Exportkontrolle: Im Spannungsfeld zwischen Sicherheitsinteressen und Wirtschaftspolitik
Laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bedeutet Exportkontrolle „vor allem, dass die Lieferung von Waren, von Technologie oder auch von Software und Datenverarbeitungsprogrammen (man fasst diese drei unter dem Oberbegriff „Güter“ zusammen) in andere Länder genehmigungspflichtig sein kann.“ Das grundsätzliche Motiv für derartige Kontrollen ist die Erwägung, dass wirtschaftlicher Austausch auch ungewollt die Rüstungsbestrebungen bestimmter Akteure unterstützen kann.
Es gibt international vier sogenannte Nicht-Verbreitungsregime. Das Wassenaar-Arrangement für die Kontrolle von konventionellen Waffen und von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Wassenaar Arrangementv), die Gruppe der Kernmaterial-Lieferländer (Nuclear Suppliers Group, NSG), die Australische Gruppe zur Nichtverbreitung biologischer und chemischer Kampfstoffe (Australia Group, AG) und das Trägertechnologie Kontrollregime (Missile Technology Control Regime, MTCR). Dieser internationalen Regulierungsarchitektur folgend ist das oberste sicherheitspolitische Ziel bei staatlichen Kontrollen, die Nicht-Verbreitung nachhaltig zu gewährleisten. Um dies sicherzustellen, veröffentlichen Staaten eigene Kontrolllisten oder übertragen die offiziellen Listen der oben genannten Regime in nationales Recht.
Wirtschaftsfreiheit und Sicherheit
In Deutschland gilt zwar gemäß Außenwirtschaftsgesetz (AWG) §1 „Der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland […] ist grundsätzlich frei.“ Doch wird diese Freiheit überall dort eingeschränkt, wo ein übergeordnetes Interesse eine Beschränkung individueller Freiheiten verhältnismäßig erscheinen lässt. Zu welchem Zweck und in Bezug auf welche Güter eine Einschränkung begründet sein kann, ist in § 4 AWG (Beschränkungen und Handlungspflichten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und der auswärtigen Interessen) und § 5 AWG (Gegenstand von Beschränkungen) beschrieben.
Nationale Eigenheiten in den Ausfuhrkontrollregimen sind möglich, und auch die Bundesrepublik Deutschland greift in bestimmten Fällen zu unilateralen Maßnahmen im Sinne der nationalen Sicherheitsinteressen nach § 6 AWG (Einzeleingriff). Mit Ausnahme der US-amerikanischen Exportkontrolle, bei der sich aufgrund nationaler Sicherheitsüberlegungen unilaterale und multilaterale Maßnahmen einigermaßen die Waage halten, sind Einzeleingriffe jedoch nicht die Regel. Denn klar ist auch: Effektive Wirtschaftskontrollen funktionieren in einem globalen Markt nur, wenn mögliche Wettbewerber ebenfalls ähnlichen oder idealerweise denselben Kontrollen unterstehen.
Welche Kontrollen gibt es?
Grundsätzlich gibt es zwei Mechanismen: die listenbasierte und die verwendungsbezogene Exportkontrolle. Bei Listen funktioniert das Verfahren wie folgt: Informationen zu Gütern werden zusammengetragen, Bedrohungsszenarien evaluiert und am Ende einigen sich die Mitgliedsstaaten im Wassenaar-Arrangement auf Änderungen an der gemeinsamen Kontrollliste. Diese werden dann durch einen europäischen Rechtsakt Teil des Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EG) 428/2009. Auf dieser Grundlage können sich EU-Unternehmen ein einigermaßen klares Bild davon machen, für welche ihrer Güter Ausfuhranträge gestellt werden müssen, beziehungsweise wann ein solcher Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat.
Bei der verwendungsbezogenen Exportkontrolle – auch Catch-All genannt – handelt es sich um unspezifische Auffangregeln und eine Verpflichtung der Wirtschaftsbeteiligten zur Selbstkontrolle. Die Effektivität der Catch-All-Kontrollen hängt maßgeblich davon ab, dass die Herstellung eines Gutes und dessen technische Risikobewertung aus einer Hand erfolgen. Unternehmen sind Spezialisten für ihre Produkte und Ingenieur*innen können klar die Gefahr erkennen, die sich aus einer Bestellung für die Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ergibt.
Deutschland setzt den internationalen Goldstandard in der Ausfuhrkontrolle
Die Ausfuhrkontrolle ist in deutschen Unternehmen an die Ausfuhrverantwortlichen gebunden. Diese Position kann pro Unternehmen nur eine Person einnehmen und diese muss Teil des höchsten vertretungsberechtigten Organs sein; in einer AG wäre dies der Vorstand, in einer GmbH die Geschäftsführung. Die Pflichten der Ausfuhrkontrollverantwortlichen bestehen vor allem darin, im Unternehmen ein funktionierendes und angemessenes innerbetriebliches Exportkontrollsystem (internal compliance program, ICP) zu betreiben. Ein funktionierendes ICP lässt sich mit den vier Kernpflichten der Ausfuhrkontrollverantwortlichen beschreiben:
- Personalauswahlpflicht: Auswahl persönlich zuverlässiger und sachkundiger Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen.
- Organisationspflicht: Schaffung von Strukturen, die Interessenskollisionen im Unternehmen vermeiden. So hat die Exportkontrolle eine Stoppfunktion, die sich nicht mit den Zielen des Vertriebs vereinbaren lässt.
- Überwachungspflicht: Kontrolle über die Einhaltung festgelegter Arbeitsabläufe.
- Weiterbildungspflicht: Der Ausfuhrverantwortliche selbst muss Kenntnis über die Entwicklungen im Außenwirtschaftsrecht haben. Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen müssen regelmäßig Fachseminare besuchen.
Ohne ein im Unternehmen verankertes ICP eröffnet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen (BAFA) keine Verfahren zur Prüfung von Ausfuhrgenehmigungsanträgen. Verstöße gegen die oben genannten Pflichten und Fehler bei der Mitwirkung zur internationalen Nicht-Verbreitung können empfindliche ordnungs- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Deutschland setzt mit diesem System klarer und personenbezogener Verantwortlichkeit den Goldstandard in der internationalen Ausfuhrkontrolle.