Matthias Buehner

Energie- und Klimapolitik reloaded? Die neue Regierung zwischen Ankündigungen und konkreten Schritten

Kaum war der Koalitionsvertrag Anfang Mai 2025 unterzeichnet, legte die Bundesregierung Ende des Monats ein „Sofortprogramm“ zur Stärkung der Wirtschaft vor. Die neue Bundesregierung setzt bei ihren Ankündigungen – insbesondere zur Energie- und Klimapolitik – auf Tempo. Der BDI begleitet aufmerksam, ob den Ankündigungen auch Taten folgen – und ob diese bei den Unternehmen tatsächlich Wirkung entfalten.

Investitionsbooster greift Forderung der BDI-Transformationspfadestudie auf

Eine Kernaussage der BDI-Transformationspfadestudie vom Herbst 2024 war, dass in Deutschland die Investitionstätigkeit zu gering ist, um ein starkes Industrieland zu bleiben und um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Die Studie sah 20 Prozent der Industrie akut gefährdet, wenn nicht gegengesteuert werde. Um wieder auf Wachstums- und Zielkurs bei der Klimatransformation zu kommen, müssten bis 2030 rund 1,4 Billionen Euro zusätzlich investiert werden.

Diesen Befund nimmt die neue Bundesregierung auf und hat bis Mitte Juli – noch vor der Sommerpause – ein „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ durch Bundestag und Bundesrat gebracht, das unmittelbar wirksam wird. Es eröffnet allen Unternehmen unter anderem großzügige steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Ausrüstungsinvestitionen, die (rückwirkend) ab dem 1. Juli dieses Jahres getätigt werden können. Aus Sicht des BDI ist dieses Gesetz ein wichtiges Signal für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland..

Energiekostensenkung – wann kommt sie bei den Unternehmen an?

Zur Senkung der Energiekosten hat der Koalitionsausschuss am 2. Juli 2025 konkrete Beschlüsse zur Entlastung gefasst, die ab 2026 greifen sollen.

Die Ausgestaltung der Stromsteuersenkung sorgte für erste Spannungen innerhalb der Koalition – auch einzelne Bundesländer meldeten sich zu Wort. Das BMF hat die dauerhafte Entfristung der bereits von der Ampel beschlossenen, bis Ende 2025 geltenden Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe auf das europäische Mindestmaß in die politische Diskussion eingebracht (Entfristung von § 9b StromStG). Dem Vernehmen nach kommt der Gesetzentwurf mit dieser Entfristung noch diese Woche und soll vom Kabinett am 6. August beschlossen werden. Das parlamentarische Verfahren folgt dann im Herbst. Bei politischer Einigkeit könnte das Gesetz im Dezember final verabschiedet werden.

Zur Entlastung der Unternehmen von der Gasspeicherumlage finden sich im Haushaltsgesetz 2025 (darin Anlage 3: Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds) die entsprechenden Regelungen. Der Bund stellt für das Jahr 2025 für den Ausgleich dieser Umlage 3,4 Mrd. Euro zur Verfügung, so dass die Umlage nicht mehr von den Unternehmen erhoben werden muss. Das Haushaltsgesetz 2025 wurde vom Kabinett Ende Juni beschlossen, die erste Lesung im Bundestag erfolgte Mitte Juli, die Verabschiedung in dritter Lesung soll Mitte September erfolgen.

Ebenfalls aus dem Klima- und Transformationsfonds soll wohl der Zuschuss in Höhe von 6,5 Mrd. Euro finanziert werden, den der Bund ab 2026 für die Strom-Übertragungsnetzentgelte übernehmen will.

Rückführung von Goldplating auf EU-Recht – nur Worte oder auch Taten?
Das Beispiel Energieeffizienzgesetz

Der Koalitionsvertrag benennt prominent das Ziel Bürokratieabbau. Ein Beispiel: „Das Energieeffizienzgesetz und das Energiedienstleistungsgesetz werden novelliert, vereinfacht und auf EU-Recht zurückgeführt.“ Der BDI hat diese Ankündigung in einem Verbändeschreiben an das BMWE aufgegriffen und angeregt, den Unternehmen noch vor der Sommerpause ein Signal zu geben, dass künftig die großzügigeren EU-Fristen maßgeblich sein sollten. Doch offenbar gestaltet sich die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über diese Frage langwieriger. Auch über die Frage, was „auf EU-Recht zurückführen“ genau bedeutet, wie weit man also tatsächlich zu gehen bereit ist, besteht offenbar noch Gesprächsbedarf.

Der BDI wird das Vorgehen der Regierung hier eng begleiten und darauf dringen, dass es am Ende nicht heißt, dass die versprochene „Rückführung auf EU-Recht“ nicht zum Rohrkrepierer wird.

BNetzA – Unabhängiges Handeln führt zu Grummeln in den Regierungsreihen

Im September 2021 hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) nicht hinreichend unabhängig von Weisungen des Gesetzgebers und der Bundesregierung war. Daraufhin wurde das Energiewirtschaftsrecht entsprechend geändert, seither handelt die BNetzA im Wesentlichen unabhängig von politischen Vorgaben. Auch bei der Gestaltung der aktuellen umfassenden Netzentgeltreformen (AgNes etc.) agiert die BNetzA weitgehend unabhängig.

Inzwischen wirft diese neue Stellung aber auch die Frage auf, ob es die BNetzA es mit der Unabhängigkeit nicht überreibe. Und ob es überhaupt mit dem Demokratieprinzip vereinbar sei, wenn eine Neugestaltung der Netzentgelte faktisch über das Wohl und Wehe einzelner Unternehmen entscheide.  Aus Reihen der Regierungskoalition wurde inzwischen geäußert, dass die Grundlinien der Energie- und Wirtschaftspolitik das gewählte Parlament bestimme und es nicht sein könne, dass eine Fachbehörde eigenständig gegen die wirtschaftspolitische Stoßrichtung der Regierung agiert.

Unabhängig von der Bewertung dieser rechtswissenschaftlichen Frage ist der BDI im engen Austausch sowohl mit der BNetzA als auch mit der Bundesregierung. Entscheidend ist, dass alle an einem Strang ziehen für eine Netzentgeltreform, die insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland nicht schwächt sondern stärkt.