EU-Emissionshandel – Reform auf der Zielgeraden?
Das europäische Treibhausgasemissionshandelssystem wurde Anfang Januar 2005 für EU-weit rund 12.000 Anlagen eingeführt. Seit Januar 2012 ist auch der Flugverkehr in das „EU Emissions Trading System (ETS)“ einbezogen, das gilt aber nur für innereuropäische Flüge. Das im Rahmen des European Green Deal 2021 vorgelegte „Fit-for-55“-Paket enthält auch Vorschläge zur Änderung der EU-ETS-Richtlinie.
Seit dem Januar 2021 befinden wir uns in der vierten Handelsperiode (2021 – 2030). Schon in der dritten galten im Vergleich zur zweiten Handelsperiode (2008 – 2012) deutlich andere und schärfere Regelungen. Im Hinblick auf die vierte Periode hatte man 2018 die Regeln bereits ein weiteres Mal angeschärft: es wurde eine sehr anspruchsvoller, von den ETS-pflichtigen Anlagen zu erbringender Beitrag zur EU-Emissionsminderung festgelegt (- 43 Prozent, 2005 – 2030). Mit dem von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen proklamierten „European Green Deal“ (2019) war aber klar, dass das damals angekündigte und inzwischen in Kraft getretene EU-Klimagesetz auch das EU ETS nicht ungeschoren lassen würde. Im Juli 2021 nun hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie vorgelegt, die das EU ETS fit machen soll für die Erreichung des europäischen Emissionsminderungszieles für 2030. Die EU soll im Jahr 2030 55 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Deshalb werden für die emissionshandelspflichtigen Anlagen ab 2021 die Minderungsvorgaben drastisch verschärft: - 61 Prozent Treibhausgase bis 2030, bezogen auf 2005. Weiterhin soll ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus eingeführt und ein so genanntes „ETS2“ für Gebäude und Straßenverkehr errichtet werden. Seit dem Start des Emissionshandels im Jahr 2005 wurden die Emissionen in den wichtigsten erfassten Sektoren (Strom- und Wärmeerzeugung sowie energieintensive Industrieanlagen) EU-weit um fast 43 Prozent gesenkt. Die meisten Emissionsreduktionen fanden bisher im Energieumwandlungssektor („Strom“) statt.
Die 2021 vorgeschlagene Überarbeitung des EU ETS soll neben anderen Maßnahmen mit dafür sorgen, dass die Nettoemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Die derzeit unter das ET-System fallenden Sektoren machen etwa 41 Prozent aller Emissionen der EU aus, sodass ihr Beitrag für die Erreichung des Gesamtziels von entscheidender Bedeutung sein wird. Die wichtigste Änderung betrifft daher die jährliche Absenkung des „cap“: die zur Verfügung stehende Menge an Emissionsberechtigungen soll jedes Jahr um 4,2 Prozent (bislang noch 2,2 Prozent pro Jahr) reduziert werden. Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehrssektor nach und nach abzuschaffen und bis 2027 die Zertifikate vollständig zu versteigern. Außerdem soll der Schiffsverkehr ins ETS einbezogen werden. Emissionen aus der Verbrennung von Kraft- bzw. Brennstoffen, die im Straßenverkehr und in Gebäuden verwendet werden, sollen durch ein neues, separates Emissionshandelssystem (ETS2) abgedeckt werden, das ab 2025 kommen soll. Die neue Regelung wird die Haushalte und Autofahrerinnen und ‑fahrer nicht direkt, sondern indirekt betreffen: die Inverkehrbringer von Kraft- und Brennstoffen werden gezwungen, eigene Zertifikate in der Höhe zu erwerben, die den Emissionen aus der Verbrennung ihrer verkauften Produkte entsprechen. In Deutschland kennen wir dies inzwischen als nationalen Brennstoffemissionshandel.
Für den BDI ist es essenziell, dass es weiterhin Schutz gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen („Carbon Leakage“) durch kostenlos zugeteilte Zertifikate geben wird. Kostenlos zugeteilte Zertifikate werden bis mindestens 2030 ein wichtiges Instrument zum Schutz der energieintensiven Industriezweige gegen das Carbon Leakage-Risiko bleiben. Mit der Senkung der Emissionsobergrenze wird jedoch auch die Zahl der kostenlos zuzuteilenden Zertifikate verringert. Das wirft die Frage auf, wie Anlagen auch in der vierten Handelsperiode ausreichend bei ihren Transformationsanstrengungen unterstützt werden können.
Die Kommission hat 2021 auch einen Vorschlag für ein CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) vorgelegt, mit dem das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen für einige Sektoren gemindert werden soll, indem der CO2-Gehalt der in die EU eingeführten Produkte bepreist wird. Allerdings bestehen mit einem solchen Instrument bislang keinerlei Erfahrungen. Nicht umsonst gestalten sich die Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission deshalb auch schwierig. So sollen Unternehmen, deren Produkte dem CBAM unterliegen, ihre kostenfreie Zuteilung verlieren. Der BDI befürchtet irreversible Schäden für die betroffenen Unternehmen und fordert daher eine längere und gründliche Prüfung des neuen Instruments, bevor Unternehmen keine freie Zuteilung mehr bekommen.
Der Trilog, also die Verhandlungen der drei EU-Institutionen, um möglichst bald eine Einigung über die Vorschläge zu erreichen, hat begonnen. Er wird im Herbst 2022 Fahrt aufnehmen. Der Gesetzgeber strebt wohl weiter ein Ergebnis bis zum Jahresende an. Weil aber die ETS-Änderung nur ein Teil des Fit-for-55-Paketes ist, müssen auch Fortschritte bei anderen Dossiers erzielt werden, gleichzeitig. Die Komplexität der Verhandlungen ist sehr hoch; sie lässt den Zeitplan der EU sehr ehrgeizig erscheinen.