Heizungsgesetz: Was es braucht, damit die Umsetzung gelingt
Kein Gesetzesvorhaben hat die öffentliche Diskussion in Deutschland im Jahr 2023 derart stark vereinnahmt wie das sogenannte Heizungsgesetz. Die Gründe: ein unvollkommener Umsetzungsvorschlag der Bundesregierung zu einem von der Koalition gesteckten Ziel traf auf eine unvorbereitete und überforderte Öffentlichkeit. Nach langem politischem Ringen haben die Koalitionäre eine tragfähige Vereinbarung gefunden, die der Bundestag im September verabschiedet hat. Dennoch ist längst nicht alles gut. Es gibt noch dringenden Handlungs- und Korrekturbedarf, um sicherzustellen, dass bundesweit mehr erneuerbare Energien in mehr energieeffizienten Gebäuden zum Einsatz kommen.
Warum ein Heizungsgesetz?
In der laufenden Legislaturperiode will die Bundesregierung eine Zeitenwende bei der Beheizung von Gebäuden einläuten. Das hat die Koalition mit Vorlage ihres Koalitionsvertrags im November 2021 deutlich gemacht. Der Koalitionsvertrag besagt, dass ab dem Jahr 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden soll. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Koalitionäre dieses Ziel um ein ganzes Jahr vorgezogen.
Im Grundsatz ist die Vereinbarung richtig. Sie deckt sich mit der Empfehlung der BDI-Studie Klimapfade 2.0, dass möglichst bei jedem Heizungstausch so viel erneuerbare Energieträger wie möglich zum Einsatz kommen sollten, um das Klimaschutzziel 2030 erreichen zu können.
Der Gesetzentwurf jedoch, der Anfang des Jahres die Diskussion ins Rollen brachte, war in einer Reihe von Punkten dringend korrekturbedürftig. Das Gesetz war ein Entwurf und daher noch nicht in Stein gemeißelt. Nicht zu stoppen allerdings war die Diskussion, die daraufhin entbrannte. Die Öffentlichkeit war gänzlich unvorbereitet.
Was waren die Fehler?
Der BDI hat sehr schnell die Korrekturbedarfe im Gesetzentwurf identifiziert: Die Umsetzungsoptionen waren im Wesentlichen auf zwei Wege beschränkt: den Anschluss an ein Wärmenetz oder den Einbau einer Wärmepumpe. Zudem zielte der Gesetzentwurf allein auf die Heizungssanierung, der Blick auf das Gesamtgebäude fehlte. Was noch fehlte, war ein flankierendes Förderkonzept, um Hauseigentümerinnen und -eigentümern bei der Anschaffung von EE-Heizungen zu helfen. Nicht zuletzt würde die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Anfang Januar 2024 sehr kurz sein.
Fehlende Technologieoffenheit
Technologieoffenheit in der Gebäudewärme – konsequent ausgerichtet auf das 2045-Klimaschutzziel – ist für das Erreichen der Klimaschutzziele unerlässlich. Die Gebäude und baulichen Gegebenheiten sind bundesweit sehr verschieden, ebenso unterschiedlich sind die Möglichkeiten und die Einschränkungen bei der energetischen Sanierung. Zwar sind Wärmepumpen und Wärmenetze die wichtigsten Hebel zur Dekarbonisierung von Gebäuden, dennoch sind nicht überall und sofort ohne Weiteres einsetzbar. Daher ist es – insbesondere bei Bestandsbauten. elementar wichtig, Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern die Wahl zu überlassen, mit welcher Heizungsanlage beziehungsweise welcher Technologie sie die 65-Prozent-EE-Anforderung erfüllen wollen.
Zu enger Fokus
Für das Gelingen der Wärmewende muss mehr saniert werden als nur die Heizung: Das Gesamtgebäude muss energetisch optimiert und auf den hohen Einsatz erneuerbarer Energien vorbereitet werden. Es gibt viele Millionen bislang unsanierter Bestandsgebäude mit hohen Verbrauchsniveaus, in denen Heizungen mit hohem EE-Anteil erst nach einer energetischen Sanierung – Ertüchtigung der Gebäudehülle und Optimierung des Betriebs – energie- und kosteneffizient betrieben werden können. Erneuerbare Energien und Effizienz müssen Hand in Hand gehen.
Finanzielle Überforderung bei der Umsetzung
Damit die Wärmewende gelingen kann, muss die Politik die Bürgerinnen und Bürger für das Vorhaben gewinnen und sie in die Lage versetzen, die geforderten Maßnahmen zu realisieren. Die Umrüstung eines Ein-bis-Zwei-Familienhauses auf eine klimaschonende Heizung kostet absehbar einen deutlich fünfstelligen Betrag. Hinzu kommen die Kosten für die energetische Ertüchtigung des Gebäudes. Für die umfassende Sanierung eines Ein-bis-Zwei-Familienhauses liegen die Kosten damit in einem hohen fünf, wenn nicht sogar sechsstelligen Bereich. Weit mehr Gebäudebesitzer als nur die kapital- und einkommensschwachen Eigentümerinnen und Eigentümer werden Schwierigkeiten haben, diese Investitionen zu schultern. Entsprechend wird eine attraktive und möglichst zielgenaue Zuschussförderung benötigt.
Zu kurze Vorlaufzeit
Für die geordnete Umsetzbarkeit des Vorhabens erfordert ausreichend Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten der Anforderung, aber auch einen Reifegrad bei der korrespondierenden Wärmeplanung.
Alle Beteiligten – Verbraucher, Hersteller, Handwerk und Planer – benötigen ausreichend Vorbereitungszeit verbunden mit Rechtssicherheit, um sich auf die neuen Anforderungen einstellen zu können. Ein Hochlauf der Fertigungskapazitäten und der Beschäftigung in Industrie und Handwerk ist unerlässlich und braucht Zeit. Der Stichtag 1. Januar 2024 war vor diesem Hintergrund nicht zu halten.
Wie sieht die Einigung aus?
Die Einigung, auf die sich die Koalitionäre kurz vor Beginn der Sommerpause verständigt haben, berücksichtigt diese Kritikpunkte in weiten Teilen:
- Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer erhalten eine deutlich größere Bandbreite an Optionen, um die 65-Prozent-EE-Anforderung zu erfüllen. Elementar wichtig ist, dass auch Hybridheizungen, bei denen z. B. eine Wärmepumpe zusammen mit einer Gasheizung zum Einsatz kommt, jetzt eine Erfüllungsoption sind. Sie bieten eine Lösung für die vielen Millionen Gebäude, die in den nächsten Jahren noch energetisch saniert werden müssen, bevor eine EE-Heizung ganzjährig die Gebäude- und Warmwasserheizung übernehmen kann.
- Die 65-Prozent-EE-Vorgabe tritt zunächst nur für Neubauten innerhalb von Neubaugebieten in Kraft. Bestandsgebäude dagegen müssen erst nach Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung beim Tausch der Heizung die 65-Prozent-EE-Anforderung erfüllten. Da die Wärmeplanungen je nach Größe der Kommune erst 2026 beziehungsweise 2028 vorliegen müssen, haben Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer zwei bis vier Jahre mehr Zeit, die Umsetzung der 65-Prozent-EE-Anforderung zu planen.
- Es liegt ein Förderkonzept vor, das Eigentümerinnen und Eigentümern eine Förderung für den Heizungstausch auch dann ermöglichen, wenn sie damit eine gesetzliche Vorgabe umsetzen. Die Inanspruchnahme einer Förderung für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben war bisher ausgeschlossen. Zudem sieht das Gesetz neben der Grundförderung auch eine sogenannte Sprinter-Prämie für die schnelle Umsetzung der Anforderung sowie einen Einkommensbonus für Haushalte mit geringem Einkommen vor. Angekündigt ist zudem die Wiedereinführung von Kreditangeboten – sowohl für den Heizungstausch als auch für Effizienzmaßnahmen, wie z. B. die Dämmung des Gebäudes.
Damit hat die Koalition die Kritikpunkte des BDI in wesentlichen Teilen berücksichtigt. Der Bundestag hat im September den stark überarbeiteten Gesetzentwurf der Koalition verabschiedet, das Gesetz tritt Anfang Januar 2024 in Kraft. Dringender Handlungs- und Korrekturbedarf besteht dennoch.
Aufklärung und Kommunikation
Die Verzahnung des Gesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung ist grundsätzlich richtig. Dies darf bei den Bürgerinnen und Bürgern allerdings nicht als ein Aufruf zum Abwarten ankommen. Das Gegenteil ist der Fall: Eigentümerinnen und Eigentümer müssen ihre Gebäude für die Aufnahme von mehr erneuerbaren Energien vorbereiten. Der Energieverbrauch von Gebäuden muss deutlich gesenkt werden, damit erneuerbare Energien in Gebäuden effizient eingesetzt werden können. Die BDI-Studie Klimapfade 2.0 zeigt, dass der Energieverbrauch von Gebäuden im Durchschnitt halbiert werden sollte.
Hier ist Aufklärung vonseiten der Bundesregierung gefordert. Sie muss die seit über einem Jahr laufende Effizienzkampagne nutzen, um die Bürgerinnen und Bürger aufzuklären und für mehr Energieeffizienz bei Gebäuden zu werben.
Förderrahmen ausweiten
Das Förderkonzept sieht richtigerweise besondere Anreize für Bürgerinnen und Bürger vor, die beim Heizungstausch bereits jetzt die 65-Prozent-EE-Anforderung erfüllen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Jedoch werden die förderfähigen Investitionskosten um 50 Prozent gekürzt. Das macht die Anschaffung beispielsweise einer Wärmepumpe unattraktiver als bisher. Anzuratende Umfeldmaßnahmen wie der Einbau von Flächenheizungen werden unterbleiben, weil die Kosten den Förderrahmen übersteigen.
Der bisherige Rahmen der förderfähigen Investitionskosten für den Heizungstausch muss beibehalten werden, damit Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer sich Heizungen auf Basis von erneuerbaren Energien anschaffen und zugleich Maßnahmen für den effizienten Betrieb der Heizungen vornehmen. Zudem sollte der Sprinterbonus nicht nur für den Heizungstausch, sondern auch für Effizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle gelten.
Vertrauen zurückgewinnen
Ebenso wichtig ist, dass die Bundesregierung jetzt Maßnahmen trifft, um das im letzten Jahr verloren gegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Elementar dafür ist, die bereits aufgestockte Sanierungsförderung bis zum Ende der Legislatur sicher auszufinanzieren. Die Förderstopps, die in der jüngeren Vergangenheit aufgetreten sind, sind vielen sanierungswilligen Gebäudeeigentümern noch sehr präsent und in schlechter Erinnerung. Hier ist ein politisches Bekenntnis der Bundesregierung gefordert, dass es dazu nicht noch einmal kommen wird.