Geschäftsviertel Peking, China © fotolia

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Chinesische Exportkontrolle

Seit dem 1. Dezember 2020 gilt in der Volksrepublik China ein Exportkontrollgesetz. Das Gesetz richtet sich nur in Teilen nach internationalen Ausfuhrkontrollstandards. Stattdessen ist ein Rechtsrahmen entstanden, der gravierende Unsicherheit für die Wirtschaftsbeteiligten im Sinne von Partei und Behörden schafft.

Mit ihrer Version einer Exportkontrolle hat die kommunistische Partei ein Gesetz geschaffen, dessen Rechtsbegriffe unklar und dessen Anwendungsrahmen beliebig ist. Das Gesetz ist kein verlässliches rechtsstaatliches Regulativ, sondern ein Druckmittel gegen exportabhängige Wirtschaftsbeteiligte und ein Instrument zur Durchsetzung geo- und wirtschaftspolitischer Interessen.

Schaffung eines politischen Willkürinstrumentes

Im Gegensatz zur europäischen und deutschen Ausfuhrkontrolle, die zuvorderst den multilateralen Nicht-Verbreitungsregimen verpflichtet ist, dient die chinesische Exportkontrolle nur teilweise internationalen Sicherheitsverpflichtungen. Chinas Exportkontrolle folgt klaren geo- und wirtschaftspolitischen Zielen. Wie ein roter Faden zieht sich ein nicht näher definiertes „nationales Interesse“ durch den Gesetzestext. Zwischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen kann nicht mehr unterschieden werden. An keinem Punkt löst der chinesische Gesetzgeber den hier offenkundigen Zielkonflikt in der Exportkontrolle auf.

Bedrohung für die globale Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen

Die normative Ungewissheit des Exportkontrollgesetzes scheint beabsichtigt und droht globale Sicherheitsanstrengungen zu unterminieren. So formuliert China eine ganz eigene Version einer verwendungsbezogenen Ausfuhrkontrolle. Solche auch als Catch-All bezeichneten Kontrollen dienen eigentlich der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Im Gegensatz zu listenbasierten Kontrollen, bei denen kontrollierte Güter durch ihre technische Beschreibung identifizierbar werden, handelt es sich bei Catch-All-Kontrollen um unspezifische Auffangregeln und eine Verpflichtung der Wirtschaftsbeteiligten zur Selbstkontrolle. Konkret bedeutet dies: Auch wenn Güter nicht gelistet sind, können sie genehmigungspflichtig sein, wenn die Ausfuhrverantwortlichen im exportkontrollrechtlichen Sinne Kenntnis haben, ein bestelltes Gut könnte zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen relevant sein oder militärisch in einem Embargoland verwendet werden. Catch-All-Kontrollen nutzen das ingenieurstechnische Wissen der Wirtschaftsbeteiligten. Die Parameter einer Bestellung geben Auskunft über das technische Potential für den Einsatz zum Bau von Anlagen für die Herstellung nuklearer, chemischer oder auch biologischer Kampfstoffe und ihrer Trägersysteme – also einer kontrollrelevanten Endverwendung. Catch-All-Kontrollen funktionieren, weil Wirtschaftsbeteiligte aufgrund ihrer Expertise dezentral Kenntnis über eine potenziell kontrollierte Endverwendung erlangen können.

Unter diese Catch-All kann alles fallen

Artikel 12 des chinesischen Exportkontrollgesetzes stellt darauf ab, dass die Wirtschaftsbeteiligten eine Ausfuhrgenehmigung für nicht-gelistete Güter beantragen müssen, wenn sie Kenntnis haben oder haben sollten, dass diese (1) der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen dienen könnte, (2) nationale Interessen verletzt würden oder  (3) eine terroristische Endverwendung möglich ist.

Der hier entscheidende Begriff „Kenntnis“ – im US-amerikanischen oder deutschen Exportkontrollrecht penibel genau beschriebene Rechtskategorie – ist jedoch an keiner Stelle definiert. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass keine Definition des nationalen Interesses vorliegt; dieses Defizit gilt auch für die terroristische Endverwendung. Vor dem Hintergrund, dass der Terrorismusverdacht in der Volksrepublik China auf ganze Bevölkerungsgruppen angewandt wird, besteht für die Wirtschaftsbeteiligten ein erhebliches Risiko bei der Verbringung möglicherweise kontrollierter Güter.

Exportkontrolle als Willkürinstrument

Die Verschärfungen in der US-amerikanischen Exportkontrolle und die internationalen Bemühungen um eine effizientere Kontrolle von Zukunfts- und Basistechnologien zielen darauf, die Rüstungsbemühungen der Volksrepublik China signifikant zu verlangsamen. Grund hierfür ist Chinas zivil-militärische Integration („civil military fusion“) – also die aufgehobene Trennung zwischen einer zivilen Sphäre und einer militärischen Endverwendung. Bei der Ausfuhr nach China ist für Unternehmen kaum noch ersichtlich, ob Güter einer zivilen oder militärischen Endverwendung zukommen. Auf diese internationalen Bedenken reagiert die kommunistische Führung nun mit einem Instrument, das dem Land erlaubt, Druck auf all jene Länder in seiner Interessenssphäre auszuüben, die von chinesischen Importen abhängig sind. Darüber hinaus können exportabhängige Produzenten in China zukünftig dazu gezwungen werden, in der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit die politischen Ziele des autoritären politischen Systems in China zu unterstützen.

Nachbesserungen im Verordnungsrecht dringend nötig

Die Rechtsbegriffe müssen im Interesse Chinas und seiner Wirtschaftspartner präzisiert werden. Eine beliebige behördliche Interpretation des Anwendungsrahmens der chinesischen Exportkontrolle schafft Unsicherheit und schreckt Wirtschaftsbeteiligte ab. Folgende Punkte sollten angepasst werden:

  • Das nationale Interesse sollte klar definiert werden.
  • Das wirtschaftspolitische Interesse sollte ebenfalls klar erfassbar sein.
  • Der Begriff der Kenntnis muss auf dem Verordnungswege geklärt werden.
  • Es existieren bislang keine rechtsstaatlichen Einspruchsrechte, und Beweispflichten des Staates werden nicht genannt. Hier gilt es nachzubessern.
  • Artikel 44 und 45 sehen extraterritoriale Bestimmungen vor bis hin zu Kontrollbesuchen chinesischer Behörden im Ausland. Das ist nicht hinnehmbar.

In dieser Form ist die chinesische Exportkontrolle ein Willkürinstrument. Wirtschaftsbeteiligten wird signalisiert, dass politisches Wohlwollen für jegliche Form der Exporttätigkeit in China notwendig ist. Das chinesische Exportkontrollgesetz schafft keine Rechtssicherheit für die Unternehmen, sondern kreiert Rechtsunsicherheit im Interesse von Staat und Behörden. Das chinesische Exportkontrollgesetz sollte im beiderseitigen Interesse für ausländische Hersteller und Lieferanten transparenter und verlässlicher gestaltet sein. Unternehmen brauchen Rechtssicherheit. Diese kann es ohne verbindliches und verlässliches Recht nicht geben.