Handel und Investitionen statt Entwicklungshilfe
Die Wirtschaft der meisten afrikanischen Länder ist in den letzten 15 Jahren stark gewachsen. Dies hat dafür gesorgt, dass unser Nachbarkontinent inzwischen auch als Chancenkontinent wahrgenommen wird. Um nachhaltiges Wachstum und vor allem Arbeitsplätze zu schaffen, müssen die Volkswirtschaften diversifiziert und Wertschöpfung vor Ort gefördert werden. Bisher ist Subsahara-Afrika die am wenigsten industrialisierte Region der Welt: Lediglich 1,1 Prozent der globalen Wertschöpfung findet auf dem Kontinent statt. Gleichwohl ist das Potenzial aufgrund von stabilem Wirtschaftswachstum und steigender Bevölkerungszahlen enorm.
Viele afrikanische Regierungen haben das erkannt. „Industrialisierung ist eine Priorität für uns“, meint der ghanaische Vizepräsident Mahamudu Bawumia zur Eröffnung des 3. German-African Business Summit in Accra. Deshalb sorge die Regierung Ghanas nicht nur für makroökonomische Stabilität, sondern hat sich zum Ziel gesetzt, in jedem Distrikt den Bau von mindestens einer Fabrik zu fördern. Zudem hat Ghana mit der Digitalisierung der öffentlichen Dienstleistungen begonnen. Jeder Ghanaer wird künftig einen biometrischen Ausweis erhalten, um eine Datenbank für Dienstleistungen – beispielsweise im Gesundheitsbereich – aufzubauen.
Ywa Adu Gyamfi, Vorsitzender der Association of Ghana Industries (AGI), begrüßt diese Initiative: „Wir haben genug Fisch geschenkt bekommen, jetzt ist es Zeit, dass wir selber fischen lernen“. Seth Twum-Akwaboah, CEO von AGI, meint zu den Reformversuchen des Präsidenten Akufo-Addo: „Diese Reformen helfen der Industrie zu wachsen. Besonders die Digitalisierung der Prozesse im Hafen war eine große Erleichterung für die Unternehmen.“
Deutsche Firmen zögerlich
„Für wachstumsorientierte deutsche Unternehmen ist es ein Muss, afrikanische Märkte zu erschließen“, meint auch Heinz-Walter Große, Vorsitzender der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI). Denn afrikanische Märkte werden für deutsche Unternehmen durch steigende Kaufkraft und Nachfragen nach deutschen Produkten sowie wachsende Investitionen zunehmend interessanter.
Bisher sind jedoch nur etwa 1.000 deutsche Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Das liegt daran, dass die Märkte bisher für die hochspezialisierten deutschen Produkte noch nicht reif waren, und ein Engagement in Afrika noch immer mit höheren Risiken verbunden ist.
Es werden allerdings stetig mehr: „Du glaubst, Afrika bewegt sich nicht, aber das stimmt nicht. Städte, Infrastruktur und sogar Personen ändern sich. Wenn du es nicht siehst, schaust du nicht genau genug hin“ meint Libérat Mfumukeko, Generalsekretär der Ostafrikanischen Union. Er zeigt sich optimistisch, dass sich Investitionen in Afrika lohnen.
„Deutsche Unternehmen sind in Afrika geschätzte Arbeitgeber. Sie investieren viel in ihre Mitarbeiter, unter anderem in Aus- und Weiterbildung, und können mit ihrer Technologie sowie ihrem Know-how einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten", meint Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI. Dadurch entstehen Chancen für beide Seiten, denn deutsche Firmen brauchen neue Absatzmärkte. Mehr Engagement von deutscher Seite wäre deshalb wünschenswert.
Win-Win für beide Seiten
Heinz-Walter Große äußert sich zuversichtlich: „Subsahara-Afrika befindet sich in einem Prozess des wirtschaftlichen Wandels. Davon profitiert auch der deutsche Mittelstand. Reformorientierte Regierungen setzen erfolgreich die Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften und den Aufbau lokaler Industrien in die Realität um.“
Thomas Schäfer, CEO von Volkswagen in Südafrika, meint dazu: „Um in Afrika zu investieren, sind lokale Märkte essentiell. Kein Unternehmen wird investieren, wenn es keine lokale Nachfrage gibt. Wir glauben, die Zeit ist reif, allerdings brauchen wir die Unterstützung der (afrikanischen) Regierungen. Die Rahmenbedingen müssen stimmen.“ Volkswagen hat bereits Werke in Südafrika, Kenia und Ruanda eröffnet. Vor kurzem hat das Unternehmen ein Memorandum of Understanding (MoU) mit der ghanaischen Regierung unterzeichnet und plant, auch in Accra Fahrzeuge zu produzieren.
Deutsche Politik fördert deutsche Investitionen in Afrika
Die Afrikapolitik der Bundesregierung hat bereits in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel vollzogen. Der „Marshallplan mit Afrika“, der 2017 durch Bundesentwicklungsminister Müller in Nairobi vorgestellt wurde, sieht ein Umdenken von klassischer Entwicklungshilfe zu wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit vor. Auch im Rahmen des G20 Compact with Africa, den unter anderem auch Ghana unterzeichnet hat, sollen private Investitionen gefördert werden.
Grund dafür: Entwicklungshilfe hat seit dem Zweiten Weltkrieg zwar die schlimmsten Auswirkungen von Armut abgemildert, allerdings nicht zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum geführt. „Afrika ist nicht nur Europas Partnerkontinent, es ist durch die hohen Wachstumsraten auch ein Chancenkontinent. Durch enge Kooperation zwischen Regierungen und Privatsektor können wir gemeinsam das große Potential der Volkswirtschaften nutzen“, sagt Entwicklungsminister Gerd Müller. Die Bundesregierung hat im letzten Jahr einen Entwicklungsinvestitionsfonds von einer Milliarde Euro für Afrika aufgesetzt, von dem auch deutsche Unternehmen profitieren sollen. Insbesondere kleine und mittelständische Firmen, die von Investitionen in Afrika aufgrund erhöhter Risiken oder fehlender Finanzierungsmöglichkeiten bisher absehen, sollen gestärkt werden. Wie genau diese Unterstützung aussehen soll, ist allerdings noch unklar.
Über die Chancen und Herausforderungen des afrikanischen Kontinents wurde Anfang Februar 2019 auf dem Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsgipfel (German-African Business Summit, GABS) von über 500 Teilnehmern diskutiert. Dieser wird von der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) ausgerichtet. Trägerorganisationen von SAFRI sind der BDI, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und der Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft.
Ehrengäste vor Ort waren neben Regierungsvertretern aus Äquatorialguinea, Nigeria und dem Senegal, der ghanaische Vize-Präsident Bawunia, Entwicklungsminister Müller und Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Von Seiten der Industrie waren bekannte Unternehmen wie B. Braun, Robert Bosch, SAP, Siemens, Voith und Volkswagen auf dem Wirtschaftsgipfel vertreten.