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Q&A nach der US-Wahl: Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen

Donald Trump ist neuer, alter Präsident der USA. Das Wahlergebnis ist ein Weckruf für Europa und Deutschland zum Handeln. Unternehmen sorgen sich u.a. vor neuen Zöllen. Worauf sollte sich die Wirtschaft gefasst machen? Wie gestalten wir die neue Epoche der transatlantischen Partnerschaft?

Was bedeutet das Ergebnis der US-Wahl für die deutsche und europäische Wirtschaft?

Das klare Ergebnis der US-Wahlen ist ein Weckruf für Deutschland und Europa: Wir müssen die vorhandenen Strategien zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigungsfähigkeit und für den Umgang mit China mit deutlich mehr Tempo weiterentwickeln.

Voraussichtlich wird Trump den in seiner ersten Amtszeit eingeschlagenen protektionistischen Kurs konsequent fortführen. Die deutsche Industrie ist besorgt über Trumps im Wahlkampf geäußerten Pläne für zahlreiche neue Zölle. Flächendeckende Zölle von zehn oder gar 20 Prozent auf alle Importe und von 60 Prozent auf Einfuhren aus China würden nicht nur Deutschland und der EU, sondern auch den USA deutlich schaden. 

In den USA herrscht inzwischen parteiübergreifend die Meinung vor, dass die Globalisierung für die Abwanderung von Industriearbeitsplätzen mitverantwortlich ist. Beide Parteien sind sich darüber einig, dass die USA die heimische Industrie stärken und Arbeitsplätze ins Land zurückholen muss. Trump wird diesen „America First“-Kurs fortsetzen. Die Förderung des eigenen Marktes hat oberste Priorität, ohne viel Rücksicht auf Verbündete wie die EU.

Auch das Thema wirtschaftliche Sicherheit steht in den USA parteiübergreifend ganz oben auf der Agenda – dies war bereits in den letzten Jahren der Fall und wird sich unter der Trump-Administration vielleicht noch verstärken. Die USA werden den harten Kurs gegenüber China mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Der Druck auf Deutschland und die EU wird steigen, Maßnahmen gegenüber China wie Exportkontrollen und Investitionsbeschränkungen mitzutragen.

Drohen unter Trump nun neue Zölle für deutsche Unternehmen?

Donald Trump hat im Wahlkampf viel über seine Pläne gesprochen, neue Zölle einzuführen. Zum einen hat er angekündigt, flächendeckende Zölle von zehn oder 20 Prozent auf alle Importe aus Drittländern einzuführen. Solche Zölle würden Unternehmen in einem exportorientierten, auf offene Märkte angewiesenem Land wie Deutschland extrem belasten. Zum anderen möchte Trump Zölle von 60 Prozent auf Einfuhren aus China verhängen. Wenn sich der US-Markt immer weiter verschließt, könnte dies zu Handelsumlenkungen chinesischer Produkte auf den europäischen Markt führen. Im Wahlkampf war zudem von „reziproken Zöllen“ die Rede. Hierbei würden die Zölle der USA auf das Zollniveau des jeweiligen Handelspartners angepasst werden.

Höhere Zölle schaden nicht nur Handelspartnern wie Deutschland oder der EU, sondern wirken sich auch negativ auf die US-Wirtschaft aus, indem sie beispielsweise die Inflation anheizen. Das IW Köln hat errechnet, dass Trumps angekündigte Zollerhöhungen die deutsche Wirtschaft zwischen 2025 und 2028 bis zu 180 Milliarden Euro kosten könnte. Das Peterson Institute for International Economics, ein unabhängiger Think-Tank, hat berechnet, dass Trumps Zollpläne einen typischen US-Haushalt mit mittlerem Einkommen mehr als 2.600 US-Dollar pro Jahr kosten würden. Für Haushalte mit geringeren Einkommen wären die Kosten noch höher.

Relativ schnell könnte Trump die derzeit nur ausgesetzten 232-Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU wieder einführen. Auch Zölle auf deutsche und europäische Autoexporte in die USA könnten wieder drohen. Während Trumps erster Amtszeit war eine Untersuchung zu Automobilimporten auf Basis von Section 232 des Trade Expansion Act von 1962 abgeschlossen worden. Zölle wurden damals nicht eingeführt.

Auch Zölle auf chinesische Importe können von Trump weiter erhöht werden. So könnten wahrscheinlich die schon bestehenden Maßnahmen auf Basis von Section 301 des Trade Act von 1974 ausgeweitet werden. Diese wurden während Trumps erster Amtszeit eingeführt und unter Präsident Biden fortgeführt und erweitert. Aber auch eine neue Untersuchung wäre möglich – diese würde allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor neue Zölle verhängt werden können.

Rechtlich schwieriger dürfte es allerdings sein, wirklich flächendeckend Zölle auf alle Importe aller Handelspartner zu verhängen. Hier müsste die neue Trump-Administration kreativ sein, um eine rechtliche Grundlage zu finden – die Möglichkeit sollte aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Im Zweifel könnten sich am Ende die Gerichte damit auseinandersetzen.

Was sind Trumps Pläne für den Inflation Reduction Act und welche Auswirkungen hätte dies für die deutsche Industrie?

Trump plant, fossile Energien zu fördern und im Nachhaltigkeitsbereich zu deregulieren. In den ersten 100 Tagen seiner zweiten Präsidentschaft wird Trump wahrscheinlich erneut den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigen.

Trump kritisiert den Inflation Reduction Act (IRA), da er fossile Energien gegenüber erneuerbaren Energien und sauberen Technologien klar priorisiert. Trotzdem ist eher nicht zu erwarten, dass der IRA komplett zurückgenommen wird. Signifikante Änderungen am IRA selbst kann nur der US-Kongress vornehmen. Ein großer Teil der privaten Investitionen im Zusammenhang mit dem IRA wurden bisher in republikanischen Wahlkreisen getätigt, die ein Interesse daran haben dürften, dass die Förderungen weiterhin bestehen.

Wahrscheinlicher ist eine gezielte Rücknahme einzelner Teile des IRA. Die künftige Trump-Administration könnte zudem versuchen, die Regeln zur Implementierung des IRA abzuändern, um noch stärker als bisher dafür zu sorgen, dass die Förderungen nur US-Unternehmen zugutekommen. Dies wäre zum Nachteil für deutsche und europäische Unternehmen! Darüber hinaus könnten Bedingungen an die IRA-Steuergutschriften geknüpft werden, die so schwer zu erfüllen sind, dass nur wenige Gutschriften ausgezahlt würden.

Welche verteidigungspolitischen Implikationen hat das Wahlergebnis? 

Die USA sind ein essenzieller Baustein in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands und Europas. Die Drohung Trumps, die Beistandspflicht in der NATO infrage zu stellen und sie an die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten zu knüpfen, erschüttert die Grundfesten dieser Architektur. Sie untergräbt die Glaubwürdigkeit der NATO – bereits ohne Austritt der USA. Zudem sind unter der künftigen Trump-Administration sowohl die weitere Unterstützung der Ukraine als auch Taiwans ungewiss.   

Ein NATO-Austritt der USA würde somit die Sicherheit der westlichen Welt massiv gefährden. Um einer Schwächung der NATO und der Sicherheit in Europa entgegenzuwirken, müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten ihre militärischen Fähigkeiten stärker ausbauen und endlich die dafür nötigen Investitionen im Verteidigungssektor tätigen. Eine Erhöhung der industriellen Kapazitäten ist zentral, um den aktuellen und künftigen Bedarf an Ausrüstung und Munition für die Bundeswehr, NATO-Partner und der Ukraine Rechnung tragen zu können. Mittelfristig bedeutet das nicht nur zwei, sondern eher plus drei Prozent des BIP für das Verteidigungsbudget auszugeben. 

Was bedeutet die Wahl Trumps für den Umgang der deutschen Industrie mit China? 

Inzwischen ist die nationale Sicherheit die Grundlage für wirtschaftspolitisches Handeln der USA. Dies wird auch in Zukunft so bleiben. Schon seit Jahren räumen die USA der „Economic Security“ einen deutlich höheren Stellenwert gegenüber der Handelspolitik ein, während wir Europäer noch um ein einheitliches Verständnis von „Economic Security“ ringen.    

Mit dem Fokus auf nationale Sicherheit geht einher, dass die USA auch weiterhin hart gegenüber Chinas unfairen Handelspraktiken auftreten werden. Joe Biden hat die unter Trump eingeführten Zölle auf chinesische Importe beibehalten und in Teilen sogar erhöht. Weitere Verschärfungen der US-Exportkontrollen im Hochtechnologiebereich gegenüber China sind unter der künftigen Trump-Administration durchaus denkbar. Anfang 2025 treten in den USA neue Regeln für Beschränkungen bei Auslandsinvestitionen (outbound investment screening) in kritische Technologien in Kraft, sofern die Trump-Administration die Regeln der Biden-Administration nicht zurücknimmt (und ggf. eigene Regeln erlässt) oder der Kongress aktiv wird. In jedem Fall wird der Druck auf die Europäer weiter steigen, Maßnahmen gegenüber China mitzutragen. Dies wird auch deutsche Unternehmen vor Herausforderungen stellen. 

Wie bereitet sich die deutsche Industrie auf die Regierungsübernahme von Trump vor?  

Flexibilität ist der Schlüssel, um Gespräche mit der Trump-Administration aufrecht zu erhalten. Der künftige US-Präsident wäre möglicherweise eher bereit dazu, ein Format wie den EU-US Trade and Technology Council (TTC) unter einem neuen Namen und mit eigenem „Branding“ weiterzuführen. Die Zusammenarbeit könnte aber schnell durch Zollvorhaben erheblich erschwert werden. Die deutsche Industrie ist im engen Austausch mit der Politik in Berlin und Brüssel und steht bereit, um sich bei möglichen Gegenmaßnahmen auf US-Zölle, aber auch in Bezug auf Angebote an die USA eng abzustimmen.  

Im Sommer 2021 hat der BDI gemeinsam mit drei weiteren Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – der DIHK, dem BGA und dem BdB – die Transatlantic Business Initiative (TBI) gegründet. Die TBI setzt sich für die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland, den USA und Kanada ein. Sie ist Ansprechpartnerin für wirtschaftspolitische Fragen, insbesondere für die Bundesregierung, die Regierungen der USA und Kanadas sowie für die EU-Institutionen. Mit der TBI waren wir in den vergangenen Jahren regelmäßig in Washington, D.C. und haben dort zahlreiche Gespräche geführt – auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Republikaner. Darüber hinaus ist der BDI bereits seit über 30 Jahren mit einem gemeinsamen Verbindungsbüro von BDI und DIHK, dem Representative of German Industry and Trade (RGIT), präsent. An diese Verbindungen und Kontakte werden wir nun anknüpfen.  

Was sind mögliche Maßnahmen der EU mit Blick auf Trumps Wirtschafts- und Handelspläne?

Die EU-Kommission verfügt über verschiedene Optionen, um auf neue US-Zölle auf Waren aus der EU reagieren. Sie könnte, falls notwendig, Gegenmaßnahmen einleiten. Welche Möglichkeiten die EU im Detail hat, hinge von den genauen US-Maßnahmen und deren rechtlicher Grundlage ab. Für eine wirksame Reaktion der EU braucht es allerdings eine hohe Geschlossenheit der Mitgliedstaaten.

Zölle sollten – wenn irgend möglich – dringend vermieden werden. Daher muss sich die EU flexibel und offen für ausgewogene Kompromisse zeigen. Sie sollte den USA Angebote und Vorschläge machen, wie stattdessen die Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen vertieft werden kann. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Vereinbarungen und Abkommen mit Trump möglich sind.

Großes Potenzial für eine vertiefte Zusammenarbeit gibt es etwa bei Regulierungsfragen, technischen Standards und der Stärkung der Resilienz von Lieferketten. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, wenn sich die EU und die USA bei Maßnahmen wie Exportkontrollen und Investitionsprüfungen eng abstimmen. Sie sollten sicherstellen, dass ein level playing field für europäische und US-Unternehmen herrscht, dass die Maßnahmen effizient sind und dass sie Unternehmen gleichzeitig nicht mehr als nötig belasten.  Auch wenn durch den künftigen US-Präsidenten ein anderer Eindruck erweckt wird: Auch die US-Wirtschaft profitiert von reibungslosen Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der EU. 

Ein weiteres Kooperationsfeld ist die wirtschaftliche Sicherheit, die in den USA traditionell eine sehr große Rolle einnimmt. Unter der künftigen Trump-Administration könnte die Bedeutung der wirtschaftlichen Sicherheit weiter steigen. Die EU und die USA sollten sich bei Maßnahmen wie Exportkontrollen und Investitionsprüfungen eng abstimmen. Voraussetzung für eine enge Zusammenarbeit mit den USA ist aber, dass in Deutschland und Europa ein einheitliches Verständnis von wirtschaftlicher Sicherheit und ihrer geopolitischen Bedeutung herrscht. In den USA wird diese Debatte bereits seit Jahren geführt. Europa muss hier dringen aufholen.

Was braucht es jetzt, um die transatlantische Wirtschaft zu stärken? 

Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen sind und bleiben von enormer Bedeutung. Die USA waren im ersten Halbjahr 2024 Deutschlands wichtigster Handelspartner. Sie sind das neunte Jahr in Folge der größte Abnehmer deutscher Produkte mit Pharmazeutika, Maschinen und Autos an der Spitze. Mit ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 658 Milliarden US-Dollar ist Deutschland inzwischen der drittgrößte ausländische Investor in den USA. Neue gegenseitige Zölle würden beiden Seiten enorm schaden und sollten unbedingt vermieden werden. Denn auch die USA profitieren enorm von den Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland. Deutsche Unternehmen beschäftigen in den USA mehr als 900.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.  

Die Zukunft des 2021 gegründeten EU-US-Handels- und Technologierats, TTC, ist derzeit unklar. Auch wenn der TTC hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurückblieb, war er in den vergangenen Jahren das wichtigste Forum für die transatlantische Wirtschaftszusammenarbeit. Daher sollte die EU-Kommission der Trump-Administration in jedem Fall vorschlagen, den TTC weiterzuführen oder ein ähnliches Forum einzurichten. Gleichzeitig wären aber einige Verbesserungen wünschenswert, zum Beispiel eine bessere Einbindung von Stakeholdern. Darüber hinaus sollten die EU und die USA sich auf Schwerpunktthemen einigen und diese mit Nachdruck verfolgen.