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Effiziente Schwergutlogistik für eine starke Industrie: VI GST sieht Reformbedarf bei Großraum- und Schwertransporten

Großraum- und Schwertransporte (GST) leisten einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Beitrag und sind für den Erhalt sowie die Transformation des Wirtschaftsstandorts Deutschland unverzichtbar. Aktuell behindern insbesondere vermeidbare Bürokratiehürden und Defizite in der Verkehrsinfrastruktur sowie der Digitalisierung diese so essenziellen Transporte.

Die im Januar 2023 gegründete Verbändeinitiative Großraum- und Schwertransporte (VI GST) bietet als gemeinsame Plattform von über 20 Verbänden der verladenden Wirtschaft und Transportbranche effektive Lösungsansätze für ein transparentes, verlässliches und praktikables Verfahren zur Genehmigung und Durchführung von GST.

GST sind Garant für eine erfolgreiche Energiewende

Der schlechte Erhaltungszustand der Verkehrsinfrastruktur sowie die damit zusammenhängend nur schwer planbaren, schleppenden Genehmigungsprozesse für GST beeinträchtigen derzeit viele wichtige öffentliche und private Projekte. Das hat gravierende Folgen zum Beispiel mit Blick auf den dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien: So stellt beispielsweise der Transport von Windenergieanlagen vom Produktionsstandort zum Errichtungsort angesichts der Abmessungen und des Gewichts der Einzelteile der Anlagen eine enorme logistische Herausforderung dar – denn vor dem Transport müssen alle Straßen, Kurven Brücken und sonstigen möglichen Engpässe geprüft und entsprechende Genehmigungen eingeholt werden. Damit der zur Erreichung der Ausbauziele tägliche Neubau von sechs Windenergieanlagen gelingt, sind aufgrund der Größe und des Gewichts der benötigten Bauteile allein in diesem Wirtschaftsbereich jährlich rund 60.000 GST notwendig.

Wettbewerbsfähige Wirtschaft und prosperierende Gesellschaft

Die Bedeutung von GST für Wirtschaft und Gesellschaft geht jedoch weit über die Energieversorgung (u.a. Strommasten, Transformatoren und Windenergieanlagen) hinaus. Neben dem Transport von Maschinen im Anlagenbau und der Landwirtschaft sowie für Produktionsanlagen jeglicher Art sind GST auch für

  • den Ausbau der Infrastruktur und die Mobilität (z.B. im Brücken- und Tiefbau, für Schleusen, Bahnhöfe und Schienenfahrzeuge)
  • den Wohnungs- und Gewerbebau (u.a. Baumaschinen, Metall- und Stahlbetonteile)
  • die Kommunikationstechnologie (u.a. Funk- und Telefonmasten, Satellitenanlagen)
  • die Gesundheit und Versorgung der Bevölkerung (u.a. Krankenhäuser, Logistikhallen, Lagerhäuser)
  • die Bildung, Kultur und Forschung (u.a. Museen, Events, Kunstwerke und Forschungsanlagen)

von entscheidender Bedeutung. Da GST nicht nur für zahlreiche Wirtschaftssektoren, sondern auch für die gesellschaftliche Grundversorgung unerlässlich sind, ist es umso wichtiger, dass die Verkehrsinfrastrukturen ertüchtigt und die langwierigen und aufwändigen Antrags- und Genehmigungsverfahren optimiert und beschleunigt werden.

Tragfähige und durchlässige Infrastruktur ist für GST von existenzieller Bedeutung

Der Transport überschwerer und bzw. oder überdimensionierter Güter auf öffentlichen Straßen unterliegt einem hochgradig komplizierten und föderal komplexem Genehmigungsverfahren. Ultimatives Ziel ist dabei, die Verkehrsinfrastruktur zu schützen, den Verkehrsfluss zu gewährleisten sowie mögliche Gefahren im Rahmen solcher außergewöhnlichen Transporte zu minimieren.

Das Ziel eines GST kann ein Produktionsstandort, eine Baustelle oder ein Endabnehmer bzw. ein Hafen sein, von wo aus das Gut auf internationale Reise geht. Aufgrund längerer Distanzen sowie stetig steigender Infrastrukturengpässe auf der Straße werden mittlerweile auch viele Schwertransporte im Hauptlauf auf das für GST genehmigungsfreie Binnenschiff oder die Schiene verladen. Da multimodale Verladeorte über die Straße meistens nur schwer erreichbar und Schienenwege sowie Binnenschifffahrtsanlagen ebenfalls zunehmend marode sind, ist die reibungslose multimodale Abwicklung von GST gleichermaßen anspruchsvoll.

Die Logistikunternehmen müssen für den Transport schwerer und übergroßer Transportgüter deshalb teils erhebliche Umwege bewältigen. Die Folge sind schwer kalkulierbare, unnötig lange Transportwege, teils verspätete Lieferungen sowie erheblich steigende Transport- und Genehmigungskosten. Die Erreichbarkeit von Produktionsstätten sowie Be- und Entladeorten entwickelt sich nicht zuletzt deshalb immer mehr zu einem grundsätzlichen Standortproblem.

Massive Schäden für den Wirtschaftsstandort sind bereits spürbar

Abgesehen von den mittel- bis langfristigen Gesamtschäden für den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland entstehen durch die hochkomplexen Antrags- und Genehmigungsverfahren für GST sektorübergreifend unmittelbare jährliche Schäden von mehreren hunderten Millionen Euro. Die Folgen dieses Bürokratiedschungels lassen sich anhand einzelner Wirtschaftszweige exemplarisch darstellen:

  • in der Logistik sorgt der sehr hohe Aufwand für Genehmigungsprozesse (Dauer, Mehrfachbeantragung, Umdisposition) für z.T. sehr hohe und vor allem unkalkulierbare Opportunitätskosten. Die Folge sind Auftragsstornierungen, Verzögerungen, eine hohe Belastung der Belegschaft, nationale und internationale Imageverluste sowie der drohende Rückzug von Speditionen aus dem Teilsegment GST
  • in der Landwirtschaft führt die fehlende Flexibilität beim Transport von großen, breiten und schweren Landwirtschaftsmaschinen im Zusammenspiel mit hoher Witterungsabhängigkeit zu Problemen bei der Einbringung der Ernte – zumal bei Nichtvorlage aller notwendigen Genehmigungen hohe Haftungsgefahren drohen
  • die hohe Ex- und Importquote der deutschen Volkswirtschaft bedingt speziell im Maschinen- und Anlagenbau zahlreiche Straßen- und Hafenanbindungsverkehre, wobei sich viele Produktionsstandorte im ländlichen Raum in Mittel- und Süddeutschland befinden. Die kurzfristige Anlieferung von Maschinen und Anlagen- bzw. Ersatzteilen über GST ist faktisch unmöglich, sodass Schäden und Instandsetzungsarbeiten in Stillständen und Produktionsausfällen resultieren.
  • auf dem Bau führen fehlende Transportgenehmigungen bei GST zu erheblichen Verzögerungen beim Baubeginn, Stillständen bei der Montage und in der Anlieferung von Maschinen und Kränen, sodass Fristen nicht eingehalten und insgesamt weniger Projekte realisiert werden können

Die VI GST legt ein Reformprogramm für GST vor

Die Verbändeinitiative für Großraum- und Schwertransporte (VI GST) hat in einem Positionspapier die größten GST-Problemfelder identifiziert und passende Lösungsvorschläge erarbeitet. Der BDI ist in der Steuerungsgruppe der VI GST vertreten.

Viele Lösungsansätze, insbesondere zur Sanierung und zum Neubau von Brücken, Straßen und multimodalen Schnittstellen, werden zwar erst langfristig Wirkung entfalten. Viel ist jedoch schon auf kurzfristigem Wege durch konsequenten Bürokratieabbau, sinnvolle und praxisnahe Regelwerke, einen höheren Digitalisierungsgrad sowie den politischen Willen zu inkrementellen Verbesserungen schnell erreichbar und lösbar.

Da je nach Wirtschaftsbranche ganz unterschiedliche Anforderungen an GST gestellt werden, sollten bei bestimmten Kriterien in erster Linie praxisnähere, an die jeweilige Nische der Versender angepasste Genehmigungskriterien geschaffen werden.

Weitere Kernforderungen der VI GST sind unter anderem:

  • Die Verkehrsinfrastrukturen ausreichend finanzieren, erhalten, ausbauen und effektiver nutzen
  • Mehr Akzeptanz und zweckdienliche Regelungen für die Durchführung von GST schaffen
  • Die Prüfung multimodaler Transporte und die Schaffung von Transporthubs, um die Stärken der einzelnen Verkehrsträger bestmöglich zu nutzen
  • Die graduelle Anpassung der Verwaltungsvorschriften und Transportbegleitungsvorgaben unter der Maxime „Sicherheit mit Augenmaß“
  • Die Bearbeitungsdauer für Genehmigungen verkürzen, beschleunigen, vereinheitlichen sowie deren Kosten kalkulierbar gestalten
  • Die Überarbeitung und konsequente Digitalisierung des föderal organisierten Verfahrensmanagements für Großraum- und Schwertransporte (VEMAGS)