Deutschland muss endlich wachstumsfreundliche Position zur Reform des EU-Emissionshandels vorlegen!

Die Bundesregierung hat sich zum Reformvorschlag des EU-Emissionhandels noch immer nicht positioniert. Dabei hat die Europäische Kommission bereits vor über einem Jahr ihren Vorschlag vorgelegt. Die Richtlinie für das ETS (Emissions Trading System) soll für die vierte Handelsperiode (2021 bis 2030) so geändert werden, dass die von den Staats- und Regierungschefs im Oktober 2014 für 2030 beschlossenen Klimaschutzziele erreicht werden können.

 

Hehren Worten müssen nun Taten folgen

Vizekanzler Gabriel hat im Bündnis Zukunft der Industrie im Februar 2016 öffentlich die Gleichwertigkeit der Wachstums- und Klimaziele betont. Die Industrie fordert von der Bundesregierung daher, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass den ETS-pflichtigen Anlagen so viel kostenfreie Zuteilung gewährt wird, dass sie auch nach 2020 wettbewerbsfähig bleiben und wachsen können. Die deutsche Positionierung zur ETS-Reform wird in Brüssel dringend erwartet – das Verständnis für das extrem lange Zögern Deutschlands schwindet. Dabei sollte doch klar sein, um was es geht: die 10 Prozent der besten Anlagen eines Sektors müssen vollumfänglich mit kostenfreien Zertifikaten gemäß ihres Benchmarks ausgestattet werden. Damit das geschehen und der gefürchtete sektorübergreifende Korrekturfaktor vermieden werden kann, muss das Industrie-cap erhöht werden.

Es geht also ganz wesentlich um die Frage, wieviel Zertifikate für die kostenfreie Zuteilung zur Verfügung stehen sollen. Die Kommission sagt: 43 Prozent der Gesamtmenge – aber von diesen 43 Prozent sollen noch die Zertifikate für den Innovationsfonds abgezogen werden, sodass effektiv nur gut 40 Prozent der gesamten Zertifikatemenge für die kostenfreie Zuteilung bleiben. Das ist zu wenig und nur durch deutliche Verschärfungen bei den Benchmarks und der Carbon Leakage-Liste umsetzbar. Dabei ist die Herleitung der 43 Prozent nicht eindeutig.

Wer mitmacht, soll auch nach 2020 wirtschaftlich überlebensfähig bleiben

Der BDI, BusinessEurope und andere Industrieverbände sowie einige Mitgliedstaaten (Belgien, Österreich, Italien) fordern deshalb die Erhöhung dieses Prozentsatzes auf bis zu 48 Prozent. Damit könnte die Industrie-Forderung nach einer weniger harschen Benchmark-Verschärfung aufgefangen werden. Auch die Carbon Leakage-Liste könnte bleiben wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Es bedürfte dann jedenfalls keines sogenannten gestuften Ansatzes („Tiered Approach“), wie er von einigen Akteuren gefordert wird. Diese wollen zusätzlich zu der von der Kommission vorgeschlagenen Schwelle, bei deren Überschreiten ein Sektor auf die Carbon Leakage-Liste kommt, weitere, letzten Endes willkürliche Schwellenwerte einführen. Der Effekt eines solchen Ansatzes wäre, dass nur noch ganz wenige Sektoren eine freie Zuteilung erhalten würden. Dabei zeigen viele wissenschaftliche Untersuchungen, dass das Carbon Leakage-Risiko nicht rechtssicher abgeschätzt werden kann. Nicht zuletzt deshalb hat die Kommission – trotz großer Sympathien für einen „Tiered Approach“ – davon abgesehen, ein System mit willkürlichen Carbon Leakage-Risikoschwellen vorzuschlagen. Die Industrie lehnt eine mehrfach gestufte Carbon Leakage-Liste geschlossen ab.

Sie ist zudem höchst beunruhigt ob der in Deutschland wieder zunehmenden Diskussion um einen forcierten nationalen Kohleausstieg. Es heißt, die Bundesregierung wolle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass Mitgliedstaaten im Falle nationaler Eingriffe in ihren fossilen Kraftwerkspark die entsprechenden Mengen an Zertifikaten stilllegen dürfen. Dies wäre jedoch nichts anderes, als es ins Belieben der Mitgliedstaaten zu stellen, wann und wie stark das ETS-cap verschärft wird. Es wird nicht verwundern, dass die Industrie auch dieses Ansinnen kategorisch ablehnt.

Der Zeitpunkt für eine wachstumsfreundliche Politik ist jetzt

Wenn die hehren Worte zur Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland und Europa, die im Bündnis Zukunft der Industrie gesprochen wurden und wohl noch werden, auch nur das geringste Gewicht haben, sollte die Bundesregierung nicht umhin können, eine wachstumsfreundliche Position zur ETS-Reform vorzulegen. Und sie sollte es sehr bald tun: je länger die klimapolitische Unsicherheit in Bezug auf die Umsetzung der 2030-Ziele anhält, desto länger werden sich die Unternehmen in Deutschland und Europa mit Investitionen zurückhalten.