Die grüne Lösung für nicht-elektrifizierte Bahnstrecken
Alternative Konzepte auf der Schiene rücken angesichts des Klimawandels immer mehr in den Mittelpunkt. Warum ist der Fokus auf die Schiene so wichtig?
Michael Peter: Wenn es um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, kommt dem Mobilitätssektor eine besonders große Verantwortung zu. Hier ist eine große Hebelwirkung zu erwarten. Die Elektrifizierung des Schienenverkehrs ist dabei entscheidend. Allerdings gibt es hier natürlich auch Herausforderungen, für die wir Lösungen finden müssen.
Von welchen Herausforderungen ist die Rede?
Nicht alle Strecken können über Oberleitungssysteme mit elektrischer Energie versorgt werden. Vor allem zum Beispiel dort, wo Tunnel und Brücken die Installation eines Oberleitungssystems erschweren. Da wird Elektrifizierung kostspielig und zeitaufwendig. Deshalb müssen wir für die nicht-elektrifizierten Teile umweltfreundliche Lösungen finden.
Und genau daran arbeiten Sie zurzeit?
Ja, die Lösungen sind schon da. Die Rede ist von hybriden Lösungen. Also zum Beispiel Züge, die elektrisch fahren, aber umstellen können, wenn sie Streckenabschnitte überbrücken müssen, die nicht elektrifiziert sind. Oder Züge, die speziell auf längere, nicht-elektrifizierte Strecken ausgelegt sind. Genau dafür haben wir den Mireo Plus H entwickelt.
Was macht den Mireo Plus H so besonders?
Der Mireo Plus H basiert auf unserer erfolgreichen Mireo-Plattform. Das Besondere am Mireo Plus H ist der Wasserstoffantrieb. Dabei unterstützt eine leistungsstarke und sichere Lithium-Ionen-Traktionsbatterie die Brennstoffzelle beim Fahren und nimmt Bremsenergie auf. Das heißt konkret: Statt direkt aus der Oberleitung zieht der Antrieb seine elektrische Antriebsenergie aus einer Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff aus Tanks auf dem Dach gespeist wird. Das Ergebnis: lokale emissionsfreie Mobilität, wo bisher keine Elektrifizierung vorhanden ist.
Wie sieht die weitere Entwicklung aus. Wann und wo fährt der Mireo Plus H?
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn (DB) arbeiten wir daran, Wasserstoff auf die Schiene zu bringen. Im Rahmen des gemeinsamen „H2goesRail”-Projektes entwickelt die DB derzeit eine Wasserstofftankstelle. Dieses Projekt schafft die erforderlichen Voraussetzungen für den reibungslosen Betrieb unseres Mireo Plus H. Anfang Mai 2022 haben wir den Zug offiziell präsentiert und 2024 gehen wir damit auf der Strecke Tübingen-Horb-Pforzheim in den Probebetrieb. Außerdem haben wir gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung eine Absichtserklärung für einen Probebetrieb in Bayern ab 2023 unterschrieben. Die klimafreundliche Verkehrswende auf der Schiene ist also im vollen Gange.
Was waren die Gründe, sich für Wasserstoff zu entscheiden?
Wasserstoff ist ein nachhaltiger Energieträger. Allerdings ist die Wasserstoffproduktion derzeit kostenintensiv und oftmals noch nicht schadstofffrei möglich. Die Kosten werden zukünftig jedoch sinken und die Wasserstoffproduktion wird auch immer umweltfreundlicher werden. Deshalb ist es umso wichtiger, Wasserstoffzüge nun für den täglichen Betrieb bereit zu machen. Grüner Wasserstoff ist sauber – und in Kombination mit einer Brennstoffzelle gibt es nur sehr wenige bewegliche Teile, die mechanischem Verschleiß ausgesetzt sind. Dies vereinfacht die Instandhaltung erheblich und senkt die Lebenszykluskosten für Betreiber.
Die Reichweite des Mireo Plus H ist ein weiterer wichtiger Punkt: Diesel galt bisher als „berühmt“ für seine großen Reichweiten, aber der Mireo Plus H ist auch in anderer Hinsicht durchaus konkurrenzfähig. Er ist leistungsstark, erzielt hohe Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h und hat eine maximale Reichweite von bis zu 1000 Kilometern – eine Distanz, die die meisten regionalen Bahnbetreiber von einem Zug erwarten.
Wie viel CO2 kann durch Wasserstoffzüge eingespart werden?
Über die Lebenszeit eines Mireo Plus H spart der Zug bei Einsatz von grünem Wasserstoff bis zu 15.000 Tonnen CO2 im Vergleich zu einem Dieseltriebzug. Bei einem CO2-Preis von 55 Euro pro Tonne ab 2025 würden Betreiber demzufolge Betriebskosten in Höhe von rund 825.000 Euro einsparen. Im Vergleich zum Auto als alternatives Transportmittel im Regionalverkehr lassen sich die Emissionen sogar um 45.000 Tonnen CO2 über den Lebenszyklus eines Zuges senken.
Welches Potenzial haben Wasserstoffzüge?
Derzeit sind rund 15.000 dieselbetriebene Fahrzeuge auf Schienen in Europa unterwegs und fahren hauptsächlich auf nicht-elektrifizierten Strecken. Egal, ob batterie- oder wasserstoffbetriebene Züge: Wir haben die Lösung. Es geht darum, die richtige und nachhaltige Lösung für jedes Szenario zu finden. Der Mireo Plus H ist eine hervorragende Alternative zur Dieseltechnologie. Wir sind mit Elan dabei, die Züge für weitere Tests und den anschließenden Fahrgastbetrieb bereitzustellen.