Europa muss in der Raumfahrt erwachsen werden
Russland hat Ende Februar 2022 die Zusammenarbeit in der Raumfahrt mit Europa und der European Space Agency (ESA) in weiten Teilen aufgekündigt. So wurde u. a. die Kooperation im Bereich der Sojus-Trägerraketen und die Nutzung des europäischen Weltraumbahnhofs in Kourou beendet. Dies ist bedeutsam, weil im vergangenen Jahr mehr Sojus-Raketen (7) als originär europäische Raketen (3 Ariane, 3 Vega) unter europäischer Flagge gestartet sind.
Europäische und amerikanische Raketen nutzen zudem noch immer Komponenten (insbesondere Triebwerke) aus ukrainischer bzw. russischer Produktion. Dies betrifft in Europa die Vega-Rakete und in den USA u. a. die Antares-Raketen von Northrop Grumman. Ob die Raketen jetzt noch starten können, ist fraglich.
Ergänzend kommt hinzu, dass der Start der neuen Ariane 6 später als ursprünglich geplant erfolgt. Gleichzeitig stehen auch weniger US-Transportkapazitäten als Alternative zur Verfügung. Ob und wann die neue Ariane-Rakete dies kompensieren kann, ist offen.
Es bedarf mehr Resilienz bei europäischen Trägerraketen
Sollte Russland im Rahmen seines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine europäische Satelliten hacken, stören oder abschießen, kann Europa nicht reagieren. Ein kurz- und mittelfristiger Start von Ersatzsystemen ins All ist nicht möglich. Europas kritische Satelliten-Infrastruktur ist damit unmittelbar bedroht. Dies hat weitreichende gesamtwirtschaftliche Implikationen, weil Satelliten elementar für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft sind. Egal ob Navigation, Kommunikation, Datentransfer, autonomes Fahren, Klimamonitoring oder strategische Aufklärung – Satelliten sind der Schlüssel.
Europa und die Bundesregierung müssen jetzt dringend die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen und handeln. Gerade Deutschland ist in der Verantwortung, weil es zum einen über das in Europa führende NewSpace Ökosystem mit drei kommerziellen Raketen-Start-ups verfügt die für Ende 2022 ihre ersten Starts planen, und zum anderen die größte Volkswirtschaft mit den entsprechenden Ressourcen besitzt und gesamtwirtschaftlich am stärksten vom Ausfall der Infrastruktur im All betroffen wäre.
Notwendig ist jetzt dringend eine deutliche und nachhaltige Unterstützung der kommerziellen NewSpace Launcher in Europa durch Ankeraufträge nach US-Vorbild und eine Bereitstellung von Startmöglichkeiten für kleine Trägerraketen in EU-Kontinentaleuropa zur Erhöhung der europäischen Resilienz.