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Digitalisierung als Lösungsgeber in der Circular Economy
Um ein besseres Verständnis für die Rolle der Digitalisierung bei konkreten Circular Economy Herausforderungen zu bekommen, haben die BDI-Initiative Circular Economy, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser-, und Kreislaufwirtschaft (BDE), ihre Kräfte gebündelt. In einem gemeinsamen Workshop mit Expertinnen und Experten aus der Industrie wurde über Hindernisse der Kreislaufführung und möglichen Lösungen durch Digitalisierung diskutiert. Hierfür wurden drei Stoffströmen hervorgehoben, Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Bausektor und Verpackung, die anhand von Stoffkreislaufbildern analysiert wurden.
Potentialanalyse in drei Stoffströmen

1. Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)
Der Stoffstrom der Altgeräte der IKT und Elektrokleingeräte zeichnet sich durch eine hohe Produkt- und Stoffkomplexität aus. Sowohl Hersteller als auch die Recyclinginfrastruktur (insb. bei kritischen Rohstoffen wie seltenen Erden), befinden sich großenteils im außereuropäischen Ausland. Das erschwert die Transparenz und Regulatorik über die Wertschöpfungskette hinweg. Kurze Innovationszyklen sorgen für eine hohe Varianz in der stofflichen Zusammensetzung und damit in der nachgelagerten Behandlung für das Recycling.
Circular Economy Herausforderungen
- Nicht-zirkuläres Produktdesign, das lange Nutzungsdauer, Reparatur sowie Schadstoffentfrachtung und Wertstoffseparierung im Recyclingprozess erschwert:
- Dissipation kritischer Rohstoffe, die unter großem Aufwand aufskaliert und aggregiert werden müssen, um recycelt werden zu können.
Digitalisierung als Lösungsgeber
- Ein digitaler Produktpass kommt sowohl der Reparatur als auch der Wiederverwendung zugute. In Verbindung mit entsprechend an diese Informationstechnik angepassten Sortier- und Behandlungsprozessen kann das Recycling verbessert werden, indem Schadstoffe (z.B. bromierte Kunststoffe) besser separiert und Wertstoffe leichter identifiziert werden können.
- Digitale Handelsplattformen für Sekundärrohstoffe verbessern den Datenaustausch über Qualitätsanforderungen für Rezyklate und die Zugänglichkeit zu solchen Stoffen.
2. Bausektor
Der Stoffstrom im Bereich Bau zeichnet sich durch vielfältige Materialien, wie Sand, Kies, Stein, Naturstein, Stahl, Dachpappe, Gips, Beton sowie sonstige Materialien (Erze, Mineralien) aus. Aus dem Bauschutt kann zum Teil Verfüllungsmaterial, wie zum Beispiel Recyclingmaterial zur Befestigung von Einfahrten oder Terrassen, hergestellt werden.
Circular Economy Herausforderungen
- Es gibt verschiedene Bauverordnungen, die zum Teil rechtliche Hemmnisse determinieren.
- Fehlende Sekundärrohstoffe erschweren den Zyklusgedanken und stellen damit eine immanente Pfadabhängigkeit dar, die eine Einführung von Quoten (z. B. Rezyklatquoten) erschweren.
Digitalisierung als Lösungsgeber
- Data Sharing von Echtzeitdaten könnte vor allem die Situation für Sekundärrohstoffe verbessern.
- Digitale Plattformen ermöglichen Handelsplatz und Datenaustausch für Anbieter und Nachfrager von Sekundärrohstoffen.
- Online-Kataster erhöhen die Transparenz von Materialien und Produkten in Gebäuden.
- Strukturierte Datenerfassung und Digitalisierung der Planung und Beschaffung kann Kosten sparen.
- Produktverbesserungen und/oder Designanpassungen erfolgen über permanente Datenanalyse von Produkten im gesamten Lebenszyklus.
3. Verpackung
Hauptmaterialien im Verpackungsstrom sind Kunststoffe, Glas, Metalle und Pappe, Papier und Kartonage (PPK). Es finden sich häufig Materialkombinationen in Verbundstoffen wieder.
In der Glas-, Papier- und Metallindustrie ist der Einsatz von Rezyklaten bereits sehr hoch, da es hier gut funktionierenden Marktstrukturen gibt. Gerade bei Kunststoffen sowie Technologiemetallen gibt es jedoch noch Steigerungspotenzial. Der Verpackungsmarkt zeichnet sich durch geringe Margen und Stückkosten aus. In der EU entsteht der größte Anteil an Verpackungsmüll im PPK (41 Prozent), gefolgt von Kunststoff (19 Prozent), Glas (19 Prozent), Holz (16 Prozent) und Metall (fünf Prozent).
Circular Economy Herausforderungen
- Die Eigenschaften von Sekundärrohstoffen sind nicht ausreichend standardisiert, um benötigte Qualitäten verlässlich und binnenmarktübergreifend zu gewährleisten.
- Der Bedarf an recyceltem Material ist höher als seine Verfügbarkeit; ein Verhältnis, das durch neue Anforderungen aus der EU-Gesetzgebung verschärft werden wird.
- Die Wiederverwendung (Re-Use) bei bestimmten Verpackungen ist noch stark ausbaufähig.
- LCAs und ganzheitliche Ökobilanzierung sind zum Teil schwierig umsetzbar, weil es zu wenige Daten gibt.
- Die Kosten für die Distributionslogistik spielen eine wichtige Rolle im Verpackungskreislauf. Erhöhter Logistikaufwand durch z. B. Mehrwegsysteme führen oftmals zu einer verhältnismäßig starken Steigerung der Stückkosten je Verpackung.
- Für ein Level-Playing-Field der Marktteilnehmer, braucht es einen behördlichen Vollzug der die neuen Anforderungen aus der EU-Gesetzgebung (Quote VerpackungsVO, etc.) binnenmarktübergreifend kontrolliert. Hier mangelt es an Infrastruktur und Fachwissen in Behörden.
Digitalisierung als Lösungsgeber
- Über unterschiedliche EU-Regulierungen wird es ab 2027 verpflichtend Digitale Produktpässe (DPP) geben. Wenn richtig umgesetzt, entsteht hier ein wichtiger Hebel für neue, sichere und vor allem standardisierte produktbezogene Daten – und das EU-weit.
- Intelligente Software, die von machine und deep learning Prozessen unterlegt ist, bietet neue Möglichkeiten der digitalen Analyse. Komplexe Prognose-Modelle können das Produktdesign mit Echtzeitdaten beispielsweise zur Verfügbarkeit und zu Kosten spezifischer Rohstoffe füttern und beim präziseren Design for Circularity unterstützen.
- IoT-Systeme, die Software- und Hardware-Komponenten kombinieren, verbessern die Sortierleistung heterogener Abfallströme und erleichtern die wertstofferhaltende Behandlung nachgelagerter Ketten. Ein Anlagenkonzept, dass vermehrte Anwendung in der Industrie findet.
- Datenräume für die Circular Economy sind wichtige Projekte, die Schnittstellen für einen Stakeholder übergreifenden Transfer von (sensiblen) Unternehmensdaten ermöglichen. Die Projekte unter Gaia-X, bspw. Catena-X oder Manufacturing-X, sind Leuchtturmbeispiele für Konsortien, die an solchen Datenräumen arbeiten. Um den Vollzug zu beschleunigen und effizienter zu machen, könnte ein Gaia-X angelehntes Projekt gezielt für die Vollzugserleichterung in Behörden aufgesetzt werden.
- Der von der Entsorgungsbranche entwickelte AvaL-Standard schafft eine einheitliche Datenstruktur mit vereinheitlichten Stammdaten, der den digitalen Austausch sämtlicher Auftragsdienstleistungen ermöglicht und als gemeinsame Schnittstelle genutzt wird.
Übergreifendes Fazit
- Wo auf analoger Ebene zu wenig ausgetauscht wird, da wird es schwer digitale Daten zu tauschen und Standards zu entwickeln à Plädoyer für mehr Workshops wie den unsrigen
Stärkere Förderung des Know-How-Aufbaus zum Themenkomplex Digitalisierung u.a. bei KMU à mehr Beispiele für den geschäftlichen Alltag
- Es gibt spezifische Herausforderungen für separate Ströme, aber definitiv eignen sich viele digitale Lösungen für alle Ströme
In allen untersuchten Stoffströmen fehlen Standards und Schnittstellen. Ein Umstand, der einem effizientem digitalen Datenaustausch im Weg steht und dadurch bspw. die nahtlose Übertragung von Echtzeitdaten einschränkt. Gründe für die unzureichende Verfügbarkeit von standardisierten Daten sind u.a. wettbewerbsabhängig Pfadabhängigkeiten, die zum Teilen fehlende Bereitschaft Daten zu teilen und eine entsprechende sichere Infrastruktur, die diese Vorgänge effizient umsetzbar macht.
Der Digitale Produktpass wird unabhängig vom Stoffstrom als ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Transparenz und standardisierten Datenverfügbarkeit entlang des Produktlebenszyklus gesehen und könnte die benötigte und standardisierte Infrastruktur darstellen. Allerdings erfüllen viele Unternehmen noch nicht die Voraussetzungen für die Implementierung von DPP, da sie nicht ausreichend digitalisiert sind und Daten nicht effizient bewirtschaften können. Insbesondere KMU benötigen hier flankierende Unterstützung.
Es ist zu erwarten, dass die Digitalisierung in den kommenden Jahren an weiterer Relevanz für die Circular Economy gewinnen wird. Ein Trend, der beschleunigt wird durch regulative Anforderungen auf nationaler und europäischer Ebene und industriegetriebenen Projekten.