Dame auf Fahrrad in Baumallee

@Pixabay\Michael Gaida

EU-Gesetzgebungsverfahren zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten läuft auf Hochtouren

Das Gesetzgebungsverfahren zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen schreitet zügig voran. Die tschechische Ratspräsidentschaft plant, beim Wettbewerbsfähigkeitsrat Anfang Dezember 2022 eine Allgemeine Ausrichtung unter den Mitgliedstaaten abzustimmen. Zahlreiche Ausschüsse haben bereits ihre eigenen Stellungnahmeentwürfe veröffentlicht.

Im Februar 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit angenommen. Mit der Richtlinie soll ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln im Bereich der Menschenrechte und der Umwelt in allen Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb der EU gefördert werden. Der Vorschlag steht im Kontext des europäischen Green Deals sowie zahlreichen bestehenden sowie geplanten EU-Rechtsakten. So ergänzt der Richtlinienvorschlag die bereits bestehende EU-Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen. Er steht auch im Zusammenhang mit dem Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zur Überarbeitung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen. Sie ergänzt die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, die Taxonomie-Verordnung, die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer, die Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber, die Verordnung über Mineralien aus Konfliktgebieten sowie den aktuellen Vorschlag für eine Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten.

„State of play“ Oktober 2022

Nachdem die Kommission den Vorschlag im Februar 2022 veröffentlicht hat, müssen nun die beiden Co-Gesetzgeber, das Europäische Parlament (EP) und der Rat, über den Vorschlag beraten und abstimmen. In beiden Institutionen laufen die Arbeiten derzeit auf Hochtouren. Im Rat beabsichtigt die tschechische Ratspräsidentschaft bis zum Wettbewerbsfähigkeitsrat Anfang Dezember 2022 eine Allgemeine Ausrichtung unter den Mitgliedstaaten zu erzielen. Im EP hat der Rechtsausschuss die Federführung für das Dossier. Weitere Ausschüsse, die eine Stellungnahme zu dem Vorschlag abgeben werden, sind die Ausschüsse für Auswärtige Angelegenheiten (AFET), für Menschenrechte (DROI), für Internationalen Handel (INTA), für Wirtschaft und Währung (ECON), für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI), für Industrie, Forschung und Entwicklung (ITRE), für Entwicklung (DEVE), für Beschäftigung und Soziales (EMPL) und für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Der Bericht des Rechtsausschusses (Berichterstatterin ist die Niederländerin Lara Wolters, S&D) wird für Ende Oktober 2022 erwartet. Im März 2023 soll im Rechtsausschuss über den Text abgestimmt werden. Im Mai 2023 im Plenum des EP. Derweil haben einzelne Ausschüsse bereits ihren Entwurf zur Stellungnahme veröffentlich, so etwa die Ausschüsse ENVI und ITRE.

Eckpunkte des Kommissionsvorschlags:

  • Gegenstand der Richtlinie sind Vorschriften über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Bezug auf tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftstätigkeiten, die Geschäftstätigkeit ihrer Tochterunternehmen und die im Rahmen etablierter Geschäftsbeziehungen ausgeführten Tätigkeiten in der Wertschöpfungskette.
  • Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass Unternehmen die Sorgfaltspflicht in alle Bereiche ihrer Unternehmenspolitik einbeziehen und über eine Strategie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht verfügen, die jährlich aktualisiert wird.
  • Ferner sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Unternehmen eine Beschwerdemöglichkeit bei dem Unternehmen vorsehen, wenn berechtigte Bedenken zu potenziellen oder tatsächlichen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt bestehen. Die Unternehmen müssen diese Beschwerdemöglichkeit betroffenen oder etwaigen betroffenen Personen sowie Gewerkschaften und den in dem Bereich aktiven Organisationen der Zivilgesellschaft zur Verfügung stellen.
  • Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen festzulegen, um Unternehmen für aus einer Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht entstandene Schäden haftbar zu machen.
  • Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass folgende Unternehmen einen Plan festlegen, mit dem sie sicherstellen, dass ihr Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind: Unternehmen, die im letzten Geschäftsjahr, für das ein Jahresabschluss erstellt wurde, im Durchschnitt mehr als 500 Beschäftigte hatten und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. Unternehmen, die im Geschäftsjahr vor dem letzten Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erzielten.

Einschätzung

Der BDI hat sich mit einer Stellungsnahme bereits frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene eingebracht. Deutsche Unternehmen setzen sich seit vielen Jahren erfolgreich für Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten ein. Sie tragen hierdurch aktiv zu besseren Sozial- und Umweltstandards, besserer Bildung und nachhaltiger Entwicklung bei. Allerdings gibt es Grenzen für unternehmerische Verantwortung und Einflussnahme im Bereich des Menschenrechts- und Umweltschutzes. Der Kommissionsvorschlag geht darüber weit hinaus. Er droht die europäische Wirtschaft in einer ohnehin schon angespannten Lage noch weiter zu belasten. Dies sollten die beiden Co-Gesetzgeber bei ihrer gemeinsamen Abstimmung mit beachten.