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EU-Lieferkettenrichtlinie im Trilog: Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Der Abstimmungsprozess um eine neue EU-Lieferkettenrichtlinie befindet sich in der entscheidenden Phase. Für europäische Unternehmen ergeben sich aus den geplanten Vorschriften weitreichende Pflichten, die ihre globale Wettbewerbsfähigkeit deutlich gefährden. Der BDI richtet seine Forderungen an die Trilog-Partner.

Die Europäische Union will nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln fördern. Grundlage ist der im Februar 2022 veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission (KOM) für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit - 2019/1937“ (Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence - CSDDD). Mit der Richtlinie sollen die Menschenrechte und die Umwelt in allen Wertschöpfungsketten stärker Berücksichtigung finden – sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU.

Verhandlungen schreiten schnell voran

Alle drei EU-Institutionen haben mittlerweile ihre Positionen abgestimmt, zuletzt das Europäische Parlament Anfang Juni 2023. Die beiden Co-EU-Gesetzgeber Rat der Europäischen Union (Rat) und Europäisches Parlament beraten seitdem intensiv und unter starkem politischem Druck über ihre Position zum Kommissionsvorschlag. Seit Juli 2023 führt die spanische Ratspräsidentschaft die Trilog-Verhandlungen. Erklärtes Ziel ist es, die Verhandlungen möglichst bis zum Jahresende 2023 zum Abschluss zu bringen, um das Dossier noch vor der Europawahl 2024 zu verabschieden.

BDI-Forderungen für den Trilog

Die Wirtschaft braucht handhabbare Rahmenbedingungen. In ihrer jetzigen Form wird die Richtlinie zu mehr Bürokratie, Rechtsunsicherheit und letztendlich zum Rückzug europäischer Unternehmen aus Wertschöpfungsketten führen. Das erschwert die zur Versorgungssicherheit notwendige Diversifizierung der Lieferketten.

Daher müssen die drei EU-Institutionen aus Sicht des BDI bei den weiteren Verhandlungen vor allem die folgenden Punkte berücksichtigen:

  • Im Falle einer, aus BDI-Sicht unerwünschten, Einführung einer zivilrechtlichen Haftungsregelung sollte diese im Wesentlichen auf das eigene zurechenbare Handeln beschränkt sein, so wie es zahlreiche nationale Rechtsordnungen in der EU bereits vorsehen. Gerade in diesem Bereich sind klare Definitionen für Unternehmen, auch im Hinblick auf ihr Risikomanagement, im Sinne der Rechtssicherheit unerlässlich.
  • Zudem sollte die EU eine Haftungsprivilegierung für leichte Fahrlässigkeit bei der Teilnahme an Brancheninitiativen oder der Verwendung qualifizierter Zertifizierungen („Safe Harbour“) einführen, wie es in der Protokollerklärung Deutschlands zur Allgemeinen Ausrichtung im Dezember 2022 festgehalten ist. Eine Haftungsprivilegierung schafft auch Anreize für Unternehmen, maßgeschneiderte Lösungen im Rahmen von Industrieinitiativen zu entwickeln. Darüber hinaus sollte es zusätzlich eine Safe-Harbour-Klausel oder eine White List für EU-Mitgliedstaaten und andere gleichwertige Länder wie Kanada oder Japan geben.
  • Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sollte auf den Bereich der Lieferkette und hier auf die direkten Lieferanten beschränkt sein. Eine Überprüfung der gesamten Wertschöpfungskette ist praktisch nicht umsetzbar und führt unweigerlich zu einer weiteren Überbürokratisierung, nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Auch sollte es den Unternehmen möglich sein, innerhalb der Beziehungen zu ihren direkten Lieferanten die Überwachung der Sorgfaltspflichten zu priorisieren (sog. risikobasierter Ansatz).
  • Des Weiteren sollte die Schwelle für den Anwendungsbereich bei mindestens 1.000 Mitarbeitenden liegen. Die gesonderten Vorgaben speziell für Mitglieder der Unternehmensleitung sind zu streichen. Zusätzliche Regelungen im Gesellschaftsrecht stellen eine überflüssige Verdopplung innerhalb der Richtlinie dar und verkomplizieren ihre Umsetzung für die Unternehmen.
  • Die Trilog-Partner müssen die Liste der internationalen Abkommen im Annex der Richtlinie kürzen und konkretisieren. Internationale Abkommen verpflichten in erster Linie Staaten und nicht Unternehmen. Die Sorgfaltspflichten aus internationalen Abkommen müssen für Unternehmen handhabbar und rechtssicher sein. Hier sollte eine Reduktion auf die klaren Regeln der UN Guiding Principles erfolgen.

Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Bei den Trilog-Verhandlungen muss jetzt gelten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit! Auch wenn auf den Verhandlungspartnern der Druck einer bald endenden Legislaturperiode sowie Ratspräsidentschaft lastet, dürfen sie entscheidende Rechtsfragen einer komplexen Lieferkettenregulierung nicht übereilt treffen.