Cordes: EU muss Tür für Ukraine offen halten
Vorläufige Absage der Ukraine an eine EU-Assoziierung zeigt Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Brüssel und Moskau.
Nach der vorläufigen Absage der Ukraine an ein Assoziierungsabkommen mit der EU plädiert der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft für einen neuen Dialog über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Russland und den übrigen Ländern der Zollunion. „Die Ukraine und weitere Länder der Östlichen Partnerschaft sind auf gute wirtschaftliche Beziehungen sowohl mit der EU als auch mit Russland angewiesen. Es macht daher keinen Sinn, sie vor eine Entweder-Oder-Entscheidung zu stellen“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes. „Wir müssen Wege finden, vertiefte EU-Freihandelsabkommen mit diesen Ländern und deren gleichzeitige Zusammenarbeit mit der von Russland initiierten Zollunion in Einklang zu bringen“, betonte Cordes mit Blick auf das EU-Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft in der kommenden Woche in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dort will die EU Assoziierungsabkommen mit Moldau und Georgien paraphieren. Beide Länder haben gerade in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen gemacht. Die Unterzeichnung eines EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine wurde dagegen von Kiew abgesagt.
„In der Ukraine gibt es große Befürchtungen, das Assoziierungsabkommen könne die Wirtschaft überfordern und zum Verlust traditioneller Partner und Absatzmärkte in Russland führen“, sagte Cordes, der erst Mitte November zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch in Kiew war. Auch deshalb sei um die Verschiebung des Abkommens gebeten worden. „Die EU sollte deshalb den Dialog mit der Ukraine jetzt nicht abbrechen, sondern die Tür offen halten. Auch wenn der Erfolg noch aussteht, hat die Aussicht auf Assoziierung bereits eine gewisse Reformdynamik in Gang gesetzt.“
Auch Moskau stehe auf dem Standpunkt, dass die EU-Assoziierungsabkommen negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben. „Die einzelnen Kritikpunkte sollte sich die EU jetzt genau ansehen und im Dialog mit Moskau und den Ländern der Östlichen Partnerschaft ausräumen“, sagte Cordes. „Es ist die souveräne Entscheidung eines jeden Landes, ob es einen Vertrag mit der EU abschließt oder nicht. Dennoch müssen wir vermitteln, dass das Programm der Östlichen Partnerschaft nicht gegen Russland gerichtet ist, sondern zu mehr Stabilität und Wachstum in ganz Osteuropa beiträgt. Vertrauen können wir in der Frage aber nur aufbauen, wenn Russland als Partner einbezogen wird“, betonte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende. „Die neue Bundesregierung muss hier wieder die Rolle des Vermittlers zwischen Brüssel und Moskau übernehmen.“
Der Ost-Ausschuss sei weiterhin fest davon überzeugt, dass die geplanten Assoziierungsabkommen und die darin enthaltenen vertieften Freihandelsabkommen der beste Weg seien, die Länder der Östlichen Partnerschaft wirtschaftlich und gesellschaftlich zu modernisieren. „Der Reformprozess in den Assoziierungsländern kann zu mehr Rechtssicherheit, stabileren Investitionsbedingungen, visa-freiem Reiseverkehr und letztlich zu neuem Wachstum in Europa beitragen. Davon wird gerade auch die russische Wirtschaft profitieren“, sagte Cordes. Es sei aber versäumt worden, nicht nur in Russland, sondern auch in den Partnerländern den Assoziierungsprozess transparent zu vermitteln. Auch die EU selbst sei sich noch nicht richtig im Klaren darüber, wie weit die Annäherung mit den östlichen Partnerländern gehen soll und welche finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden können. Ohne erhebliche finanzielle und personelle Unterstützung sei aber die Implementierung der Assoziierungsabkommen von den Ländern nur schwer zu leisten.
„Die Entscheidung der Ukraine gibt uns jetzt eine Atempause, die wir nutzen sollten, um die Beziehungen der EU zu Russland neu zu ordnen“, so Cordes. Dabei könne man, wie von der Ukraine vorgeschlagen, verstärkt über trilaterale Gesprächsformate EU-Ukraine-Russland nachdenken.