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Patentschutzlockerung zur Pandemiebekämpfung untauglich

Der Beschluss der WTO zur Lockerung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe gefährdet Innovationen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas nachhaltig mit branchenübergreifender Wirkung. Eine Ausweitung des Beschlusses auf Therapeutika und Diagnostika würde diese Situation noch verschärfen und das internationale Patentrecht grundsätzlich in Frage stellen.

Mitte Juni 2022 einigten sich die WTO-Mitglieder auf der 12. Ministerkonferenz auf die befristete Lockerung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe. Der Beschluss sieht vor, dass „förderfähige Mitglieder“ für eine Laufzeit von fünf Jahren gewisse Inhaltsstoffe und Herstellungsverfahren, die für die Herstellung und Lieferung von COVID19-Impfstoffen erforderlich sind, auch ohne die Zustimmung der Rechtsinhaber nutzen dürfen. Nach Einschätzung des BDI greifen die beschlossenen Verfahrenserleichterungen für Zwangslizenzen unverhältnismäßig in die Rechte der Patentinhaber ein und schwächen den Patentschutz.

WTO-Beschluss zur Beschränkung des Patentschutzes für COVID 19-Impfstoffe untauglich 

Der Schutz geistigen Eigentums ist jedoch das Fundament für Innovation und für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. Den hohen Wert und die unterschiedlichen Funktionen geistigen Eigentums für Wirtschaft und Gesellschaft hat der BDI in seinem „Mission Statement“ zum Schutz geistigen Eigentums zusammengefasst. Gerade in der aktuellen Pandemie war der Schutz des geistigen Eigentums ein Garant dafür, dass in verhältnismäßig kurzer Zeit effektive Impfstoffe zur Verfügung standen. Aufweichungen des Patentschutzes nehmen Unternehmen hingegen einen wesentlichen Anreiz für Innovationstätigkeiten und damit auch für die weiterhin dringend notwendige Weiterund Neuentwicklung von Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika.

Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas

Spätestens seit Anfang 2022 stellt sich mit der offenkundig bestehenden Überproduktion an Impfstoffen der WTO-Beschluss als Akt reiner Symbolpolitik dar. Zur Lösung der tatsächlichen Probleme bei der Bekämpfung der COVID19-Pandemie ist er ungeeignet, jedoch birgt ergravierende Risiken auch für den Innovationswettbewerb in anderen Schlüsselbranchen. Stattdessen sollte die WTO nach Ansicht des BDI eine Strategie verfolgen, die die ungehinderte Auslieferung von Produkten und Vorprodukten für Impfstoff gewährleistet und freiwillige Unternehmenskooperationen fördert.

Ausweitung stellt Eckpfeiler des internationalen Patentrechts grundlegend in Frage

In dem Beschluss zu COVID-19-Impfstoffen wurde vorgesehen, binnen sechs Monaten, also bis Mitte Dezember 2022, über die Erweiterung der Lockerung auf „COVID-19 Therapeutika und Diagnostika“ abzustimmen. Wie bereits der Beschluss zur Patentlockerung für Impfstoffe würde eine solche Ausweitung die Eckpfeiler des internationalen Patentrechts grundlegend in Frage stellen. Zugleich würde hierdurch für weitere Diskussionen zur Aufhebung des Patentschutzes zugunsten übergeordneter Ziele ein Prädedenzfall geschaffen, mit Signalwirkung zu Lasten weiterer Industriebranchen. So könnte zum Beispiel die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels durch technologische Lösungen zu der Überlegung führen, Technologie müsse patentfrei zur Verfügung gestellt werden. Ohne die forschungsintensive und innovationstreibende unternehmerische Kraft ist aber die Bewältigung der Herausforderungen der Energiewende, des Gesundheits- und Katastrophenschutzes nicht denkbar.

Jahrzehntelange Forschungs- und Entwicklungsarbeit entwertet

Überdies würde durch eine Ausweitung des TRIPS-Beschlusses die mit einem Milliardenaufwand betriebene jahrzehntelange Forschungs- und Entwicklungsarbeit deutscher und europäischer Unternehmen entwertet und die laufende Entwicklung weiterer auf COVID-19 anwendbarer Therapeutika und Diagnostika gefährdet werden. Therapeutika und Diagnostika sind in der Regel für mehrere Einsatzgebiete und die Behandlung mehrerer Krankheitssymptome geeignet, auch solchen, die nicht spezifisch COVID-19-bedingt sind. Daher würden sich Zwangslizenzen für Therapeutika und Diagnostika nicht auf COVID-19-spezifische Produkte beschränken lassen und eine Ausweitung des WTO-Beschlusses eine erhebliche Missbrauchsgefahr bergen.

Der BDI wird sich auch in den weiteren Diskussionen zu einer Erweiterung des WTO-Beschlusses gegen zusätzliche Schwächungen des Patentschutzes einsetzen, um die Triebfeder für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit branchenübergreifend zum Wohle aller zu erhalten.