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EU-Green Deal: Chance und Herausforderung für eine wettbewerbsfähige Luftfahrt

Der EU-Green Deal – ein Wendepunkt für den Luftverkehrssektor oder ein Hindernis für seine Wettbewerbsfähigkeit? Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), betont im Interview, wie wichtig es ist, die Markstellung europäischer Fluggesellschaften auf dem Weg zum CO2-neutralen Fliegen im Auge zu behalten.

Bis 2050 will die EU klimaneutral werden und hat dafür den Green Deal beschlossen. Was bedeutet der Green Deal für die Luftverkehrswirtschaft? 

Das EU-Klimapaket „Fit for 55“ bietet die große Chance für eine wirkungsvolle Dekarbonisierung des Luftverkehrs. Regulative Vorgaben zur Beimischung von alternativen Kraftstoffen (SAF) und für den Emissionshandel sind der richtige Weg. Bei der Ausgestaltung kommt es jetzt darauf an, Carbon Leakage und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Das ist bisher nicht der Fall. Die im Green Deal getroffenen Bestimmungen begünstigen insbesondere im Verkehr zwischen Europa und Asien sowie Afrika die Verlagerung von Verkehrsströmen über Drehkreuze außerhalb der EU, zum Beispiel über Drehkreuze wie Istanbul, Doha und Dubai. Europäischen Fluggesellschaften gehen damit Erträge verloren, die sie für Investitionen in den Klimaschutz dringend benötigen. Deswegen braucht die Europäische Union beides: einen Green Deal und einen Deal zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Konnektivität des europäischen Luftverkehrsstandorts.

Was tun die Fluggesellschaften und Flughäfen für die Transformation zur Klimaneutralität? 

Die Luft- und Raumfahrtindustrie steht mit einer Forschungsquote von fast 10 Prozent an der Spitze der forschenden Branchen in Deutschland. Dabei zielen mehr als 90 Prozent dieser Investitionen darauf ab, Emissionen wie Treibhausgase und Lärm zu senken. Neue Materialien, leichtere Flugzeuge, deutlich verbesserte und neue Antriebe sowie regenerativ erzeugte Treibstoffe führen zu deutlich weniger Treibhausgasemissionen. Die Einführung neuer, emissionsarmer Flugzeuge ist  seit Jahrzehnten und bis heute das wirksamste Instrument für die ökologische Transformation. Mit den Investitionen in neue, energieeffizientere Flugzeuge haben unsere Fluggesellschaften die Treibhausgasemissionen ihrer Flugzeugflotten seit 1990 um 43 Prozent senken können. Die aktuelle Flugzeuggeneration verbrennt 25 Prozent weniger Kerosin pro Passagier. Im gleichen Maß sinken die CO₂-Emissionen. Die deutschen Fluggesellschaften haben derzeit rund 200 verbrauchsärmere Flugzeuge für insgesamt 48 Milliarden Euro bestellt. Langfristig ist der entscheidende Hebel für CO₂-neutrales Fliegen der Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF). Deswegen unterstützen wir eine Regulierung, die mit verbindlichen Beimischungsquoten den Markthochlauf dieser Kraftstoffe ermöglicht. Auch die Flughäfen stellen sich dem Klimaschutz: Sie streben die CO₂-Neutralität bis spätestens im Jahr 2045 an, teilweise sogar noch deutlich früher.

Welche Prioritäten muss die neue EU-Kommission setzen, um den Klimaschutz voranzubringen und die Wettbewerbsfähigkeit der Luftverkehrswirtschaft zu stärken? 

Die große Gemeinschaftsaufgabe der Transformation hin zu einem klimaneutralen Luftverkehr kann nur gelingen, wenn Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit Hand in Hand gehen – und die Investitionskraft der Luftverkehrsunternehmen nicht weiter geschwächt wird.  Hierbei benötigt der Luftverkehr das aktive Handeln der EU und die Unterstützung auf folgenden beiden Handlungsfeldern: Zum einen muss der im Klimaschutzpaket „Fit for 55“ vorgesehene Review-Prozess dazu genutzt werden, die wettbewerbsverzerrenden Effekte und Carbon Leakage  bei der Beimischungsquote und beim Europäischen Emissionshandel (ETS) zu vermeiden und dafür geeignete Regelungen und Instrumente zu implementieren. Nur so lässt sich wirkungsvoll der Markthochlauf für nachhaltige Flugkraftstoffe sicherstellen. Zum anderen muss die EU zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei der Automatisierung, zum Beispiel bei der Gepäckaufgabe und den Ladeprozessen am Boden, und beim Bürokratieabbau konkrete Fortschritte erzielen und bei Regulierungen wettbewerbsneutrale Lösungen finden.