Ingeborg Neumann, BDI-Vizepräsidentin und Geschäftsführende Gesellschafterin Peppermint Gruppe © Peppermint Gruppe

Kunst und Kultur sind Seismographen

Für Ingeborg Neumann, BDI-Vizepräsidentin und Geschäftsführende Gesellschafterin der Peppermint Gruppe, ist es wichtig, dass Führungskräfte im Mittelstand kulturelle Kompetenz haben. Im Interview erklärt sie, warum.

Nicht zuletzt Digitalisierung, Globalisierung und Demographie setzen Strukturen und Kulturen mittelständischer Unternehmen unter Druck. Was bringt gezielte Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur für ein Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt?
Wirtschaft – und übrigens auch die Politik – arbeiten zweckgebunden und strategisch. Kunst und Kultur sind dagegen zweckfrei, nichts und niemandem verpflichtet. Das schafft enorme Freiräume, eröffnet neue Blickwinkel und erlaubt überraschende, zum Teil völlig andere Lösungsmodelle. Die Kreativen sind dabei für uns wie Lackmuspapier, das frühzeitig reagiert – längst bevor sich Ideen zu Trends entwickeln und Allgemeingut werden. Kunst und Kultur sind Seismographen. Die Wirtschaft sollte darauf reagieren.

Was sollte eine gute Führungskraft im Mittelstand mitbringen? Welche Rolle spielen kulturelle Kompetenzen?
Kulturelle Kompetenz ist schon sehr wichtig, um offen, transparent und kreativ ein Unternehmen auf Basis seines Wertekanons zu leiten. Sie bewahrt uns vor Verkrustung und Eindimensionalität.

Frau Neumann, Sie haben einen Mitarbeiter zum Cultural Executive Education Programm (CEEP) des Kulturkreises geschickt. An vier Tagen wurden kulturelle Techniken von Malerei, über Theater spielen bis hin zu Tanz erprobt. Worin liegt Ihrer Meinung nach der Mehrwert für Ihr Unternehmen bzw. Ihre Mitarbeiter in solch einer intensiven Auseinandersetzung?
Der Mehrwert liegt genau in der Vermeidung der von mir beschriebenen Verkrustung. Wenn sich ein Unternehmen den Herausforderungen öffnen will, brauchen wir frische Ideen, kreative Inspiration, ja eine heilsame Irritation. Das funktioniert nur, wenn sich die Mitarbeiter anderen Denk- und Erlebnisstrukturen öffnen. Der Begriff „Mehrwert“ gefällt mir in diesem Zusammenhang übrigens nur, wenn „Wert“ im Sinne von „Wertigkeit“ verstanden wird.

Worin besteht und worauf zielt das Engagement für Kultur der Peppermint Gruppe?
Ich sehe in der Beschäftigung mit Kunst eine gesellschaftspolitische Dimension. Wir wollen damit neue Denkräume schaffen und zwar nicht gebunden an einen bestimmten Zweck. Die Beschäftigung mit Kunst verändert persönlich, regt an und fördert. Und dies wirkt damit auch positiv und nachhaltig in meinem Unternehmen – der Peppermint Gruppe. Denn wir verändern uns nur, wenn wir uns Dingen aussetzen, die wir so nicht kennen. Kunst macht Dinge sichtbar, die ohne sie unsichtbar blieben. Ich erlebe auch, dass Mitarbeiter sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Insofern schafft die Beschäftigung mit Kunst bei uns auch ein Stück Heimat oder Zuhause und das auf allen Hierarchieebenen.


Welchen Stellenwert hat Kunst und Kultur für Sie persönlich?
Ein Leben ohne Kunst ist für mich kaum vorstellbar. Die Beschäftigung mit Kunst und Kultur hat für mich eine ebenso intellektuelle wie emotionale Qualität, die ich nicht mehr missen möchte. Ich neige nicht zu Pathos, aber Kunst und Kultur sind für mich nicht nur essentiell, sondern existentiell.