#PowerUpEurope: Interview mit Katarina Barley
Was treibt Sie persönlich an, als Spitzendkandidatin bei der Europawahl anzutreten?
Diese Wahl ist wichtiger denn je. Wir alle spüren die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine, des Klimawandels und der Pandemie. Um sie zu bewältigen, brauchen wir eine starke EU. Ich persönlich möchte mich weiter mit aller Kraft für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Regierungen können nicht die Vorzüge der EU nutzen, ohne sich an die Regeln und Werte zu halten. Dafür müssen wir die Abschaffung das Einstimmigkeitsprinzip vorantreiben, sonst lähmen Autokraten wie Viktor Orbán immer wieder die EU und schaden unserem Standort Europa. Mir macht es unglaublich viel Mut zu sehen, wie so viele Menschen für Demokratie und Zusammenhalt auf die Straße gegangen sind. Das ist ein ermutigendes Zeichen, auch für unsere europäischen Partnerländer. Ich wünsche mir, dass dieses Mal all diejenigen ihre Stimme abgeben werden, die für ein demokratisches, friedliches, soziales und vielfältiges Europa eintreten. Mit einer hohen Wahlbeteiligung kriegen wir die Rechtsextremen klein. Europa bedeutet für mich auch Familie. Meine Kinder haben Großeltern aus Deutschland, England, Spanien und den Niederlanden. Zudem ist Europa mein Zuhause. Ich lebe ich an einem Ort, an dem man mit dem Fahrrad an einem Tag durch vier Länder fahren kann: Deutschland, Belgien, Luxemburg und Frankreich.
Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, denen sich europäische Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssen?
30 Jahre nach dem Start des gemeinsamen Binnenmarktes erleben wir einen umfassenden Wandel unserer Wirtschaft, getrieben auch durch den globalen Wettlauf um Ressourcen, Technologien und Standards. Die europäische Industrie von morgen wird Wettbewerbsfähigkeit mit Klimaschutz und sozialen Fortschritt verknüpfen. Dazu gehört unter anderem, dass Unternehmen, die von staatlichen Subventionen und Transformationsprogrammen profitieren, langfristig auch gute Arbeitsplätze in tariflicher Bindung anbieten müssen. Herausfordernd wird auch der Wandel hin zu klimaneutralen und kreislaufbasierten industriellen Verfahren. Im Fokus stehen hierbei vor allem die Grundstoffindustrien und auch die Fertigungsbranchen, wie etwa die Autoindustrie. Gerade hier wollen wir daher in ihren Innovationsanstrengungen unterstützen – auch, weil von ihnen eine starke Innovationswirkung in die gesamte Wirtschaft ausgehen kann. Und die Herausforderung im Wandel, wenn es etwa um Wasserstoff, Batterietechnologie, Elektromobilität, Wind- und Solarkraft oder Biotechnologie geht, wird langfristig zu einer Stärke werden. Denn das wird maßgeblich dazu beitragen, die ohnehin notwendige Diversifizierung voranzubringen und riskante Abhängigkeiten zu reduzieren. Hinzu kommt, dass Unternehmen ihre Prozesse digitalisieren. Das erfordert einerseits Investitionen und planerischen Aufwand. Andererseits liegt hier auch Potenzial für Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen sowie Kostenreduktion.
How to #PowerUpEurope: Wie möchten Sie Europa konkret wieder zu einem attraktiven Ort zum Investieren und Wirtschaften machen?
Wir werden überall da, wo es verantwortbar ist, bürokratische Hemmnisse im Binnenmarkt abbauen – sowohl für Großunternehmen als auch für KMU, Start-Ups, Selbständige und Freiberufler. Investitionsbremsen, langwierige Genehmigungsverfahren und umfangreiche Beihilfeprüfungen etwa, werden wir vereinfachen. Dafür brauchen wir ein Update verschiedener Regulierungen. Wir wollen also gewissermaßen „durchlüften“, ohne aber wichtige Schutzstandards abzusenken. Und es geht darum, mehr Kohärenz zu schaffen beim Produkt- und Rohstoffrecht sowie Doppelregulierung zu verhindern. Bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen soll ein großer Anteil der Produkte aus Europa kommen. Das stärkt die europäische Industrie – und hilft zusätzlich, den CO2-Abdruck der EU zu verkleinern. Selbstverständlich gehören zu einem attraktiven Standort auch hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Unser Ziel ist darum ein verbessertes EU-Fachkräfteeinwanderungsrecht. Und mit dem Aufbau einer europäischen Kreislaufwirtschaft im industriellen Maßstab können wir die Effizienz in der Produktion weiter optimieren, den CO2-Fußabdruck reduzieren und uns unabhängiger von Importen machen. Gute Rahmenbedingungen für Unternehmen erfordern eine aktive Industriepolitik. Dazu gehört ein guter Zugang zu Investitionskapital. Wir treiben darum die Kapitalmarktunion in Europa politisch voran. Damit können dann auch Sparerinnen und Sparer leichter grenzüberschreitend in Europa investieren – das ist gut für den privaten Vermögensaufbau und gut für die Unternehmen.