EU will Kultur der zweiten Chance

Unternehmerisches Scheitern ist in weiten Teilen Europas auch heute ein Stigma. Deshalb möchte die EU-Kommission das Insolvenzrecht harmonisieren. Ein Rechtsakt zur Harmonisierung des materiellen Insolvenzrechts ist noch für dieses Jahr geplant. Eine Roadmap enthält erste Ideen.

Bereits im Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion vom September 2015 und in der Binnenmarktstrategie vom Oktober 2015 hatte sich die EU-Kommission der Kultur der zweiten Chance verschrieben.

Eine entsprechende Empfehlung vom 12. März 2014 war aus Sicht der Kommission nur unzureichend umgesetzt worden. Auf Basis der Empfehlung will der europäische Gesetzgeber nun erneut aktiv werden: Neben einer denkbaren Vereinheitlichung berufsrechtlicher Anforderungen für Insolvenzverwalter oder einer Spezialisierung der in den einzelnen Mitgliedstaaten mit Insolvenzrecht befassten Gerichte sind es insbesondere zwei Aspekte, die Gegenstand eines für Ende des Jahres 2016 angekündigten Legislativakts sein sollen: ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren und eine einheitliche Frist zur Entschuldung von Verbrauchern.

Deutscher Gesetzgeber stärkt Eigenverwaltung

Der deutsche Gesetzgeber hatte sich erst vor vier Jahren mit Neuregelungen zum Regelinsolvenzverfahren gegen die Einführung eines eigenständigen Verfahrens ausgesprochen, das dem gerichtlichen Insolvenzverfahren vorgelagert ist. Missbrauchsrisiken, Sorge vor Intransparenz und letztlich die Tendenz zur Übersanierung liquidationsreifer Unternehmen waren damals die zentralen Erwägungen. Vorzug erhielten Anreize für den frühen Einstieg in das formelle Insolvenzverfahren – so die Stärkung der Eigenverwaltung oder die Einführung eines Schutzschirmverfahrens.

Für die Restschuldbefreiung von Verbrauchern wird in Brüssel eine Höchstfrist von drei Jahren diskutiert. Diese Frist hatte der nationale Gesetzgeber im Sommer 2014 noch als Mindestfrist definiert, die an eine Mindestbefriedigungsquote von 35 Prozent sowie an die Tragung der Verfahrenskosten geknüpft war. Die aktuell vom deutschen Insolvenzrecht definierte Höchstfrist zur Entschuldung für Verbraucher beträgt sechs Jahre.

EU-Kommission eröffnet Diskussion um Weiterentwicklung des Insolvenzrechts

Derzeit konsultiert die EU-Kommission interessierte Kreise zu möglichen Eckpunkten des geplanten Vorschlags. Darüber hinaus werden Regelungsinhalte von einer Experten- und einer Stakeholder-Gruppe diskutiert. Erste Ideen hat die EU-Kommission in einer Roadmap zusammengefasst, die hier abgerufen werden kann: http://ec.europa.eu/smart-regulation/roadmaps/docs/2016_just_025_insolvency_en.pdf. Der BDI wird sich intensiv in die Debatte um die Ausgestaltung europäischer Vorgaben auf dem Feld des Insolvenzrechts einbringen.