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Europa auf dem Weg zum Vorreiter für Verpackungskreisläufe

Die Europäische Union (EU) verzeichnet seit Jahren einen Anstieg im absoluten Aufkommen von Verpackungsabfällen. So fielen im Jahr 2020 ca. 79 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an, was in etwa 177 kg pro Kopf entspricht. Ohne zusätzliche politische Maßnahmen wird es laut Kommission bis zum Jahre 2030 einen Anstieg von weiteren 19 Prozent geben. Dieser Trend soll nun durchbrochen werden.

Trotz einer bestehenden europäischen Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfälle aus dem Jahr 1994 haben die Mitgliedsstaaten der EU zahlreiche nationale Regelungen zum Umgang mit Verpackungen und Verpackungsabfällen etabliert. Dies erhöht und erschwert den administrativen sowie logistischen Aufwand für Unternehmen, da für 27 EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Anforderungen für Verpackungskennzeichnungen, Verpackungsabfälle und das Verpackungsdesign bestehen.

Die Europäische Kommission hat nun Ende November 2022 erstmals das Instrument einer direkt in allen Mitgliedstaaten wirkenden Verordnung gewählt, um harmonisierte Regelungen für Verpackungskreisläufe in der EU sicherzustellen. Gezielt soll das Verpackungsaufkommen durch Pflichten zur Wiederverwendung, nachhaltiges Verpackungsdesign, einheitliche Verpackungskennzeichnung, Mindestrezyklatanteile in Kunststoffverpackungen, Verbote von bestimmten Einwegkunststoffverpackungen und dem Schließen von Materialkreisläufen minimiert werden.

Wir sind auf dem richtigen Weg zur Circular Economy

Warum wir in der EU eine einheitliche Verordnung für Verpackungen und Verpackungsabfälle brauchen, um ein zirkuläres Verpackungsmanagement zu erreichen, hat die BDI Initiative Circular Economy zwei ihrer Mitglieder gefragt: Herwart Wilms Geschäftsführer von REMONDIS Sustainable Services GmbH und Vorstandsmitglied der BDI Initiative Circular Economy: „Die Grundlage für eine zirkuläres Verpackungsmanagement ist ein recyclingfähiges Design, deshalb ist es lange überfällig, dass nur noch Verpackungen auf den europäischen Markt gebracht werden dürfen, die auch recycelt werden können. Die Mindestrezyklatanteile werden Investitionssicherheit und ein Level-Playingfield für die europäischen Recycler schaffen, aber viele Konsumenten sind bereit, noch über Mindestanforderungen hinaus zu gehen. Damit die Kunden ihre Kaufentscheidung an der Recyclingfähigkeit der Verpackungen ausrichten können, benötigen sie Informationen. Auf dem europäischen Binnenmarkt machen Güter nicht an Ländergrenzen halt. Es ist daher ein guter Schritt, dass diese Informationen zukünftig europaweit einheitlich und leicht abrufbar in Form harmonisierter Etiketten bereitgestellt werden sollen.“

Martin Engelmann Hauptgeschäftsführer und Rechtsanwalt bei der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen:„EU-weit einheitliche Verpackungsregeln sind die wichtigste Voraussetzung für eine Transformation der Verpackungsbranche in Richtung Kreislaufwirtschaft. Die Hersteller von Kunststoffverpackungen haben in die Kreislauffähigkeit ihrer Produkte investiert und stehen mit innovativen Lösungen bereit, die hohe Materialeffizienz mit hochgradiger Recyclingfähigkeit und dem Einsatz von Rezyklaten verbinden. Die in den letzten Jahren erlassenen nationalen Verpackungsvorschriften haben zu einem Flickenteppich der Verpackungsregulierung im EU-Binnenmarkt geführt, der diese Transformation erheblich behindert. Dabei kann es nur eine EU-Kreislaufwirtschaft geben, nicht 27 unterschiedliche. Eine unmittelbar wirksame EU-Verordnung auf Basis der Binnenmarktkompetenz der EU wäre dafür der Garant.“

Regeln für nachhaltige Kreisläufe und fairen Wettbewerb schaffen

Die Initiative der Kommission zur Fortentwicklung des Rechtsrahmens für Verpackungen und Verpackungsabfälle kann unter dem Motto „very much appreciated” zusammengefasst werden. Unternehmen benötigen jetzt eine klare Zukunftsperspektive für Investitionen im Europäischen Binnenmarkt. Der Vorschlag der Kommission bedarf allerdings an zahlreichen Stellen der Konkretisierung und/oder der Korrektur durch Rat und Parlament. So steht zwar außer Frage, dass die angestrebte Verordnung einen wichtigen Beitrag auf dem Weg hin zur Schaffung hochwertiger Materialkreisläufe leisten kann. Abzuwarten bleibt jedoch zum Beispiel, wie sich zukünftige Vorgaben zum Einsatz von Recyclingmaterial auf den Preis- und Materialfluss in der EU auswirken werden. Auch wird noch zu diskutieren sein, wie ein EU-weit einheitliches und wissenschaftlich erarbeitetes Instrument für die Bemessung der Nachhaltigkeitsleistung von Verpackungen entwickelt werden. Darüber hinaus werden im Verordnungsvorschlag bisher oftmals gleiche Regelungsansätze für industrielle/gewerbliche Verpackungen (B2B) mit Konsumverpackungen (B2C) gewählt. Dies widerspricht jedoch der Lebensrealität, da zum Beispiel Fässer oder Paletten in der gewerblichen Nutzung völlig andere Produktlebenszyklen als Joghurtbecher und Getränkeverpackungen haben.

Der Gesetzgebungsprozess schreitet indes rasant voran und die Verordnung soll noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 verabschiedet werden. Daher gilt es jetzt, im Dialog mit allen Stakeholdern die richtigen Entscheidungen für nachhaltige Verpackungskreisläufe in der EU zu gestalten.