Circular Economy in Europa: Perspektiven in der EU und den Mitgliedstaaten
Die Circular Economy gilt als einer der dynamischsten Aspekte des European Green Deals. Der neue produktbezogene Ansatz – Stichwort Ökodesign – zielt darauf ab, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die Produkte besser kreislauffähig zu machen und Stoffe verstärkt im Kreislauf zu führen. Zahlreiche Gesetze wurden hierfür auf den Weg gebracht, etwa die Ökodesignverordnung, die Batterienverordnung oder jüngst die Verpackungsverordnung. Weitere Initiativen, wie die Altfahrzeugverordnung, befinden sich noch in der Gesetzgebung. Ihnen allen ist der Ansatz gemein, dass die Kreislauffähigkeit und Nachhaltigkeit eines Produkts bereits in seiner Konzeption und Ausgestaltung angelegt sein sollen.
Auch wenn die Umsetzung der genannten Regulierungen erst am Anfang steht, stellt sich nach fünf Jahren Green Deal die Frage: Wie wird sich die Circular Economy in der EU weiterentwickeln? Welche Hindernisse stehen einer vollständig zirkulären Kreislaufwirtschaft im Weg? Und wie gestaltet sich die Kreislaufwirtschaft in der Praxis?
Nationale Initiativen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit
Frankreich hat noch vor der Verabschiedung des Green Deals umfangreiche und ambitionierte Maßnahmen beschlossen. Das 2020 verabschiedete AGEC-Gesetz legt den Fokus auf Abfallvermeidung, die Förderung von Wiederverwendung und Recycling sowie die Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Außerdem regelt es umfangreiche Anforderungen an die Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung. Seit seinem Inkrafttreten 2020 haben zahlreiche implementierende Regelungen das AGEC-Gesetz konkretisiert.
In den Niederlanden hat die Regierung auf zunehmende Ressourcenknappheit und geoökonomische Spannung mit einem gebündelten nationalen Programm zur Circular Economy reagiert. Dabei kooperiert die Regierung mit Unternehmen und NGOs mit dem Ziel Ressourcen zu schonen, die Langlebigkeit von Produkten zu erhöhen, fossile Brennstoffe zu substituieren und das Recycling voranzubringen.
In Deutschland dagegen ist die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie noch nicht final festgelegt. Die Bundesregierung plant, die Strategie stark an dem europäischen Circular Economy Action Plan auszurichten.
Trotz der Unterschiede wird klar: Der regulatorische Rahmen im Bereich Circular Economy hat sich in den letzten Jahren drastisch gewandelt.
Herausforderungen und Implementierung
Allerdings sind die Herausforderungen und Probleme in der Praxis erheblich. Die Implementationsschwierigkeiten der detaillierten Regulierungen bremsen die hohen Ambitionen der französischen Regierung, während lokale Unternehmen aufgrund steigender Kosten zunehmend besorgt sind. Obwohl der Bewusstseinswandel voranschreitet, fehlt es der Industrie in Italien und in den Niederlanden an Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie an relevanter Infrastruktur. Auch stellen die hohen Energiepreise sowie kostengünstige Kunststoffimporte die Circular Economy in den Niederlanden vor zusätzliche Herausforderungen.
In Deutschland nutzen bisher nur wenige Unternehmen die Möglichkeiten der Circular Economy über bestehende Geschäftsmodelle hinaus und betrachten sie im Wesentlichen als Instrument zur Prozessoptimierung und zur Steigerung der Energieeffizienz. Bei uns und in vielen anderen Mitgliedstaaten müssen zirkuläre Geschäftsmodelle attraktiver werden.
Wie wird Circular Economy für Unternehmen zum „Business Case“?
Aurel Ciobanu-Dordea, Direktor für Circular Economy in der Kommission, ließ erkennen, dass der Fokus der neuen Kommission auf der effektiven Implementierung der bestehenden Gesetze liegen werde, hingegen neue Gesetzesinitiativen keine Priorität hätten. Dies erscheint angesichts der bevorstehenden Konkretisierung der neuen Ökodesignverordnung mit voraussichtlich mehreren Dutzend Durchführungsmaßnahmen (delegierte Rechtsakte) gut nachvollziehbar. In den kommenden Jahren müssen bestehende und geplante europäische Rechtsakte für die Unternehmen praktikabel gemacht werden.
Das Vorpreschen einzelner Mitgliedstaaten stellt die Europäische Kommission und die Industrie in Europa vor weitere Herausforderungen. Schließlich gilt es, einen einheitlichen Binnenmarkt und ein Level-Playing-Field für die Circular Economy zu schaffen. Dafür braucht es gemeinsame Definitionen von Zirkularität sowie eine europäische Harmonisierung der produkt- und stoffbezogenen Anforderungen. Zirkularität muss in jeder Regulierung mitgedacht werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Zudem bedürfen die nationalen Circular Economy Strategien dringend einer besseren Abstimmung untereinander. Das geht nur im Zusammenspiel der politischen Entscheidungsträger mit der Wissenschaft und den Unternehmen.
Es bleibt also offen, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind, damit Unternehmen die Circular Economy als festen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle betrachten. Die abschließende Diskussion des Workshops verdeutlichte, dass es darum gehen muss, unter welchen Voraussetzungen Circular Economy für ein Unternehmen wirtschaftlich attraktiv und damit zum „Business Case“ wird. Offensichtlich sind über die regulatorischen Anforderungen hinaus weitere Maßnahmen und Anreize nötig. Dies beinhaltet fiskalische Unterstützung und gezielte öffentliche Förderungen sowie die Beschleunigung von Innovationsprozessen. Aurel Ciobanu-Dordea rückte die Schaffung von Anreizsystemen für Unternehmen und neuer Geschäftsmodelle in den Vordergrund und nannte als mögliche Instrumente die Taxonomie sowie grüne öffentliche Beschaffung. Dennoch steht die Diskussion erst am Anfang, und die neue Kommission muss hier möglichst schnell klare Perspektiven aufzeigen.