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Eine Abkopplung von China halten alle für den falschen Weg

China hat sich zu einem immer stärkeren systemischen Herausforderer für Deutschland, Europa und den gesamten Westen entwickelt – anders als vor zehn Jahren erwartet. China ist auch ökonomischer und technologischer Wettbewerber – mit mitunter irritierenden Interpretationen der Regeln des Multilateralismus. Warum wir mit Peking trotzdem Kooperationsräume ausbauen sollten, erklärt Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, im Interview.

Wurden die Erwartungen der Wirtschaft an die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen erfüllt?

Wolfgang Niedermark: Der Dialog mit China bleibt richtig und wichtig, gerade in den aktuell angespannten Zeiten. Es ist ein gutes Zeichen, dass man sich wieder trifft. Und es ist gut, dass unsere Unternehmen bei vielen Formaten einen Platz am Tisch haben – beim nächsten Mal gern auch zusammen mit unseren europäischen Freunden. Wir hätten uns von der Regierungskonsultation aber konkretere Ergebnisse gewünscht, zum Beispiel, dass das chinesische Bekenntnis für eine weitere Marktöffnung endlich auch tatsächlich umgesetzt wird. Dialog ist das eine – Handeln das andere. Wir wollen und müssen mit China Kooperationsräume erhalten und ausbauen, vor allem im Kampf gegen den Klimawandel oder beim Schutz der Biodiversität. Selbstverständlich auch bei unseren vielfältigen Handels- und Investitionsbeziehungen.

Wie sollte die deutsche Wirtschaft mit China umgehen?

Eine Abkopplung der deutschen Wirtschaft von China, ein sogenanntes De-Coupling, halten alle für den falschen Weg. Das wäre auch unrealistisch. Richtig ist aber ein De-Risking, also Abhängigkeiten zu reduzieren. Wir sollten nicht alles auf eine Karte setzen. Ob uns das gefällt oder nicht: Die Arbeitsabläufe lokalisieren sich mehr und mehr. Viele Unternehmen – von multinationalen Großkonzernen bis zum Mittelstand – sind schon intensiv dabei, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte strategisch zu diversifizieren und neue Partnerschaften aufzubauen. Allerdings können Unternehmen nicht von heute auf morgen diversifizieren, das dauert mehrere Jahren. Und es ist leider nicht die kostengünstigste Option. Wir müssen eine De-Risking-Prämie zahlen.

Was muss aus Sicht der Industrie in einer China-Strategie der Bundesregierung stehen?

Wir leben in einer neuen Ära der Globalisierung, die leider nicht mehr auf Konvergenz basiert. Das Prinzip Hoffnung reicht in diesen Zeiten nicht mehr aus, um als Industriestandort global wettbewerbsfähig zu sein. Es braucht ein neues Verständnis und ein pragmatisches Konzept für wirtschaftliche Sicherheit. Eine China-Strategie sollte die Komplexität aus systemischer Rivalität, Wettbewerb und Partnerschaft zwischen Peking und Berlin adressieren. Stabilität durch Balance aller drei Dimensionen muss Ziel der deutschen China-Politik sein.