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EU auf dem Weg zu einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Die EU-Kommission trat vor zwei Jahren mit dem Anspruch an, eine geopolitische Ausrichtung einzuschlagen. Sie will geschlossen auftreten und Europa weltweit mehr Gewicht und sicherheitspolitische Statur verleihen. Dazu wurden mit der Fortentwicklung der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ), der „Koordinierten Jährlichen Überprüfung der Verteidigung“ (CARD) und dem „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF) einige wichtige Initiativen angeschoben.

Die EU steht für Multilateralismus und für eine auf Regeln beruhende Weltordnung, in der sie eine aktivere und größere Rolle spielt. Ziel ist eine koordinierte Außenpolitik – von der Entwicklungshilfe bis hin zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Grundlage für die Arbeiten der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission sind die „Globalstrategie der Europäischen Union“ (EUGS) und der „European Defence Action Plan“ (EDAP). Weitere wichtige Bausteine sind der „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF), die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) und die „Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung“ (CARD), über deren Fortschritte die Verteidigungsminister im November 2020 erstmals informiert wurden. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 arbeitete gemeinsam mit der EU-Kommission an diesen Zielen und leistete mit eigenen Initiativen wie der Initiierung des Strategischen Kompasses und der Vorbereitung des Action Plans on Synergies in Security, Defence, Aerospace wichtige Beiträge.

Ständige Strukturierte Zusammenarbeit

Die SSZ wurde im Dezember 2017 auf den Weg gebracht und stellt einen grundlegenden Wandel bei der Verteidigungszusammenarbeit in der EU dar. Es handelt sich dabei um einen Rahmen, der es EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, Verteidigungsfähigkeiten gemeinsam zu entwickeln, in gemeinsame Projekte zu investieren und die operative Einsatzbereitschaft und den Beitrag ihrer Streitkräfte zu erhöhen. Bislang sind 25 EU-Mitgliedstaaten die verbindlichen Verpflichtungen eingegangen, die die Grundlage der SSZ bilden. Bisher gab es 47 Kooperationsprojekte in verschiedenen Bereichen. Der Rat der Verteidigungsminister hat im November 2020 Schlussfolgerungen zur strategischen Überprüfung SSZ 2020 gebilligt. In der Überprüfung werden die erzielten Fortschritte bewertet und Leitlinien für die nächste Phase (2021-2025) in Bezug auf das übergeordnete Ziel, die politischen Ziele, Anreize und Projekte vorgegeben. Insbesondere hat die Überprüfung gezeigt, dass die weiter gehenden Verpflichtungen erfüllt und bis 2025 konkrete und greifbare Ergebnisse erzielt werden müssen. Darüber hinaus werden zentrale Ziele hervorgehoben und bekräftigt, etwa im Zusammenhang mit Verteidigungs-investitionen, einer systematischeren Nutzung der Verteidigungsinstrumente der EU in nationalen Planungsprozessen, der Stärkung der operativen Wirksamkeit der EU und der Entwicklung der erforderlichen Fähigkeiten. Zudem wird auf eine Liste von 26 SSZ-Projekten hingewiesen, die bis Ende 2025 konkrete Ergebnisse liefern oder die volle Einsatzfähigkeit erreichen werden. Grundsätzlich sollten nach der PESCO Strategie-Überprüfung weniger neue Projekte angestoßen werden. Wichtig ist es, begonnene Projekte zu evaluieren und erfolgreich durchzuführen, neu auszurichten oder ggf. auch einzustellen. Gleiches gilt auch für neue Vorhaben (beginnend mit der Projektrunde 2021): Notwendigkeit und Zielorientierung sind hier die ausschlaggebenden Kriterien („Qualität vor Quantität“). Für die vierte PESCO-Projektrunde erfolgte am 30. Juni 2021 die Abgabe der Projekte, im September erfolgt die Clarification/das Final Assessment und im November 2021 der Ratsbeschluss.  Durch die Synchronisierung der PESCO mit anderen EU-Verteidigungsinitiativen findet die 5. PESCO-Runde 2022 zeitlich versetzt statt, die nächste dann erst 2024.

Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung 

Ebenfalls Ende November 2020 wurde die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung (CARD) vorgelegt. Diese wurde in enger Abstimmung mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und dem Militärstab der EU (EUMS) erarbeitet. Im Bericht werden mit neuen Optionen Wege zur gemeinsamen europäischen Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten aufgezeigt. Konkret empfiehlt der Bericht sechs Fähigkeiten der nächsten Generation mit starker Wirkung (Kampfpanzer (MBT), Europäisches Überwasserschiff der Patrol Class, Infanteriesysteme, Abwehr unbemannter Luftfahrzeuge / Zugangsverweigerung / Absperrung von Gebieten, Verteidigung im Weltraum) als Schwerpunktbereiche gemeinsamer europäischer Entwicklungsbemühungen. Darüber hinaus ergab die Überprüfung, dass die europäische Verteidigungslandschaft durch starke Fragmentierung und geringe Investitionen in die Zusammenarbeit gekennzeichnet ist. Dem soll CARD mit neuen Kooperationsvorhaben, die von Mitgliedstaaten in verschiedenen Formaten, beispielsweise im Rahmen der SSZ und in Kombination mit dem EVF eingeleitet werden, entgegenwirken. Der zweite CARD-Jahresbericht wird für den Herbst 2021 erwartet.

Europäischer Verteidigungsfonds

Mit dem Europäischen Verteidigungsfond (EVF) soll in der Haushaltsperiode 2021-2027 grenzüberschreitende Kooperation von EU-Mitgliedstaaten, Unternehmen aller Größe, Forschungseinrichtungen, nationalen Behörden, internationalen Organisationen und Universitäten gefördert werden. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erwarten dadurch eine höhere Kosteneffizienz, Fortschritte bei der Technologieentwicklung, die Beteiligung von mehr KMU und eine höhere Interoperabilität. Der EVF ist mit knapp acht Milliarden Euro in aktuellen Preisen ausgestattet und besteht aus einer Forschungsphase und einer Entwicklungsphase. Die EU finanziert die Gesamtkosten während der Forschungsphase direkt, vor allem mittels Finanzhilfen. Nach dieser Phase ergänzt der Fonds die Investitionen der Mitgliedstaaten. Das Arbeitsprogramm des  EVF wurde Ende Juni 2021 veröffentlicht und umfasst 23 verschiedene Calls. Im Juli wurde der dazugehörige Guide for Applicants (GfA/calls 2021) veröffentlicht; dieser enthält detaillierte Informationen, Vorgaben und Guidances zu den relevanten Aspekte der Konzipierung und Einreichung der Vorschläge (eligible costs, direct/indirect costs; personnel costs, subcontracting costs, purchase costs etc.) Geöffnet werden die Calls am 9. September mit einer Laufzeit bis zu 12. Dezember 2021.

Ausblick

Der Dreiklang von CARD, SSZ und dem EVF ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, zu souveräner europäischer Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortung und ein wichtiger Beitrag zur Sicherheitsvorsorge in Zusammenwirken mit der NATO. Letztlich gilt, dass die EU gemeinsam ihre Investitionen in die Sicherheitsvorsorge stärken und ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten ausbauen muss, die Teil eines hoch innovativen und strategischen Ökosystems sind. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen besser und ergebnisorientierter investiert werden. Dazu gehört auch der faire Wettbewerb um Technologien und Fördermittel; den Unternehmen dürfen aufgrund beispielsweise unterschiedlicher europäischer und nationaler Kostenkalkulationen keine Wettbewerbsnachteile, insbesondere keine Finanzierungsnachteile entstehen, die eine Beteiligung an Vorhaben unattraktiv machen. Um den EDF für alle Beteiligten zu einem Erfolg zu machen und die gesteckten Ziele zu erreichen, besteht hier dringender Nachsteuerungsbedarf.