Die neue Bundesregierung: Turbo für Klimaschutz und für die Industrie?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der alten Bundesregierung das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie von Minister Peter Altmaier (CDU) und das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von Ministerin Svenja Schulze (SPD) sich gelegentlich gegenseitig blockiert haben. Das ging so weit, dass Deutschland in Brüssel immer wieder nicht sprechfähig war – aus Sicht der Wirtschaft ein unhaltbarer Zustand. Zumindest diese Blockade versucht die neue Regierung nun elegant aufzulösen, indem sie große Teile der beiden Häuser einfach zusammenlegt unter dem neuen Minister Robert Habeck für Wirtschaft und Klima (Bündnis 90/Die Grünen). Der reine Umweltbereich bleibt ein eigenes – deutlich schlankeres – Ministerium unter Ministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen).
Neuer Zuschnitt des Ministeriums verbindet Wirtschaft und Klima
Doch Organisation und Organigramme sind das eine, Sachpolitik das andere. Was wird in dem neuen „Super-Ministerium“ überwiegen: Wirtschaft oder Klima? Oder gelingt die Synthese, dass – wie in der BDI-Klimapfade-Studie 2.0 gefordert – Klimaschutz verbunden wird mit einer Stärkung und Modernisierung der Industrie, dass also beide Aspekte ebenbürtig sind? Hilft der Koalitionsvertrag für eine Prognose in dieser Frage?
Wichtige Wirtschaftsthemen enthalten
Für die Wirtschaft sind Themen wie Energie-Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Energiepreise zentral, sie erhalten beim Umbau der Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität nochmals mehr Gewicht. Der Koalitionsvertrag nennt beide als wichtige Ziele. So soll die EEG-Umlage innerhalb eines Jahres komplett in den Bundeshaushalt überführt werden, Erdgas wird als Brückenenergie genannt und der Neubau von später wasserstofftauglichen Gaskraftwerke angekündigt. Positiv für die Versorgungssicherheit ist auch, dass das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 „weich“ ausgestaltet ist und an den tatsächlichen Zubau von Erneuerbaren und Kraftwerkszubau geknüpft wird. Sehr zu begrüßen ist schließlich auch die „Weiterentwicklung“ des Klimaschutzgesetzes dahingehend, dass die Einhaltung der Klimaziele künftig anhand einer sektorübergreifenden, mehrjährigen Gesamtrechnung erfolgen soll. Dies ist das richtige Signal einer Abkehr vom derzeitigen teuren und ineffizienten Mikromanagement einer Nachjustierung jährlicher Sektorziele.
Offene Fragen bleiben
Im Widerspruch zu dieser richtigen Abkehr vom kurzatmigen derzeitigen Klima-Mikromanagement steht die Ankündigung eines „Klimaschutz-Sofortprogramms“. Was ist hiermit gemeint? Führt dies doch wieder zu einer kurzfristigen, ineffizienten Symbolpolitik? Sicher ist: Die neun Jahre bis 2030 erfordern sehr rasches, überlegtes Handeln, aber keinen Aktionismus. Fragen gibt es auch zur Ankündigung eines Abbaus klimaschädlicher Subventionen, durch den aber die Wirtschaft nicht schlechter gestellt werden soll. Ist hier jedes Unternehmen gemeint oder nur die Summe im Gesamtmittel? Und werden Strom- und Gaskosten gleichermaßen berücksichtigt? Zur Versorgungssicherheit bleibt die Frage, wie der erheblich notwendige Gaskraftwerksneubau in wenigen Jahren gelingen soll, sowohl mit Blick auf die Genehmigungen als auch auf die Finanzierung. Und eine offene Frage bleibt schließlich auch beim Carbon Leakage Schutz. Dieser wird zwar richtigerweise und abstrakt zugesagt. Doch bei der schon geltenden nationalen CO2-Bepreisung ist von keiner Verbesserung des derzeit ungenügenden Carbon Leakage Schutzes die Rede. Also doch nur leere Worte?
Unter dem Strich kann man über den Koalitionsvertrag aus Industriesicht sagen: „Darauf lässt sich aufbauen“. Neben den bestehenden offenen Fragen und dem erheblichen Zeitdruck der Klimaziele, der auch zu hohem finanziellen Aufwand führt, wird es nun vor allem darauf ankommen, dass die Entscheider im neu aufgestellten „Super-Ministerium“ Wirtschaft und Klima den ausgewogenen Tenor des Koalitionsvertrages als Leitmotiv auch in ihrer täglichen Arbeit immer mit bedenken.