Ursula von der Leyen © EPP official Flickr

#PowerUpEurope: Interview mit Ursula von der Leyen

Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission und Spitzenkandidatin der CDU sowie der Europäischen Volkspartei für den Europawahlkampf. Im Interview mit dem BDI erläutert sie ihre Motivation, als Spitzenkandidatin bei der Europawahl anzutreten, nennt die größten Herausforderungen für europäische Unternehmen in den kommenden Jahren und ihre Prioritäten, wie sie Europa wieder zu einem attraktiven Ort zum Investieren und Wirtschaften machen will.

Was treibt Sie persönlich an, als Spitzendkandidatin bei der Europawahl anzutreten?

Die Welt hat sich grundlegend verändert, seit ich 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission geworden bin. In diesen fünf Jahren ist nicht nur meine Leidenschaft für Europa gewachsen – sondern auch meine Erfahrung, wie viel diese Union für ihre Menschen leisten kann. Denken Sie nur an die Pandemie. Wir haben mit Solidarität und großartiger medizinischer Leistung einen Kontinent mit 450 Millionen Menschen erfolgreich durch diese schwere Zeit geführt. Wir haben gemeinsam die größte Energiekrise seit 40 Jahren bewältigt und parallel unsere Energie-Unabhängigkeit wiedergewonnen. Und wir bieten gemeinsam der russischen Aggression und Putins Verachtung für alle demokratischen Werte die Stirn.

Gleichzeitig liegt noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen die Standortfaktoren in Europa deutlich verbessern, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Hier geht es um die Kernthemen wie ausreichende Fachkräfte, sichere und kostengünstige Energie sowie eine Reduzierung der Belastungen für unsere Wirtschaft. Es geht aber auch darum, Europas Sicherheit zu garantieren. Ich kämpfe dafür, dass Europa die Ukraine weiter entschlossen unterstützt. Gleichzeitig müssen wir unsere eigene Verteidigungsfähigkeit ausbauen. Und über allem steht das, was Europa seit dem ersten Tag ausmacht: Unsere Demokratie. Wir müssen sie schützen und stärken. Dafür will ich weiterarbeiten.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, denen sich europäische Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssen?

Europas Unternehmen sind Weltklasse. So viele unserer Betriebe sind auf den Weltmärkten zuhause. Und sie spüren schon länger, dass sich die Vorzeichen ändern. Der Wettbewerb wird schärfer. Wir alle spüren, dass sich unser geopolitisches Umfeld rapide und radikal ändert. Für mich ist dabei eines ganz klar: Egal wie groß die Herausforderungen sind, ob wir über Frieden, Freiheit und Demokratie, über Klimawandel oder über die Digitalisierung sprechen – als Gemeinschaft von 450 Millionen Menschen haben wir die besseren Antworten zu bieten. Denn diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen.

Um international weiterhin bestehen zu können, müssen wir hier in Europa einfacher, schneller und günstiger werden. Unsere Klimaziele stehen fest und sie sind richtig. Aber um diese Ziele zu erreichen, müssen wir mit Augenmaß vorgehen und in engem Schulterschluss mit den Unternehmen. Denn wir wissen, dass es keine wettbewerbsfähige Wirtschaft ohne Klimaschutz gibt. Aber es gibt eben auch keinen Klimaschutz ohne wettbewerbsfähige Unternehmen. Und wir wollen, dass europäische Unternehmen auch in Zukunft auf den Weltmärkten führen.

How to #PowerUpEurope: Wie möchten Sie Europa konkret wieder zu einem attraktiven Ort zum Investieren und Wirtschaften machen?

Damit unsere europäischen Unternehmen auch in der Zukunft so stark und international wettbewerbsfähig sind, müssen wir es ihnen leichter machen. Stichwort: Verbesserung der Standortfaktoren in Europa: Wir brauchen mehr Fachkräfte. Niedrigere Energiekosten. Mehr Digitalisierung. Und einen besseren Zugang zu Kapital. Eine besser integrierte Kapitalmarktunion könnte pro Jahr bis zu 470 Milliarden Euro mehr Investitionen generieren.

Ich glaube auch, wir müssen unseren Unternehmen weniger vorschreiben und mehr vertrauen. Das heißt weniger Bürokratie, einfachere Verfahren und schnellere Entscheidungen. Das Entrümpeln von EU-Vorschriften macht ja bereits erste Fortschritte. In den letzten zwei Jahren haben wir die Verwaltungskosten durch das „one-in-one-out“-Prinzip bereits um 13,6 Milliarden Euro gesenkt. Wir werden die Berichtspflichten für Unternehmen um 25% reduzieren. Die ersten Schritte sind mit Kosteneinsparungen in Höhe von 4 Milliarden Euro getan. Wir haben auch eine Reform des Zollkodex auf den Weg gebracht, die den Firmen, die auf dem Binnenmarkt tätig sind, weitere rund 2 Milliarden Euro Einsparungen bringt. Und das alles ist nur ein Anfang. Deutlich mehr muss folgen. Wir möchten einen Rahmen schaffen, in dem unsere Unternehmen sich auf ihre Stärken konzentrieren können – innovativ sein, wettbewerbsfähige Produkte und gute Arbeitsplätze schaffen. Das Thema Handel ist zentral. Es ist die Europäische Union, die den Unternehmen Zugang zum Weltmarkt eröffnet. Keine Region hat mehr Handelsabkommen in aller Welt als Europa. Wir sind global die erste Adresse für ausländische Direktinvestitionen. Wir wissen genau, wie wichtig Offenheit für unseren Erfolg ist. Deswegen arbeiten wir an neuen Handelsabkommen mit Südamerika und Asien.

Was jetzt zählt, ist ein klarer Kurs und Antworten, die für unsere Unternehmen im Alltag funktionieren. Diese Antworten liefern wir Christdemokraten – in Deutschland wie in Europa.