H2goesRail oder: Warum braucht der Schienenverkehr grünen Wasserstoff?
Warum braucht es einen neuen Energieträger für den Schienenverkehr?
Christian Pieper: Die Deutsche Bahn hat sich anspruchsvolle Klimaschutzziele gesetzt. Bis 2040 wollen wir einen Schienenverkehr ohne CO2-Emissionen auf die Schiene bringen. Hierzu ist natürlich die Elektrifizierung des Streckennetzes voranzubringen, um Strom aus regenerativen Energien direkt zu verwenden. Dennoch sind nicht alle Stecken durch eine Oberleitung elektrifizierbar. Und auf diesen Strecken wollen wir zukünftig auch grünen Wasserstoff als Antriebsenergie für Züge zur Verfügung stellen.
Und warum ist Wasserstoff ein geeigneter Energieträger für einen CO2-freien Schienenverkehr? Sind die Umwandlungsverluste hier nicht vergleichsweise hoch?
Als DB Energie setzen wir ausschließlich auf grünen Wasserstoff als Energieträger im Schienenverkehr. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gewonnen. Im Rahmen des Projekts H2goesRail werden wir sowohl grünen Wasserstoff beschaffen als auch direkt am Standort der Tankstelle erzeugen. Grüner Wasserstoff ist aus meiner Sicht eine ideale Ergänzung für das Gelingen einer erfolgreichen Energiewende. Strom aus Windparks und Photovoltaik ist vom natürlichen Dargebot abhängig und volatil. Die Elektrolyse bietet eine Möglichkeit zur Steuerbarkeit des Energiesystems, da Wasserstoff speicherbar ist. Der Wasserstoff kann also an Standorten mit und in Zeiten von hoher Verfügbarkeit von Grünstrom erzeugt und anschließend bedarfsgerecht eingesetzt werden.
Welche Erfahrungen wollen Sie mit dem gemeinsamen Projekt machen? Welche Untersuchungen sind noch erforderlich, um in den Echt-Betrieb zu gehen?
Ein Schlüsselelement, um Wasserstofftechnologie im Betriebsalltag konkurrenzfähig zum bisher verwendeten Dieselkraftstoff zu machen, ist ein effizienter und schneller Betankungsvorgang. Die DB hat daher ein neuartiges Verfahren entwickelt, mit dem die Betankung eines Wasserstoffzuges genauso schnell verläuft wie die Betankung eines Dieseltriebzugs. Ein wichtiger Aspekt angesichts der eng getakteten Zugfolgen im Regionalverkehr der DB. Auch in Zukunft wollen wir keinen „Tankwart“ beschäftigen. Sondern die Betankung vor Ort soll weiter im self-service durch den Triebfahrzeugführer selbst erfolgen. Alle Fahrzeug- und Tankdaten werden dabei automatisch ausgelesen und an die DB Energie übermittelt. Von den Kollegen erhält jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen dann seine verbrauchsgenaue Abrechnung. Die gesamte Wasserstoff-Infrastruktur von der schnellen Betankung bis hin zur Abrechnung des grünen Wasserstoffs muss reibungslos laufen – hier wollen wir mit dem Projekt wichtige Erfahrungen sammeln.
Wie sieht ihr Zeitplan aus? Wann können die Fahrgäste den Zug nutzen? Und was werden die Fahrgäste an dem Zug wahrnehmen?
Zuerst werden wir den Mireo Plus H mit Lieferwasserstoff betanken. Ab 2024 ändert sich der Ansatz: Dann werden wir als DB Energie unseren eigenen grünen Wasserstoff direkt vor Ort produzieren, gleich neben der Tankstelle durch Elektrolyse. Durch diese Kombination können wir den Markthochlauf schnell und flexibel gestalten.
Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoff-Systems im Schienenverkehr? Werden Zug und Energie deutlich teurer als bisher?
Die Wirtschaftlichkeit des Angebots hängt auch von effizienten, digitalen Prozessen ab. Im Projekt setzen wir z.B. auf den DB EcoRail Simulator, um den Bedarf an Wasserstoff zu analysieren. Das System berücksichtigt die Streckencharakteristik, Umwelteinflüsse und das Fahrzeugverhalten und schafft damit eine wichtige Grundlage für eine effiziente Gesamtauslegung. Wir haben auch eine drahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeug und Betankungsinfrastruktur entwickelt. Hierdurch werden wichtige Fahrzeugparameter wie Tankdruck und -temperatur vom Fahrzeug zur Infrastruktur übertragen, um eine effiziente und schnelle Betankung zu gewährleisten.
Es braucht aber auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen, um Wasserstoffzüge wirtschaftlich attraktiv anbieten zu können. Damit Wasserstoffzüge wie auch Batteriezüge zu wesentlichen Bausteinen des klimafreundlichen Schienenverkehrs werden, ist ein Mix aus verschiedenen Instrumenten gefragt. Dazu gehört auch die Energiebesteuerung. Der Finanzminister sollte den innovativen Einsatz von Wasserstoff im Verkehr nicht mit hohen Steuern belasten. Auch sollte der Schienenverkehr den gleichen Zugang zum Treibhausgas-Quotenhandel erhalten. Der Ausbau der E-Mobilität und der Einsatz von erneuerbaren Energien sollte keinesfalls nur im Straßenverkehr gefördert werden. Das entspricht auch der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU. Und wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann wollen wir Angebote für grünen Wasserstoff vorlegen, die nicht mehr allzu weit entfernt sind von der aktuellen Dieselversorgung.
Grüner Wasserstoff ist dabei aus meiner Sicht nicht nur im Regionalverkehr eine attraktive Option. Sondern die Wasserstoff-Infrastruktur kann auch dabei helfen, CO2-freie Schienengüterverkehre und Rangierverkehre anzubieten.
Welchen Markt sehen sie in den nächsten 10 Jahren für den Wasserstoff-Zug und das Betankungssystem in Deutschland und Europa voraus?
Verschiedene Anbieter werden Wasserstoffzüge auf den europäischen Markt bringen. Dabei könnte der Kernabsatzmarkt auch in anderen Weltregionen als Europa erwachsen. Aufgrund der lückenhaften Infrastruktur für ein flächendeckendes elektrisches Schienennetz besteht im Eisenbahnsektor ein großes Interesse an Wasserstoffzügen. Außerdem werden durch die Herstellung von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstabe die Erzeugungskosten sinken. Diese Entwicklungen werden meiner Auffassung nach auch einen erheblichen Einfluss auf den Hochlauf von Wasserstoff im Schienenverkehr haben.