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Oliver Schenk, MdEP: "Wir brauchen ein Umsteuern in der Politik"

Bei der Europawahl 2024 wurde Oliver Schenk als Spitzenkandidat der CDU Sachsen erstmalig ins Europäische Parlament gewählt. Dort ist der 56-jährige ehemalige sächsische Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Mitglied im Umweltausschuss. Im Interview erläutert er seine Motivation, sich als Europaabgeordneter zu engagieren, nennt die größten Herausforderungen für europäische Unternehmen und seine wirtschaftspolitischen Prioritäten für Europa.

Was treibt Sie persönlich an, sich als Europaabgeordnete zu engagieren?

Auf unserer Erde leben über 8 Milliarden Menschen. Wir Europäer sind heute nur noch sieben Prozent der Weltbevölkerung. Unser Kontinent lebt in Freiheit mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Unsere Art zu wirtschaften eröffnet jedem von uns die Chance, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten sowie gleichzeitig als Gesellschaft auf neue Herausforderungen zu reagieren. Aber unsere Art zu leben steht weltweit unter Druck. Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in autoritären oder halbautoritären Systemen. Demokratien sind der Feind von Diktatoren. Unsere Freiheit zu bewahren und sie an unsere Kinder und Enkel weiterzugeben gelingt nur, wenn wir zusammenstehen. Ein geeintes und starkes Europa ist dafür ein Garant. Die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten sind 450 Millionen Menschen. So sind wir nach Indien und China das drittgrößte „Land“ der Welt und können die Dinge viel stärker selbst bestimmen und unsere Interessen auch weltweit durchsetzen. Das gelingt umso besser, je stärker wir zusammenhalten. In besonderer Weise gilt das für unsere Wirtschaft, die vom gemeinsamen Markt große Vorteile hat und deren Innovationsfähigkeit enorm von einer starken europäischen Vernetzung in der Forschung profitiert. Das alles gilt es zu stärken und unter den veränderten Vorzeichen von Krieg und globalen Spannungen zu sichern. Dem Europaparlament kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Es ist das einzige gewählte Parlament in der Welt, in dem Nationalstaaten Zuständigkeiten auf eine länderübergreifende Volksvertretung gegeben haben. In Sachsen, wo mein Wahlkreis ist, haben wir nach der Wiedervereinigung enorm von diesem Zusammenhalt und der großen Unterstützung profitiert. Auch daraus resultiert mein Wunsch in Europa Politik zu gestalten und am Zusammenhalt von Ost und West mitzuwirken.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, denen sich europäische Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssen?

Europa muss seine frühere wirtschaftliche Stärke zurückbekommen. Das ist nicht allein  Aufgabe der Unternehmen. Dafür braucht es einen gemeinsamen Kraftakt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auf allen Ebenen braucht es die Einsicht, dass die Herausforderungen, vor denen unsere freie Gesellschaft steht, nur mit Offenheit für Innovationen, Mut und einer von der Breite der Gesellschaft mitgetragenen Zukunftserzählung gemeistert werden können. An die Stelle der irrlichternden Ampel-Politik muss Verlässlichkeit und die Freiheit zur unternehmerischen Tätigkeit treten. Erst wenn uns das gelingt, werden wir die Herausforderungen wachsender Konkurrenz aus Asien und USA, die Chancen von KI und vor allem die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in einer Zeit der Dekarbonisierung meistern. Es gibt beeindruckende Beispiele, wie deutsche Unternehmen mit digitalen Innovationen große Fortschritte bei der Entwicklung neuer Gesundheitstherapien machen, Ressourcen schonende Produktionsprozesse entwickeln oder in vielen Nischen zu herausragenden Weltmarktführern geworden sind. Aber wir sehen leider auch wie unser Land an Dynamik und Innovationskraft verliert. In Brüssel und Berlin muss jetzt aufgewacht und umgesteuert werden. Deshalb bin ich froh, dass in Brüssel eine breite Zustimmung besteht, dass auf den „green deal“ ein „industrial deal“ folgen muss.

How to #PowerUpEurope: Wie möchten Sie Europa mit Ihrer Arbeit im Industrieausschuss konkret wieder zu einem attraktiven und starken Wirtschaftsstandort machen?

Wir brauchen ein Umsteuern in der Politik. Wir müssen wegkommen von einer übergriffigen Politik, die den Menschen und Unternehmen detailliert vorschreibt, wie sie sich zu verhalten haben. An die Stelle dieser in den letzten Jahren zunehmend dirigistischen und bürokratischen Politik muss ein technologieoffener und innovationsfördernder Ansatz treten, der ein neues Wohlstandsmodell schafft, in dem z.B Wirtschaft und Umwelt sich gemeinsam gut entwickeln und zugleich der derzeit wachsenden gesellschaftlichen Polarisierung Einhalt gebietet. Ein Schlüssel für das Gelingen dieses Ansatzes wird die Antwort auf die Frage sein, ob europäische Unternehmen den Trend setzen und mit dabei sind, wenn es um neue datengetriebene Geschäftsmodelle geht und ob es uns in Europa gelingt, erfolgreiche KI Unternehmen zu entwickeln. Technologisch steht Europa gut da, die Umsetzung scheitert aber zu oft an den eigenen Rahmenbedingungen. Hier ist die Politik gefordert, den Weg frei zu machen für europäische Champions, die auch global eine wichtige Rolle spielen.