Terry Reintke © Cornelis Gollhardt

#PowerUpEurope: Interview mit Terry Reintke

Terry Reintke ist Ko-Vorsitzende der Fraktion die Grünen/EFA im Europäischen Parlament und nun Spitzenkandidatin der deutschen und europäischen Grünen für den Europawahlkampf. Im Interview mit dem BDI erläutert sie ihre Motivation, als Spitzenkandidatin bei der Europawahl anzutreten, nennt die größten Herausforderungen für europäische Unternehmen in den kommenden Jahren und ihre Prioritäten, wie sie Europa wieder zu einem attraktiven Ort zum Investieren und Wirtschaften machen will.

Was treibt Sie persönlich an, als Spitzendkandidatin bei der Europawahl anzutreten?

Ich will Europa gestalten. Die Europäische Union ist der politische Rahmen, der uns in Deutschland in diesen herausfordernden Zeiten langfristigen Wohlstand und Sicherheit bietet. Europas vielgestaltige und innovative Wirtschaft ist global wettbewerbsfähig und indem wir Europa stärken, stärken wir unseren Wohlstand. Wir haben bereits vieles erreicht, gerade beim Green Deal. Diesen Weg sollten wir weitergehen, mit einer demokratischen Mehrheit der Mitte im Europäischen Parlament. Ich will ganz vorne mit anpacken: Es geht um die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft, und darum, die Jobs, die Produktion, den Wohlstand der Zukunft bei uns zu halten und auszubauen. Es geht ebenso um die Vertiefung der gemeinsamen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, eingebettet in die NATO, als Antwort auf die russische Bedrohung und den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Europa ist ein lebendiger und bunter Kontinent, ich setze mich für eine soziale Europäische Union ein, die fest auf Rechtsstaat und Demokratie baut. Für eine EU, in der Fremdenhass und Gewalt gegen Frauen und Minderheiten keinen Platz haben. Dafür braucht es eine große, kraftvolle grüne Fraktion im Europäischen Parlament. Ich bin meiner Partei in Deutschland und den Europäischen Grünen dankbar, dass sie mir dieses Vertrauen als ihre Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024 entgegenbringen.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, denen sich europäische Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssen?

Wir sind mitten in der klimaneutralen Modernisierung unserer Wirtschaft. Der Green Deal ist richtungsweisend für den Wirtschaftsstandort Europa und die Frage, ob wir weiter vorne mitspielen oder ob wir in einem Europa leben, das bei klimaneutralem Wirtschaften abgehängt wird. Ohne Frage stellt diese Transformation europäische Unternehmen vor enorme Herausforderungen, wie die Dekarbonisierung in Kombination mit steigenden fossilen Energiepreisen oder der globale Wettbewerb mit Unternehmen aus China und den USA, die dort von massiven Zukunftsinvestitionen profitieren. Wir brauchen daher in der EU eine strategische Industrie- und auch Investitionspolitik, um beim Wettrennen um den ersten klimaneutralen Wirtschaftsstandort der Welt zu gewinnen. Zusätzlich brauchen wir einen gemeinsamen Ansatz, um den Fach- und Arbeitskräftemangel zu lösen, unsere Lieferketten zu festigen und den Einsatz von KI im Einklang mit unseren gemeinsamen Werten zu schaffen. Nur mit klaren und verlässlichen Regeln schaffen wir die notwendige Investitionssicherheit für europäische Unternehmen. In Zeiten von Krisen und von großen Herausforderungen zeigt sich, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Ansatz ist. Die Europäische Union wahrt unseren Frieden und steigert unseren Wohlstand, sie schützt unsere Sicherheit und deshalb ist es für uns Grüne umso wichtiger, sie zu erhalten und zu erneuern.

How to #PowerUpEurope: Wie möchten Sie Europa konkret wieder zu einem attraktiven Ort zum Investieren und Wirtschaften machen?

Die Europäische Union gibt uns Sicherheit in einer unsicheren Welt. Ziel und Mission unserer Industriepolitik ist es, den Standort Europa zu stärken und klimaneutral zu erneuern: Mit dem Green Deal sichern wir Investitionen in gute Jobs und faire Löhne, saubere Infrastruktur und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf den Märkten der Zukunft. Wir setzen auf eine eigene aktive Wirtschafts- und Industriepolitik, die auf Europas Stärken aufbauend Schlüssel- und Zukunftsindustrien zurückholt, entwickelt und skaliert. Das bedeutet strategische Investitionen in die Standortvorteile von morgen – erneuerbare Energien und rasche Digitalisierung, modernste Batterietechnik und grüner Stahl oder die Ausbildung unserer Kinder. Wir wollen daher ab 2028 ein großes Investitionsprogramm für Innovation, Souveränität und Resilienz mit drei klaren Zielen schaffen. Erstens werde ich mich für eine echte Infrastrukturunion stark machen, die Europa sprichwörtlich verbindet: mit Wasserstoffnetzen und Glasfaserleitungen, mit Stromtrassen und Schienen. Zweitens setze ich mich überall in Europa für die Förderung des klimaneutralen Umbaus der Industrie genauso wie für den Aufbau der Industrien von morgen ein. Und drittens müssen wir Europäer unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaften widerstandsfähiger gegen und unabhängiger von Autokratien machen.