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EU Critical Raw Materials Act: Richtige Ziele, Umsetzung offen

Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von mineralischen Rohstoffen wie Seltenen Erden aus China ist bereits heute größer als es jene bei Erdöl und Erdgas aus Russland war. Der zunehmende Systemwettbewerb mit autokratischen Regimen lässt die Versorgungsrisiken weiter steigen. Mit dem EU Critical Raw Materials Act sendet die Europäische Kommission ein wichtiges Signal zur Stärkung der europäischen Souveränität im Rohstoffbereich. Zentrale Instrumente zur Umsetzung fehlen aber.

Als China im Oktober 2021 aufgrund einer Stromkrise seine Magnesiumproduktion drosselte, war der Aufschrei groß. Deutschland und Europa sind zu fast 100 Prozent abhängig von Magnesiumlieferungen aus China. Kurzfristig betroffen war die gesamte Aluminium-Wertschöpfungskette und damit Sektoren wie die Automobil-, Flugzeug-, Bau- oder Verpackungsindustrie, der Maschinenbau sowie die Eisen- und Stahlproduktion. Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zudem die Gefahr verdeutlicht, dass autokratische Regime Rohstoffe im Kontext geopolitischer Konflikte als Waffe einsetzen.

Mineralische Rohstoffe sind unverzichtbar, doch die Versorgungsrisiken steigen

Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von diversen mineralischen Rohstoffen wie Seltenen Erden aus China ist bereits heute größer als es jene bei Erdöl und Erdgas aus Russland war. Das ist auch das Ergebnis einer gezielten staatlichen Preis- und Ansiedlungspolitik Pekings, die die Förderung und Weiterverarbeitung in anderen Ländern wirtschaftlich unattraktiv machte. Seit Jahren verlieren klassische Marktmechanismen bei mineralischen Rohstoffen weltweit an Bedeutung. Etliche Metallmärkte sind hoch konzentriert und von strukturellen Angebotsdefiziten geprägt. Protektionistische Maßnahmen verschiedener Staaten behindern den Handel mit Rohstoffen. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei mineralischen Rohstoffen kaum nationale (strategische) Reserven. Ein Lieferstopp würde die deutsche und europäische Industrie daher sofort und weitreichend treffen.

Dabei sind mineralische Rohstoffe für die Industrie unverzichtbar. Wir brauchen sie für wichtige Zukunftstechnologien auf dem Weg zur klimaneutralen Zukunft: Seltene Erden und Rohstoffe wie Lithium stecken in Windkraftanlagen, Batterien für Elektrofahrzeuge und Halbleiter. Ohne sie wird es keine Energiewende, keine E-Mobilität, keine Digitalisierung und keine Industrie 4.0 geben – aber auch keinen Infrastrukturausbau und keine schlagkräftige Verteidigungsindustrie. Die technologische Entwicklung lässt den Bedarf an mineralischen Rohstoffen signifikant ansteigen. Beim Wettlauf um diese strategisch wichtigen Rohstoffe drohen Deutschland und Europa im Wettbewerb mit anderen Ländern wichtige Rohstoffquellen zu verlieren. Die Folge: Abhängigkeiten und Versorgungsrisiken vergrößern sich. 

EU Critical Raw Materials Act setzt wichtige Impulse für mehr Versorgungssicherheit

Mitte März legte die EU-Kommission mit dem Critical Raw Materials Act (CRM Act) den Entwurf für ein neues Gesetzespaket vor, das die Versorgung mit kritischen Rohstoffen strategisch sichern soll. Es zielt auf Materialien, die die EU für die grüne und digitale Transformation sowie für Verteidigungs- und Raumfahrtanwendungen als strategisch einstuft, sowie Materialien, die auf der EU-Liste der kritischen Rohstoffe stehen. Der CRM Act gibt Ziele zum Auf- und Ausbau europäischer Produktionskapazitäten vor: Bis 2030 sollen mindestens zehn Prozent des Jahresverbrauchs an strategischen Rohstoffen abdecken. Mindestens 40 Prozent des jährlichen Verbrauchs soll die heimische Verarbeitung gewährleisten. Das Recycling soll mindestens 15 Prozent des jährlichen Verbrauchs ausmachen. Zudem sollen nicht mehr als 65 Prozent des Jahresverbrauchs an jedem strategischen Rohstoff auf jeder relevanten Verarbeitungsstufe nur aus einem einzigen Drittland stammen.

Beschleunigung von Genehmigungen und Ausbau der Kreislaufwirtschaft

Die EU-Kommission will ausgewählte „Strategische Projekte“ durch den Zugang zu Finanzmitteln und kürzere Genehmigungsfristen unterstützen: Abbaugenehmigungen sollen maximal 24 Monate dauern, Verarbeitungs- und Recyclinggenehmigungen maximal 12 Monate. Neue Freihandelsabkommen, die Gründung eines „Critical Raw Materials Club“ sowie die „Global Gateway Strategy“ sollen Rohstofflieferketten diversifizieren und resilienter machen. Die EU-Kommission knüpft damit an die transatlantische Rohstoffpartnerschaft an, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden ebenfalls Mitte März 2023 verkündeten. Im G7-Rahmen soll so ein neuer „Käuferclub“ entstehen.

Auch bei der Kreislaufwirtschaft setzt die EU-Kommission an. So soll die Sammlung von Abfällen, die reich an kritischen Rohstoffen sind, verbessert und deren Recycling zu kritischen Sekundärrohstoffen sichergestellt werden. Die potenzielle Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen aus Abfällen aus laufendem Bergbau und historischen Bergbauabfällen ist Teil der Strategie. Als prioritäre Produktgruppe der Kreislaufwirtschaft nennt der CRM Act Permanentmagnete. Die EU-Kommission will die Informationstransparenz der Produkte erhöhen, die Entnahme der Magnete durch zirkuläres Produktdesign erleichtern sowie eine Mindesteinsatzquote für Sekundärrohstoffe in neuen Magneten prüfen.

Zentrale Instrumente zur Umsetzung fehlen

Wenngleich die Stoßrichtung des CRM Acts stimmt, greift der Kommissionsentwurf in seiner jetzigen Fassung zu kurz. Bisher ist er nicht ausreichend mit anderen Gesetzgebungen und Verordnungen wie der Taxonomie, dem Chemikalienrecht, der Ökodesignverordnung oder den Lieferkettensorgfaltspflichten abgestimmt. Die EU-Kommission muss Zielkonflikte gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu Gunsten von mehr Versorgungssicherheit auflösen.

Der Erfolg des CRM Act entscheidet sich vor allem in den Mitgliedstaaten. Deren Kommunen sind es, die die Projekte vor Ort umsetzen und für gesellschaftliche Akzeptanz sorgen. Daher muss der CRM Act eng mit der nationalen Gesetzgebung, wie der Novelle des Bundesbergrechts, ineinandergreifen. Standortpolitische Antworten braucht es auch hinsichtlich der hohen Energie- und Stromkosten für Förderung, Weiterverarbeitung und Recycling strategischer Rohstoffe. Diese Problematik fehlt im Gesetzesentwurf bisher komplett.

Was ebenfalls fehlt: eine dringend nötige Finanzierungsoffensive für den Auf- und Ausbau von heimischen Projekten zur Förderung, Weiterverarbeitung oder dem Recycling kritischer Rohstoffe. In den USA können Bergbauunternehmen und Raffinerien kritischer Mineralien im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) zehn Prozent ihrer Kosten abschreiben. Während weltweit in Rohstoffprojekte weit vor Abbaubeginn investiert wird, fehlt im CRM Act ein Rohstoff-Investitionsfonds. Die EU braucht auch solche Anreizinstrumente.

Auch Aspekte zu Recycling und Kreislaufwirtschaft sind nicht ausreichend operationalisiert, die Schnittstelle zur Digitalisierung beleuchtet der Entwurf nicht. Bei Einsatzquoten für Sekundärrohstoffe in Permanentmagneten drohen den Unternehmen höhere Kosten. Deshalb muss ein entsprechendes Assessment die Umsetzbarkeit dieser Vorgabe auch aus unternehmenswirtschaftlicher Perspektive sehr genau überprüfen. Wird die erhöhte Rücknahme von Abfallprodukten mit kritischen Rohstoffen allein auf Ebene der Mitgliedsstaaten organisiert, droht eine Blockade des Binnenmarkts.

Die vorgesehene Überprüfung der Liste kritischer und strategischer Rohstoffe im Vierjahreszyklus ist realitätsfern. Der Rohstoff-Wettlauf zieht an: In Zukunft drohen Versorgungsengpässe auch bei Rohstoffen, wie Aluminium oder Zink, die noch auf keiner Liste stehen. Daher braucht es ein agiles Monitoring.

Zur Sicherung kritischer Rohstoffversorgungsketten sollen Unternehmen Stresstests durchführen und sollen die Mitgliedstaaten strategische Rohstoffreserven aufbauen. EU-weite Ergebnisse der Stresstests und Erkenntnisse zu strategischen Reserven sollen in aggregierter Form veröffentlicht werden. Dies lehnt der BDI ab. Eine Offenlegung europäischer Vulnerabilitäten schwächt die Verhandlungsposition bei Rohstoffimporten.

Enge Zusammenarbeit von EU-Kommission und Mitgliedstaaten mit der Industrie

Der zunehmende Systemwettbewerb mit autokratischen Regimen ist eine strukturelle Herausforderung für Europa – strategisch und wirtschaftlich. Autokratische Regime setzen die Kontrolle über Lieferketten zunehmend als geopolitische Waffe ein. Rohstoffsicherheit muss daher zum zentralen Ziel von Politik und Wirtschaft in Europa werden. Bei der Umsetzung des CRM Acts plädiert der BDI deshalb für eine enge Zusammenarbeit von EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und Industrie – auch, um bestehende politische Zielkonflikte zügig zu lösen.