Der nationale Emissionshandel: Noch nicht zu Ende gedacht und schon Vorbild für Europa?
Das Kernelement des Klimapaketes der Bundesregierung zur Erreichung ihrer Klimaziele für 2030 ist die Einführung der CO2 -Bepreisung in Form eines nationalen Emissionszertifikatehandels für alle Emissionen, soweit diese nicht bereits vom europäischen Emissionshandel erfasst sind. Durch einen finanziellen Anreiz sollen Treibhausgasemissionen reduziert werden. Damit hat ab 2021 jede fossile CO2-Emission einen Preis, entweder über den nationalen oder über den europäischen Emissionshandel. Über das nationale System bekommen die Bereiche Verkehr und Wärme erstmals einen direkten CO2-Preis. Davon betroffen sind Unternehmen wie Haushalte. Das nationale Emissionshandelssystem startet 2021 mit einem jährlich steigenden Festpreis. Ab dem Jahr 2026 wechselt das System in einen Preiskorridor, sodass sich der CO2-Preis am Markt bildet.
Die Detailgestaltung stockt weniger als drei Monate vor dem Start
Im Brennstoffemissionshandelsgesetz sind 14 Verordnungsermächtigungen enthalten. Davon wurden vier in einem ersten Verordnungspaket vor dem Sommer 2020 als Entwurf bekannt. Bis Ende September 2020 wurde das erste Verordnungspaket jedoch noch nicht abgeschlossen. Ein zweites Paket soll im Oktober folgen. Zudem hat das Bundeskabinett im September 2020 Eckpunkte zur zustimmungspflichtigen Carbon Leakage Schutz Verordnung vorgelegt und zugesagt, eine Regelung auf nationaler Ebene bis Ende 2020 zu beschließen. Weniger als drei Monate vor dem Start stellt sich die Frage, ob ein in Europa vollkommen neues System und mit heißer Nadel gestrickte Verordnungen bis Anfang 2021 wirklich einsatzbereit sein können.
Ein CO2-Preis muss Investitionen in Klimaschutz fördern, statt sie zu verhindern
Der BDI hat stets für eine möglichst bürokratiearme und robuste Umsetzung der Vorab-Befreiung von EU-Emissionshandelsanlagen zur Vermeidung einer Doppelbepreisung und für Carbon Leakage Schutz geworben. Ende September 2020 ist hingegen immer noch nicht klar, wie eine praktikable Umsetzung der Vorab-Befreiung erfolgen kann. Der Verordnungsentwurf zur Berichterstattung (BeV2022) ermöglicht dem verantwortlichen Energielieferanten lediglich einen nachträglichen Abzug der nachweislich in EU-Emissionshandelsanlagen eingesetzten Energiemengen. Wie dies praktisch ex ante umzusetzen ist, wird dort nicht geklärt. Rechtsicherheit besteht dadurch aktuell weder für Lieferanten noch für EU-Emissionshandelsanlagen.
Ähnlich negativ fällt das Urteil zu den, bis Ende September 2020, vorgelegten Rahmenbedingungen zum Schutz der „kleinen Industrie“ vor Carbon Leakage aus. Diese sehen vor, dass Unternehmen und Branchen sich in einem ersten Schritt über die Carbon Leakage Liste der EU und durch zusätzliche Qualifizierung, quantitativer wie qualitativer Art, dazu qualifizieren können, das Recht zu erwerben, einen Antrag auf Carbon Leakage Schutz zu stellen. In einem zweiten Schritt soll es dann zusätzlich eine unternehmensindividuelle Prüfung geben, bei der Unternehmen eine weitere Mindestschwelle überschreiten müssen, um einen Carbon Leakage Schutz zu bekommen. Diese Regelung lässt die Liste der ersten Stufe faktisch ins Leere laufen. Die Höhe der Beihilfe hängt dann vom Carbon Leakage Risiko und dem EU-Benchmark ab. Werte zur Höhe der Mindestschwelle und wie diese berechnet werden, liegen noch nicht vor.
Fazit: Die bisherigen Regelungsansätze der Bundesregierung schaffen weder ausreichende Planungssicherheit für Unternehmen, noch werden wirksame Anreize geschaffen Emissionen zu mindern. Es ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Der momentan klimafreundlichste Energieträger Erdgas wird verteuert, wodurch die Substitution durch den doppelt so emissionsintensiven Strommix angereizt werden soll. Das fördert weder den Klimaschutz noch die von der Krise gebeutelten Unternehmen.
Der BDI wirbt deshalb in enger Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedsverbänden weiter für eine Ausgestaltung, die Unternehmen den finanziellen Spielraum für Investitionen schafft, Liquiditätsentzug vermeidet und effektiven Klimaschutz ermöglicht.
Wird Europa das „Modell Deutschland“ nachahmen?
Es ist noch ein weiter Weg zu gehen. Die Zeit bis zum Start im Januar 2021 hingegen wird immer knapper. Trotz all der offenen Fragen hat auch die EU-Kommission die deutsche Idee eines Emissionshandels für Wärme und Verkehr für sich entdeckt. Im Rahmen der Zielverschärfung für 2030 ist die Kommission gezwungen, ihre eigenen Instrumente zu überprüfen und anzupassen. Eine Anhebung des Ziels um mehr als 25 Prozent bedarf zudem neuer Instrumente. Der deutsche Emissionshandel bietet aus Sicht der EU-Kommission eine mögliche Ergänzung zum bereits bestehenden EU-Emissionshandel. Eine Vorentscheidung ist noch nicht gefallen. Dennoch wird die EU-Kommission das „Modell Deutschland“ im Rahmen des Green Deals ernsthaft diskutieren. Ob der nationale Emissionshandel die Festpreisphase bis 2025 überstehen wird, oder ob es bis dahin eine europäische Lösung gibt, bleibt abzuwarten.