ob sie einen Schutz bekommen können.
Für die Planungssicherheit der Unternehmen und die Risikominimierung drängt der BDI auf Änderungen, die es erlauben, von vornherein deutlich mehr Sektoren auf die nationale Liste zu nehmen. In Zeiten einer Krise wie der aktuellen ist nicht ersichtlich, warum die ohnehin gebeutelte Wirtschaft noch mit weiteren Belastungen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt werden soll.
Ohne Einigung muss der Bundestag Anpassungen einfordern
Sollten sich die Ministerien nicht auf einen fairen Kompromiss einigen, der Unternehmen wirksam vor Carbon und Investment Leakage schützt, muss der Bundestag entsprechende Änderungen einfordern. Die Mittel dazu hätte er. Über ein Maßgabebeschluss sollten dann die entsprechenden Änderungen verbindlich eingefordert werden. Es bleibt viel zu tun, die Zeit ist hingegen knapp bemessen. Bis zum Sommer muss es dringend zu einer für die Wirtschaft befriedigenden Lösung kommen.