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CO2-Speicherung und -Nutzung: Ein Schlüssel für die Klimaneutralität

Die beste Strategie im Kampf gegen den Klimawandel ist, CO2 gar nicht erst auszustoßen. Für manche Industrieprozesse ist eine vollständige Dekarbonisierung aber noch nicht möglich. Um die Klimaziele trotzdem zu erreichen, wird das Abscheiden, unterirdische Speichern und Nutzen von CO2 unabdingbar. Gut, dass Deutschland wieder über die dazugehörige Technik Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU) diskutiert. Um was geht es bei CCS/CCU konkret?

Warum ist das Entnehmen und das Speichern von CO2 für Deutschland wichtig?

Für den BDI steht fest: Besser CO2 vermeiden als CO2 abscheiden. Denn die beste Strategie im Kampf gegen den Klimawandel ist immer noch, CO2 erst gar nicht auszustoßen. Viele Unternehmen sind schon dabei, ihre Produktion zu dekarbonisieren. Doch für manche industrielle Prozesse, besonders in der Zement- und Kalkindustrie, ist dies heute noch nicht vollständig möglich. Um trotzdem unsere ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, müssen wir also diese prozessbedingten CO2-Emissionen abfangen und von der Atmosphäre isolieren. Zusätzlich sind auch noch in anderen Bereichen wie z.B. der Landwirtschaft Treibhausgasemissionen nicht vollständig vermeidbar. Sie müssen über das aktive Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre ausgeglichen werden, damit wir Klimaneutralität erreichen. Dies nennt man Negativemissionen. Die Technologien, die so etwas ermöglichen heißen Carbon Capture and Storage, kurz CCS, und Carbon Capture and Utilization, kurz CCU. CCS und CCU ermöglichen es, CO2 aufzufangen und entweder unterirdisch zu speichern oder daraus neue Produkte herzustellen.

Der BDI hat in seiner Klimapfadestudie berechnet, dass wir für Klimaneutralität 2045 in Deutschland 11 Millionen Tonnen CO2 über CCS/CCU reduzieren und weitere 59 Millionen Tonnen Negativemissionen erreichen müssen. Das ist eine enorme Leistung. Nicht nur der BDI, auch andere Experten, etwa von der internationalen Energieagentur (IEA) oder dem Weltklimarat (IPCC), sind daher davon überzeugt: Ohne CCS und CCU ist ein klimaneutraler Standort nicht zu erreichen, beide Technologien sollten deshalb Teil einer umfassenden Klimastrategie sein.

Um was geht es bei CCS und CCU?

Carbon Capture and Storage (CCS) ist eine Technologie, die CO2 aus der Atmosphäre oder an Punktquellen wie beispielsweise einer Industrieanlage abscheidet, aufbereitet, verflüssigt und zu einer Speicherstätte transportiert. Dort wird das CO2 im geeigneten tiefen geologischen Untergrund dauerhaft gespeichert. Bei Carbon Capture and Utilization (CCU) wird aus dem abgeschiedenen CO2 ein neues Produkt hergestellt. In Deutschland werden beide Technologien, CCS und CCU, bislang nicht in kommerziellem Maßstab betrieben. Grund ist, dass vor allem der regulatorische Rahmen und die Anreizsysteme fehlen. Doch es gibt Pilotprojekte, beispielsweise im brandenburgischen Ketzin: Zwischen 2004 und 2013 wurden dort wissenschaftliche Untersuchungen zu CCS erfolgreich und sicher durchgeführt. Rund 67.000 Tonnen CO2 wurden hier im Rahmen verschiedener Projekte unterirdisch gespeichert.

Was sind negative Emissionen? Wie hängen sie mit CCS und CCU zusammen?

Es gibt zwei Arten, um CO2 aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen und somit Negativemissionen zu erzeugen. Diese Verfahren basieren auf den CCS- und CCU-Technologien und werden auch Carbon Dioxide Removals genannt:

  • Zum einen kann über große Filteranlagen CO2 direkt aus der Umgebungsluft und somit der Atmosphäre entzogen werden, genannt Direct Air Capture and Storage oder Utilization, kurz DACCS/DACCU.
  • Zum anderen lässt sich CO2 bei der Verbrennung von biogenen Energieträgern wie zum Beispiel Biomasse (Holz, biogene Abfälle) einfangen, genannt Bioenergy Carbon Capture and Storage oder Utilization, kurz BECCS/BECCU.

Wird das CO2 anschließend gespeichert oder dauerhaft in neuen Produkten gebunden, lassen sich somit Negativemissionen erzielen. Insbesondere DACCS/DACCU ist aufgrund der erheblich niedrigeren CO2-Konzentration in der Luft technologisch herausfordernder und energieintensiver als herkömmliches CCS/CCU. Trotzdem braucht es auch diese Technologien, da wir für Klimaneutralität 2045 zukünftig auf negative Emissionen angewiesen sind, um Restemissionen in Bereichen wie der Landwirtschaft auszugleichen.

Die unterirdische Speicherung von CO2 war lange Zeit umstritten. Was hat sich verändert, dass nun sogar die Grünen die Technologie in begrenztem Maße in Erwägung ziehen?

Technisch ist die Abscheidung und Speicherung von CO2 längst möglich. In Norwegen werden beispielsweise bereits seit 1996 eine Million Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden und anschließend unter der norwegischen Nordsee geologisch gespeichert. Das norwegische Projekt „Sleipner“ war das erste industrielle CCS-Projekt weltweit. In Deutschland war CCS vor rund zehn Jahren in der Diskussion stark verbunden mit dem Einsatz der CO2-Abscheidung an Kohlekraftwerken. Der Rückhalt in Politik und Gesellschaft war entsprechend gering. Heutzutage wird CCS/CCU hauptsächlich für prozessbedingt entstandenes CO2 in der Industrie sowie in der thermischen Abfallverwertung gebraucht. Und: Der in CO2 enthaltene Kohlenstoff ist ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. In der chemischen Industrie ist Kohlenstoff, der heute noch praktisch ausschließlich aus Erdöl und Erdgas kommt, unabdingbare Grundlage für die Produktion verschiedener Basischemikalien, die wiederum Grundlage sind für Alltagsprodukte wie Joghurtbecher und Shampooflaschen.

Was muss jetzt aus Industriesicht passieren?

Es ist gut, dass Deutschland wieder konstruktiv über die Notwendigkeit von CCS und CCU als zentrale Technologien für eine erfolgreiche Energie- und Klimawende spricht. Die Kurswende der Grünen in ihrem Europawahl-Programm bei der CO2-Speicherung ist richtig. Lange Zeit haben sich politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen dem Thema verschlossen. Jetzt muss die Bundesregierung ihre für dieses Jahr angekündigte Carbon-Management-Strategie vorlegen. Denn die CO2-Abscheidung und -Speicherung ist nicht nur eine Nice-to-Have-, sondern eine Must-Have-Technologie für Klimaneutralität. Drei Punkte sind für die Industrie besonders wichtig: Eine Carbon-Management-Strategie sollte Investitionsanreize schaffen, einen regulatorischen Rahmen für den regionalen und grenzübergreifenden CO2-Transport einführen und Eckpunkte für eine CO2-Infrastruktur liefern. Je klarer und rechtzeitiger die Politik den Rahmen für CCS und CCU setzt, umso effizienter können die Technologien im benötigten Megatonnen-Maßstab genutzt werden. Dazu müssen alle national verfügbaren Möglichkeiten bedacht werden, weswegen die Erkundung deutscher Speicherpotenziale wie z.B. in der Nordsee ermöglicht werden sollte. Nicht zuletzt hängt der Erfolg der CO2-Speicherung- und Nutzung an der Akzeptanz in der Bevölkerung. Schon jetzt muss die Gesellschaft aktiv mitgenommen und ein enger Austausch gesucht werden. 

Welche konkreten Anforderungen die Industrie an die Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung hat, haben wir in einem BDI-Positionspapier zusammengefasst Link.

Wie stellt die Industrie sicher, dass CCS und CCU nicht als Freifahrtschein benutzt werden, um weiter klimaschädliches CO2 auszustoßen?

Die Industrie hat sich zur Klimaneutralität verpflichtet. Oberstes Ziel der grünen Transformation ist die direkte Vermeidung von Treibhausgasen, nicht ihre Speicherung. Dazu investieren Politik und Wirtschaft in den Ausbau erneuerbarer Energien, den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff und mehr Energieeffizienz. Zusätzlich braucht es bereits heute den rechtlichen und politischen Rahmen, um CO2 abscheiden, speichern oder nutzen zu können. Die CCS- und CCU-Technologie und der zügige Ausbau erneuerbarer Energien sind keine Gegensätze, sondern Partner auf dem Weg zu Klimaneutralität und – perspektivisch - erforderlichen Negativemissionen.