Welche Investitionen sind nachhaltig? Diese Frage bewegt die EU gerade beim Thema Energie © Pexels/ Pok Rie

EU-Taxonomie: die Rolle von Gas und Nuklear in der Klimawende

„Heute legen wir dar, wie Gas und Kernenergie einen Beitrag zu dem schwierigen Übergang zur Klimaneutralität leisten könnten“, eröffnete Kommissarin Mairead McGuinness die Pressekonferenz zur Vorstellung der umstrittenen EU-Taxonomie-Umsetzungsverordnung.

Anfang Februar 2022 war es soweit: Nach zähem Ringen und höchst kontroversen Diskussionen über den Jahreswechsel legte die Europäische Kommission ihren ergänzenden delegierten Taxonomie-Rechtsakt für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel vor. Damit werden Gas- und Kernenergietätigkeiten als weitere energiewirtschaftliche Aktivitäten in das neue EU-Bewertungsverfahren für nachhaltige Geldanlagen aufgenommen und unter bestimmten Bedingungen als nachhaltige Übergangstätigkeiten eingestuft. Die förmliche Annahme des Kommissionsvorschlags folgt, sobald die Übersetzungen in alle EU-Sprachen vorliegen.

Worum geht es bei der EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das eine Liste ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten erstellt. Es soll die EU bei der Ausweitung nachhaltiger Investitionen und der Umsetzung des European Green Deal unterstützen. Über geeignete Definitionen soll die Taxonomie Sicherheit für Investoren schaffen, private Anleger vor Greenwashing schützen, Unternehmen dabei helfen, klimafreundlicher zu werden, die Marktfragmentierung abschwächen und beitragen, Investitionen dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Die EU-Taxonomie ist kein Instrument der Energiepolitik, sondern dient zur Erhöhung der Transparenz auf den Finanzmärkten. Die Mitgliedstaaten bleiben damit eigenständig für ihren Energiemix verantwortlich. Für Deutschland ist die energiepolitische Ausrichtung der Zukunft klar: Ausstieg aus Atomkraft und Kohle hin zum massiven Ausbau erneuerbarer Energien.

Wichtig ist dabei auch die industriepolitische Perspektive: Die Taxonomie muss die Dekarbonisierung der Industrie unter Erhalt ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit erlauben, die Versorgungssicherheit sicherstellen und die europäischen Klimaambitionen im Rahmen der Fit-for-55 Gesetzgebungspakete realistisch umsetzen.

Gas als Brückentechnologie in der Energiewende unerlässlich

Die Europäische Kommission stuft Gastechnologien zurecht als „Brückentechnologien“ ein. Ohne Gas wird die Energiewende nicht gelingen - zumal Deutschland fast gleichzeitig aus Kohle- und Atomenergie aussteigen will. Dies bestätigen sämtliche für Deutschland vorgelegten Klimastudien.

Auch die BDI Klimapfadestudie 2.0 hat gezeigt: Für die Energiewende mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 müssen in Deutschland kurz- bis mittelfristig erhebliche Kapazitäten an Gaskraftwerken von bis zu 43 Gigawatt zugebaut werden, um die Brücke zwischen fossiler und erneuerbarer Versorgung zu schlagen. Ohne entsprechende Gas-Backup-Kapazitäten gibt es keine verfügbaren Alternative zur Kohleverstromung und auch keine Beschleunigung des Übergangs von emissionsintensiven zu kohlenstoffärmeren Energiequellen.

Um den Kohleausstieg in Deutschland erfolgreich zu gestalten, darf die Anerkennung von Gaskraftwerken als taxonomiekonforme „Brückentechnologie“ jedoch keine leere Worthülse bleiben. Sie muss mit realistischen Emissionsgrenzwerten und Vorgaben für den Brennstoffwechsel hinterlegt werden.

Insofern ist es gut, dass die EU-Kommission von ursprünglich unrealistischen Beimischungsquoten von grünen und CO2-armen Gasen in 2026 und 2030 Abstand genommen hat.Aber auch das neue wasserstoffspezifische Prüfkriterium bleibt sehr ambitioniert und muss mit den verfügbaren Mengen an Wasserstoff und dem Ausbau der Transportinfrastruktur zusammenpassen. Auch im Süden Deutschlands, wo die erneuerbare Energie, wie Windkraft, nicht in den Mengen verfügbar ist wie in Küstenregionen, muss die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet werden können. Daher ist beim Markthochlauf und dem Infrastrukturausbau mehr Tempo gefragt.Kritisch bleiben auch die äußerst strengen Emissionsschwellenwerte und die nahezu unveränderten KWK-spezifischen Regelungen. Darüber hinaus sind bürokratische Hürden erhöht und Offenlegungspflichten nochmals verschärft worden. 

Wie geht es weiter?

Rat und Parlament steht nach formaler Annahme ein Prüfrecht des delegierten Rechtsaktes zu.  Für die Ausübung des Vetorechts gilt eine Frist von vier Monaten, die um zwei Monate verlängert werden kann. Eine Ablehnung des Rechtsaktes bräuchte im Rat jedoch ein Votum von mindestens 20 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Im EP bräuchte es die Zustimmung von mindestens 353 Abgeordneten. Zudem prüfen auch noch einige Mitgliedstaaten Klagemöglichkeiten gegen den delegierten Rechtsakts vor dem Europäischen Gerichtshof.

Ob sich die vorgelegten strengen Prüfkriterien in ausreichende Investitionen für eine erfolgreiche Energiewende und klimaneutrale Industrie umsetzen lassen, hängt auch weiterhin von wichtigen Rahmenbedingungen, wie der zeitnahen Verfügbarkeit alternativer Brennstoffe und der dafür notwendigen Infrastruktur, ab.