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Stefan Köhler, MdEP: "Bürokratielast hat konkrete Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit"

Bei der Europawahl 2024 wurde Stefan Köhler als Kandidat der CSU Unterfranken erstmalig ins Europäische Parlament gewählt. Dort ist der 57-jährige Diplomagraringenieur und Landwirt Mitglied im Agrar- und im Umweltausschuss. Im Interview erläutert er seine Motivation, sich als Europaabgeordneter zu engagieren, nennt die größten Herausforderungen für europäische Unternehmen und seine wirtschaftspolitischen Prioritäten für Europa.

Was treibt Sie persönlich an, sich als Europaabgeordneter zu engagieren?

Die vergangene Legislaturperiode hat gezeigt, dass zu viele Vorschriften erlassen wurden, ohne vorher eine Folgenabschätzung zu machen. Das Ergebnis waren widersprüchliche und ausufernde Gesetzgebungen, die ihrerseits Verwirrung und Unsicherheit zur Folge hatten. Mittlerweile haben wir einen Punkt erreicht, an dem unsere deutschen Unternehmen, die das umsetzen müssen, nicht mehr mitkommen. Das höre ich immer wieder bei den zahlreichen Gesprächen, die ich bei mir im Wahlkreis sowie in Brüssel oder Berlin führe. Aber auch unsere Bürgerinnen und Bürger sind frustriert. Die Bauernproteste Anfang des Jahres sind für mich ein Sinnbild der Stimmung, die aktuell herrscht. Unsere Bäuerinnen und Bauern sind hier in einer ganz besonderen Position zwischen Unternehmertum und Privatperson. Ich bin selbst Landwirt und kann das daher sehr gut nachvollziehen. Das motiviert mich umso mehr, mein praktisches Wissen in die zukünftigen Gesetzgebungsverfahren einzubringen, um maßvolle, eindeutige und vor allem auch umsetzbare Vorgaben zu schaffen, die die Betroffenen nicht überfordern.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, denen sich europäische Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssen?

Für mich sind das die Anpassungen an die bereits verabschiedeten Vorgaben aus der alten Legislaturperiode, die nun kommen werden. Die Entwaldungsverordnung (EUDR) ist nur ein Beispiel, aber ein sehr eindrückliches. Zu Ende gedacht kann diese Verordnung sehr viele Unternehmen treffen. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Regelungen, die jetzt erst in Kraft treten und unseren Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten machen werden. Diese Bürokratielast hat konkrete Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Die neue Europäische Kommission muss, in engem Austausch mit uns Abgeordneten des Europäischen Parlaments, alles daransetzen, so viele Vorgaben wie möglich auf ihre Praktikabilität hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verschieben. Gepaart mit den anhaltend hohen Strompreisen wird das eine der größten Herausforderungen für die meisten Unternehmen in Deutschland sein. Natürlich gibt es noch viele weitere, wie zum Beispiel den anhaltenden Fachkräftemangel, die mangelnde Digitalisierung...Die Liste ist lang. Daher ist es das richtige Signal, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Wettbewerbsfähigkeit als Überthema ihrer zweiten Amtszeit ausgerufen hat. Denn die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist ernst.

How to #PowerUpEurope: Wie möchten Sie Europa mit Ihrer Arbeit im Umweltausschuss konkret wieder zu einem attraktiven und starken Wirtschaftsstandort machen?

Im Umweltausschuss müssen wir konkrete Möglichkeiten diskutieren und Lösungen herbeiführen, um die großen Herausforderungen der heutigen Zeit bewältigen zu können. Dabei müssen wir die Betroffenen mitnehmen und wieder stärker den Dialog mit ihnen suchen. Das ist mir sehr wichtig, dass hier ein Umdenken stattfindet. Es ist der Eindruck entstanden, dass eine Flut an Vorgaben losgelassen und die Betroffenen dann damit alleine gelassen wurden. Die Regelungen zur Nachhaltigkeit in der Lieferkette haben gezeigt, wie man es nicht machen sollte.

Ich bin mir der Verantwortung bewusst, die wir Abgeordneten im Umweltausschuss innehaben. Der Schutz unserer Natur und der Lebewesen ist essenziell. Allerdings müssen wir eine Balance schaffen und diesen mit der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen abwägen. Zuletzt schien oft der Naturschutz im Vordergrund zu stehen, dem alles andere untergeordnet wurde. Außerdem müssen wir darüber nachdenken, wie unsere Unternehmen besser finanziell unterstützt werden könnten. Wir sollten sie stärker mit Anreizen motivieren, durch Innovation ihre eigene Wettbewerbsfähig zu stärken und somit die Anpassung an zukünftige Veränderungen von selbst zu erreichen. Zum Abschluss möchte ich noch betonen, dass Europa entschieden gegen zu hohe Energiekosten und fehlendes Risikokapital für Innovation vorgehen muss. Insgesamt müssen wir unabhängiger werden. Wir brauchen neues Selbstbewusstsein, einerseits, um an die dringenden Probleme herangehen zu können. Andererseits muss sich Europa auch zukünftig gegenüber USA und China behaupten können.