Die Wettbewerbsfähigkeit Europas – eine Bewertung des Draghi-Berichts

Der Draghi-Bericht zur „Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union“ ist ein Weckruf für die europäische Wirtschaftspolitik. In Zeiten schwachen Wachstums, hoher Energiepreise und intensiver Konkurrenz insbesondere durch die USA und China legt er offen, wie stark die EU an Innovationskraft und Produktivität eingebüßt hat. Auf Basis einer umfassenden Analyse enthält der Bericht wegweisende Empfehlungen zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit.

Der Bericht eröffnet der neuen Europäischen Kommission, die am 1. Dezember 2024 ihr Amt antritt, entscheidende Impulse für das zentrale Thema ‚Wettbewerbsfähigkeit‘. Das spiegelt sich schon darin wider, dass die neue Europäische Kommission Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda stellen will. Zahlreiche der Empfehlungen finden sich bereits in den „Mission Letters“ der Kommissionsmitglieder wieder.

Wesentliche Erkenntnisse des Draghi-Berichts

Der Draghi-Bericht zeigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit Europas im globalen Vergleich zunehmend unter Druck steht. Während die EU beim Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftparitäten um etwa 34 Prozent hinter den USA liegt, investiert sie nur halb so viel in Forschung und Entwicklung. Europa droht in Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz und Quantencomputing den Anschluss zu verlieren. Zudem ist die EU stark von Drittstaaten abhängig, besonders bei kritischen Rohstoffen und strategischen Produkten, was ihre Souveränität gefährdet. Hohe Energiepreise und komplexe bürokratische Anforderungen belasten die Standortattraktivität und erschweren Investitionen und Wachstum in der europäischen Industrie.

Wesentliche Empfehlungen des Draghi-Berichts

Der Draghi-Bericht empfiehlt, europäische Politikfelder wie Industrie-, Handels- und Wettbewerbspolitik enger zu verzahnen, um eine kohärente Strategie für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Die vollständige Umsetzung des Binnenmarkts sei dabei essenziell, um grenzüberschreitende Hindernisse für Unternehmen abzubauen. Zudem sollen Start-ups und wachstumsstarke Unternehmen leichteren Zugang zu Kapital erhalten, damit sie sich innerhalb Europas erfolgreich entwickeln und gegen internationale Konkurrenz behaupten können. Der kommende Mehrjährige Finanzrahmen (MFF) soll so ausgerichtet werden, dass er den großen Investitionsbedarf in Schlüsseltechnologien und Infrastruktur unterstützt und damit die Wettbewerbsfähigkeit Europas langfristig stärkt. Ein weiterer Fokus des Berichts liegt auf dem Abbau regulatorischer Hürden, um Unternehmen zu entlasten und Europas Innovationskraft zu stärken.

Bewertung durch den BDI

Der BDI hat eine umfassende Stellungnahme des Draghi-Berichts vorgenommen. Die Empfehlungen des Draghi-Berichts stellen einen wichtigen Impuls für eine Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik dar. Die Analyse ist stichhaltig und viele der Vorschläge sind zentral, um Europa langfristig innovativer, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Zu den wesentlichen Maßnahmen gehören unter anderem:

  • Förderung von Innovation und Technologieführerschaft durch zusätzliche Mittel für Forschung und Venture Capital. Die Überwindung der Innovationsfalle in mittleren Technologien als wichtige Leitlinie.
  • Eine klarere Fokussierung des Haushalts an den strategischen Prioritäten, inklusive einer Verdoppelung der Mittel des Forschungsrahmenprogramms im Mehrjährigen Finanzrahmen 2028-2034.
  • Bürokratieabbau, darunter eine Reduzierung der Berichtspflichten, als ein zentraler Schritt zur Entlastung der europäischen Wirtschaft.
  • Senkung der Energiekosten und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für Erneuerbare, um Unternehmen zu entlasten.
  • Vertiefung des europäischen Binnenmarkts in allen Bereichen.
  • Sicherung kritischer Rohstoffe durch eine europäische Rohstoffstrategie und den Ausbau des Recyclings, um die Abhängigkeit von Drittstaaten zu verringern.