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Der Inflation Reduction Act: Klimaschutz mit Haken

Mitte August 2022 unterzeichnete US-Präsident Joe Biden den Inflation Reduction Act of 2022 (IRA). Das Gesetz soll der hohen Inflation entgegenwirken und den Klimaschutz in den USA vorantreiben. In der EU hat das Gesetz Sorgen über die Zukunft des Investitionsstandorts Europa ausgelöst.

Nachdem in den USA monatelang um das ambitionierte Gesetzespaket „Build Back Better Act“ gerungen worden war – ein Kernelement der klima- und sozialpolitischen Agenda der Biden-Administration –, sorgte ein Kompromiss unter den Demokraten im Senat schließlich dafür, dass zumindest ein Teil dieser Ideen in Form des Inflation Reduction Act (IRA) umgesetzt werden konnte.

Dieser soll durch eine Kombination aus neuen Steuern für Unternehmen, verstärktem Steuervollzug und einer Reform der Preisgestaltung für verschreibungspflichtige Medikamente schätzungsweise 737 Milliarden US-Dollar an neuen Haushaltseinnahmen einbringen. Gleichzeitig stellt das Gesetz rund 369 Milliarden US-Dollar für Investitionen in den Klimaschutz und etwa 64 Milliarden US-Dollar für zusätzliche Ausgaben für die gesetzliche Gesundheitsvorsorge (Affordable Care Act bzw. „Obamacare“) zur Verfügung. Die Differenz von Einnahmen und Ausgaben soll Schätzungen zufolge dazu beitragen, das Haushaltsdefizit über die nächsten zehn Jahre um etwa 300 Milliarden US-Dollar zu reduzieren.

Steuerliche Förderung von Elektroautos

Im Mittelpunkt der Debatte in Deutschland und in der EU stand vor allem die Neuregelung der Förderung von Elektroautos. Neue Elektroautos erhalten eine Steuergutschrift von bis zu 7.500 US-Dollar. Die Vorteile betreffen nur Limousinen mit einem Verkaufspreis von bis zu 55.000 US-Dollar und SUVs/Pickups mit einem Verkaufspreis von bis zu 80.000 US-Dollar.

Um (bis zunächst 2032) in den Genuss dieser Steuervorteile zu kommen, müssen E-Autos jedoch folgende Anforderungen erfüllen:

  • Die Endmontage muss in Nordamerika erfolgt sein.
  • Seit diesem Jahr müssen 40 Prozent der verwendeten kritischen (explorierten oder weiterverarbeiteten) Batterie-Rohstoffe, wie z. B. Lithium, aus Nordamerika oder einem Land kommen, mit welchem die USA ein Freihandelsabkommen (FTA) haben, oder in Nordamerika recycelt worden sein. Diese Quote steigt jährlich um zehn Prozent bis auf 80 Prozent im Jahr 2027. Ab 2025 dürfen die kritischen Mineralien zudem nicht mehr aus Russland, China oder einer anderen „foreign entity of concern“ kommen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, erhält die Käuferin oder der Käufer eine Steuergutschrift in Höhe von 3.750 US-Dollar.
  • Die Batteriekomponenten eines Elektroautos müssen seit diesem Jahr zu 50 Prozent (basierend auf den Kosten) in Nordamerika hergestellt oder dort zusammengebaut werden. Dieser Anteil steigt bis 2029 auf 100 Prozent. Ab 2024 dürfen sie zudem nicht mehr aus Russland, China oder einer anderen „foreign entity of concern“ kommen. Auch bei Erfüllung dieser Voraussetzung kommt es zu einer Steuergutschrift in Höhe von 3.750 US-Dollar.

Beide Steuergutschriften zusammen ergeben die maximale Fördersumme von 7.500 US-Dollar. Insbesondere die Regelungen zu den Batterierohstoffen und -komponenten sollen dafür sorgen, in den Lieferketten unabhängiger von China zu werden.

Gänzlich neu unter dem IRA ist eine steuerliche Gutschrift von 4.000 US-Dollar für Gebrauchtwagen – „previously owned clean vehicles“ (§ 25E Internal Revenue Code). Ebenfalls neu ist eine Steuergutschrift für Nutzfahrzeuge („commercial clean vehicles“). Leichte Nutzfahrzeuge erhalten eine Steuergutschrift von bis zu 7.500 US-Dollar, schwere Nutzfahrzeuge bis zu 40.000 US-Dollar. Bei der Steuergutschrift für Nutzfahrzeuge fallen keine Vorgaben zur Endmontage in Nordamerika und zur Herkunft der Batterierohstoffe und -komponenten an.

In die Förderung von Elektroautos sollen über die nächsten Jahre schätzungsweise rund 7,5 Milliarden US-Dollar fließen.

Weitere Investitionen in den Klimaschutz

Die weiteren Förderungen im Rahmen des IRA umfassen unter anderem:

  • 27 Milliarden US-Dollar für einen Fonds zur Verringerung von Treibhausgasemissionen zur Finanzierung von emissionsarmen und emissionsfreien Technologien zusammen mit Mitteln aus dem Privatsektor;
  • 2 Milliarden US-Dollar an Zuschüssen für die Umrüstung von Automobilwerken auf die Produktion sauberer Fahrzeuge;
  • 10 Milliarden US-Dollar an Steuergutschriften für Investitionen in Produktionsanlagen für saubere Technologien (Solaranlagen, Windturbinen, saubere Fahrzeuge usw.);
  • 30 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschuss- und Darlehensprogrammen für Staaten und Stromversorgungsunternehmen zur Steigerung der sauberen Stromerzeugung;
  • 3 Milliarden US-Dollar an Zuschüssen zur Verringerung der Luftverschmutzung in Häfen;
  • 500 Millionen US-Dollar für die Unterstützung des Defense Production Act für einheimische Solar-, Wärmepumpen- und Stromnetzkomponenten;
  • Steuergutschriften für Technologien zur Speicherung und Sequestrierung von Kohlenstoff.

Local-content-Vorgaben sind brisant

Für die Biden-Administration ist der IRA ein wichtiges Element zur Erreichung ihrer Klimaziele. Mit dem Gesetz sollen die Emissionen in den USA bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2005 gesenkt werden. Die Biden-Administration hat sich international zu einer Absenkung um 50-52 Prozent verpflichtet, was zusätzliche Maßnahmen erfordert. Diskutiert wird nun jedoch innerhalb der EU, inwiefern der IRA zu einer Verlagerung von Investitionen in die USA zu Lasten des Standorts EU führen könnte. Fakt ist, dass die USA schon vor Verabschiedung des IRA ein attraktives Ziel für ausländische Investoren waren, da gerade in den letzten Jahren die Energiepreise vergleichsweise niedrig waren. Hinzu kommen als positive Standortfaktoren unter anderem die Größe und Einheitlichkeit des Binnenmarktes

Die deutsche Industrie sieht vor allem diejenigen Aspekte des Gesetzes kritisch, die europäische und andere ausländische Unternehmen benachteiligen. Dazu gehören die Kriterien für Steuergutschriften für Elektroautos, aber auch Buy-American- oder local-content-Anforderungen in anderen Bereichen. Diese Entwicklungen sind kein gutes Signal für die transatlantische Zusammenarbeit und stehen im Widerspruch zur vermeintlichen amerikanischen Politik des „Friendshoring“ sowie zum Drängen Washingtons, internationale Wertschöpfungsketten entlang geopolitischer Herausforderungen umzustrukturieren.

Transatlantische Taskforce erarbeitet Lösungsansätze

Nachdem sich die europäischen und andere internationale Partner sehr besorgt um die möglichen Implikationen des IRA gezeigt haben, bemühte sich die US-Regierung um Schadensbegrenzung. So setzten EU-Kommission und US-Administration Ende Oktober 2022 eine IRA-Task Force ein, die sich in regelmäßigen Treffen um Annäherung und Lösungsansätze bemühte. So legte das US-Finanzministerium in den Umsetzungsrichtlinien der Steuergutschriften für Elektroautos den Begriff „Freihandelsabkommen“ breit aus und schuf somit die Möglichkeit, die EU, die kein FTA mit den USA hat, mit anderen FTA-Partnern gleichzusetzten. Daher verhandeln die EU und USA derzeit über ein Abkommen zu kritischen Mineralien („critical minerals agreement“), dass es den europäischen Herstellern leichter machen würde, die Anforderung zur Nutzung dieser Mineralien in neuen Elektrofahrzeugen zu erfüllen und sich zumindest für einen Teil der Steuervergünstigung zu qualifizieren. Diese Mineralien dürften dann auch aus der EU stammen. Die Endmontage der Autos in Nordamerika wird ein grundlegendes Kriterium bleiben. Ein solches Ergebnis wäre zumindest ein kleiner Verhandlungserfolg für die EU, der im Rahmen der Ausgestaltung der Umsetzungsrichtlinien durch die Administration möglich ist. Weitere Zugeständnisse der USA sind nicht zu erwarten. Zu bedenken gilt jedoch, dass die EU bei für die Batterieproduktion notwendigen Mineralien, die Gegenstand eines solchen Abkommens wären, selbst massiv auf Importe aus Drittländern angewiesen ist. Die notwendigen Rohstoffe werden nur begrenzt in der EU abgebaut und verarbeitet.

Etwas Abhilfe für europäische Hersteller von Elektroautos schafft der „commercial clean vehicle tax credit“. Diese Steuergutschrift ist für Elektrofahrzeuge verfügbar, die in den USA als Geschäftswagen geleast werden. Die steuerliche Förderung von Nutzfahrzeugen hängt im Gegensatz zur Förderung von privaten E-Autos nicht von der Endmontage des Fahrzeuges ab. Auch die Regelungen zu den Batterierohstoffen und -komponenten finden keine Anwendung. Dass hier nicht die gleichen Anforderungen gelten, ist womöglich vom Gesetzgeber unbeabsichtigt und stellt somit ein ungewolltes Schlupfloch für ausländische Hersteller dar.

Ein Subventionswettlauf ist keine Lösung

Es ist gut, dass der Konflikt um den IRA bisher nicht in Form von Zöllen oder ähnlichen handelspolitischen Maßnahmen seitens der EU eskaliert ist. „Buy European“-Regelungen gegen die USA – also das zu tun, was wir nicht nur in Bezug auf den IRA, sondern bereits seit Jahren kritisieren – können nicht die Lösung sein. Die Trump-Jahre haben uns gelehrt, dass es immer besser ist, miteinander statt übereinander zu reden. Handelskriege kennen keine Gewinner.

Insgesamt sollte die EU eine vorsichtige handelspolitische Antwort auf den IRA wählen. Ein Subventionswettlauf würde zulasten der Steuerzahler und des Wettbewerbs insgesamt gehen. Zudem gilt es, die US-Fördersumme für grüne Technologien, 369 Milliarden US-Dollar über zehn Jahre, ins Verhältnis zum jährlichen BIP der USA, etwa 23 Billionen, zu setzen. In der EU gibt es bereits zahlreiche Förderinstrumente und -initiative für die grüne Transformation. Es muss jedoch deutlich leichter für Unternehmen werden, Förderungen zu beantragen und zu erhalten. Auch dauern die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland und der EU für neue Industrieanlagen, für Anlagen zur Energieerzeugung und für die dafür benötigten Infrastrukturen viel zu lange und stellen eine hohe Hürde für die rasche Hochskalierung alternativen Technologien dar. Der von der EU als Reaktion auf den IRA im März 2023 vorgeschlagene Net Zero Industry Act geht hierfür grundsätzlich in die richtige Richtung. An einigen Stellen besteht jedoch noch Verbesserungspotenzial.

Grundsätzlich gilt: Dem Klimawandel können wir nur sinnvoll begegnen, wenn wir an einem Strang ziehen. Transatlantische Kooperation statt Konfrontation muss auch im Bereich des Klimaschutzes das Leitprinzip bleiben.