Der „Digitale Produktpass“ auf dem Prüfstand
Es klingt nahezu ideal: Mit wenigen Klicks erfahren wir alles über ein Produkt. Wo es herkommt, unter welchen (sozialen und ökologischen) Bedingungen es produziert wurde oder welche Stoffe und Komponenten enthalten sind. Aber auch, wie wir es reparieren oder entsorgen können. Nach Plänen der Europäischen Kommission soll dies im Rahmen eines Digitalen Produktpass – kurz DPP – möglich werden.
Transparenz über den gesamten Wertschöpfungskreislauf hinweg ist nicht nur zunehmend für Endverbraucher wichtig. Wir brauchen sie auch, um im Sinne des „New Circular Economy Action Plan“ von der Abfall- zu einer Produktpolitik zu gelangen. Gerade für Tools der Circular Economy wie beispielsweise Repairing, Refurbishment, Repurposing und Recycling kann der DPP ein entscheidender Hebel sein.
Die Pläne der Europäischen Kommission im Fokus
Mit dem Digitalen Produktpass sollen minimal notwendige Datensätze von einem großmöglichen Kreis an Akteuren gefiltert werden – und das auf den Ebenen Business-to-Business, Business-to-Consumer und Business-to-Government. Die eigentliche Herausforderung besteht darin die komplexe Datenverarbeitung zu realisieren, dabei die „richtigen Daten“ zu identifizieren und einen passenden rechtlichen Rahmen zu gestalten. Letzteres wird vor allem dafür benötigt, um wichtige Information auch bei unterschiedlichen Interessenlagen bereitzustellen.
Schritte des Wertschöpfungskreislaufs gehen über Staatsgrenzen hinaus und umfassen vielfältige Stakeholder. Es kommt jetzt vor allem auf die richtige Ausgestaltung an. Die Kommission prüft aktuell verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten und hat bereits den Dialog mit diversen Anspruchsgruppen initiiert. Laut der Kommission ist eine Veröffentlichung der „Sustainable Product Initiative“, unter welche auch der Digitale Produktpass fällt, für März 2022 vorgesehen.
Das denken Mitglieder unserer Initiative
BASF ist Mitglied der BDI-Initiative Circular Economy und bietet Einblicke, wie der Digitale Produktpass auch Unternehmen der Chemiebranche umtreibt. Christine Bunte ist Head of Corporate Advocacy am Standort Ludwigshafen des Chemieunternehmens. Sie betont, dass eine Charakterisierung als „richtige Information“ vor allem vom Adressaten abhängt:
„BASF unterstützt den Ansatz, relevante Informationen transparent zur Verfügung zu stellen, um eine sichere und nachhaltige Verwendung von Chemikalien entlang der Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Dabei engagieren wir uns in praktischen Projekten für sektorspezifische Lösungen. Beispielsweise soll bei CatenaX und der Global Battery Alliance ein Battery Passport entwickelt werden, um die Transparenz der Rohstoffherkunft in der Produktion abzubilden und Recycling nach der Verwendung der Batterien zu ermöglichen. Entscheidend für die zielführende Umsetzung ist zunächst die Abstimmung und der Dialog mit den Beteiligten in den Wertschöpfungsketten, um sicherzustellen, dass die richtigen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Hier kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, je nach Bedürfnissen der Parteien unterschiedliche Informationen zur Verfügung zu stellen – unsere Industriekunden haben andere Anforderungen als der Endverbraucher. Um möglichst viel aus bestehenden Initiativen zu lernen, sollten auch Erfahrungen mit vorausgegangenen gesetzlichen Initiativen wie der SCIP-Datenbank berücksichtigt werden. Unabdingbar ist der Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu wahren“.
BSH Hausgeräte ist ebenfalls Mitglied der BDI-Initiative Circular Economy. Für das Unternehmen spielt die Nähe zum Endverbraucher und damit auch das Vertrauen dieser eine große Rolle. Christian Dworak, Referent Corporate Operations Steering, zu den Plänen der Europäischen Kommission:
„Ein Digitaler Produktpass muss auf harmonisierten Regelungen innerhalb der EU beruhen und sollte nicht andere, bereits bestehende Spezifikationen duplizieren (insbesondere internationale Standards zur Materialdeklaration wie z.B. IEC 62474). Kohärenz und Anpassung an bestehende Anforderungen anderer EU-Rechtsvorschriften wie die REACH-Verordnung oder die ECHA-SCIP-Datenbank sind erforderlich, um Doppelarbeit bei der Bereitstellung von Informationen zu vermeiden. Das Konzept sollte dazu als ein dezentrales System aufgebaut werden und nicht als übergeordnete Datenbank. Der DPP muss mit bestehenden Datenbanken verknüpft werden – und im Idealfall Daten aus ihnen extrahieren oder ersetzen – und Doppelungen und Überschneidungen vermeiden.
Die Anbieter von Endprodukten in der EU können nicht für alle Inhalte des DPP, die sich über die gesamten weltweiten Lieferketten anreichern, verantwortlich gemacht werden. Beispielsweise ist der Hersteller von Komponenten und Materialien auch für die Informationen hierzu verantwortlich. Die Verantwortlichkeit für die Information, die den ganzen Lebenszyklus der Geräte betreffen (Reparaturen, Wiederaufbereitung, Recycling, …), muss daher von denjenigen getragen werden, die die Information auch hochladen.“
Nach einem ersten Workshop zum Digitalen Produktpass mit Experten aus Industrie, Wissenschaft und der Kommission wird die BDI-Initiative Circular Economy den Dialog hierzu in den kommenden Monaten fortführen.