Q&A zur US-Wahl: Was für die deutsche Wirtschaft auf dem Spiel steht
Was erwartet die deutsche Industrie von einer neuen US-Regierung?
Die deutsche Industrie erwartet, dass die USA, Deutschland und Europa wirtschaftlich wieder enger zusammenarbeiten. Kooperation und Dialog sind angesichts der geopolitischen Spannungen und der zunehmenden Kritik an Globalisierung und freiem Handel entscheidend. Davon würden beide Seiten des Atlantiks profitieren. Noch gibt es zu viele wirtschaftliche Hürden. Konkretes Potenzial für eine intensivere Kooperation sehen wir etwa bei Vereinbarungen zur regulatorischen Zusammenarbeit und technischen Standards. Transatlantische Handelskonflikte sollten gelöst werden. Dazu zählt insbesondere, die unter US-Präsident Trump eingeführten Zölle abzubauen. Zudem sollten die Verhandlungen über kritische Mineralien abgeschlossen werden.
Auf was stellt sich die deutsche Wirtschaft ein bei einem Szenario Trump 2.0?
Die deutsche Industrie fürchtet, dass ein neuer alter US-Präsident Trump die regelbasierte Weltordnung weiter schwächen könnte, sowohl mit Blick auf die internationale Sicherheitsarchitektur als auch auf die Welthandelsordnung. Eine zweite Amtszeit würde viele der früheren Konflikte verschärfen und neue Konflikte verursachen. Das Beispiel Zölle: Trumps aktuelle Zollpläne mit pauschalen Zöllen von 10 oder 20 Prozent auf jegliche Importe würden sowohl den Amerikanern als auch den Europäern massiv schaden. Es könnte eine Spirale von Gegenmaßnahmen in Gang setzen und damit der globalen Wirtschaft ernsthaften Schaden zufügen. Das IW Köln hat errechnet, dass ein Handelskonflikt unter Trump Deutschland bis zu 180 Milliarden Euro kosten könnte. Die Drohung, die NATO zu verlassen, destabilisiert die Sicherheitsarchitektur der EU und der gesamten westlichen Welt.
Mit was müsste die deutsche Wirtschaft unter einer US-Präsidentin Harris rechnen?
Die deutsche Industrie erwartet bei einer Wahl von Kamela Harris zur US-Präsidentin in vielen Feldern Kontinuität zur Biden-Administration. Sie würde sicher viele Initiativen des demokratischen US-Präsidenten Biden fortführen. Dazu zählt beispielsweise auch die weitere Implementierung des milliardenschweren Investitionsprogramms Inflation Reducation Act (IRA). In der Klimapolitik könnte sich Harris sogar noch ambitionierter zeigen als Biden. Trumps Zollpläne kritisiert Harris stark und bezeichnet sie als Verkaufssteuer für US-Konsumenten. Vermutlich würde ihre Administration den handelspolitischen Kurs der Biden-Administration weitgehend fortführen. Das heißt: Der US-Arbeitnehmer steht im Zentrum und die Handelspolitik wird u.a. als Instrument gesehen, den Klimaschutz voranzutreiben.
Die Verhandlung neuer Freihandelsabkommen mit der EU oder anderen Partnern ist in beiden Szenarien unwahrscheinlich. Ein liberaler Handel, wie ihn die USA über Jahrzehnte etwa im Rahmen der WTO gepflegt haben, wird zunehmend in beiden großen Parteien kritisch gesehen.
Warum ist die US-Wahl so wichtig für uns?
Die USA sind unser wichtigster Partner für Wirtschaft und Politik außerhalb der EU. Die Fakten liegen auf der Hand: So sind die USA seit 2015 wichtigster Absatzmarkt für deutsche Warenexporte. 2023 betrug der Wert deutscher Warenexporte in die USA 158 Milliarden Euro. Das sind 9,9 Prozent der Gesamtexporte Deutschlands - und es ist der höchste Anteil der vergangenen 20 Jahre. Daneben zählen US-amerikanische Unternehmen zu den größten Investoren und Arbeitgebern in Europa. Trotz aller Spannungen, etwa mit Blick auf die immer noch bestehenden Stahl- und Aluminiumzölle, bleibt der US-Markt ür die deutsche Industrie äußerst attraktiv.
Auch die USA profitieren von der engen transatlantischen Verflechtung. Deutsche Unternehmen schaffen rund 900.000 Jobs in den USA. Mit Direktinvestitionsbeständen in Höhe von insgesamt 658 Milliarden US-Dollar ist Deutschland inzwischen der drittgrößte ausländische Investor in den USA.
Wo steht die transatlantische Partnerschaft vor der US-Wahl?
Unabhängig von der Partei des US-Präsidenten hat die Stärkung der heimischen, US-amerikanischen Industrie die transatlantischen Beziehungen in den letzten Jahren in ungekannter Weise herausgefordert. Die USA werden den Kurs gegen China zunehmend konfrontativ ausgestalten. Auch der Druck auf Handelspartner, Maßnahmen gegen China wie Exportkontrollen und Investitionsentscheidungen mitzutragen wird steigen. Neue Lokalisierungsanforderungen, die Einführung von hohen Zöllen und die Schwächung der Welthandelsordnung drohen zusätzlich. Diese Maßnahmen würden beiden Seiten des Atlantiks massiv schaden. Die Folge wäre eine Spirale von Gegenmaßnahmen, mit Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Die Entwicklungen müssen ein Weckruf für Deutschland und Europa sein, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, den Standort zu stärken und als EU geschlossen aufzutreten.
Was können Deutschland und Europa von den USA lernen?
Zwar sieht die deutsche Industrie die Buy American- und Local-Content-Anforderungen in einigen Bereichen des Inflation Reduction Act (IRA) kritisch. Doch grundsätzlich hat die Biden-Administration mit dem IRA ein Klimainvestitionsprogramm aufgelegt, das in beispielhafter Weise klima-, handels- und industriepolitische Aspekte unbürokratisch, konsistent und zukunftsorientiert zusammenführt. Der IRA beweist beispielhaft, wie die industrielle Wertschöpfungsketten in großer Dimension klimafreundlich transformiert werden können.
In ihre Infrastruktur investieren die USA mit dem „Bipartisan Infrastructure Law“ der Biden-Administration massiv. Deutschland hinkt hier deutlich hinterher und muss erheblich mehr investieren. Die Kehrseite der großen Ausgabenprogramme in den USA ist die hohe Staatsverschuldung, die das Land dringend in den Griff bekommen sollte.
Was bedeutet das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China für Europa?
Mit dem Fokus auf nationale Sicherheit geht einher, dass die USA auch weiterhin hart gegenüber Chinas unfairen Handelspraktiken auftreten werden. Joe Biden hat die unter Trump eingeführten Zölle auf chinesische Importe beibehalten und in Teilen sogar erhöht. Weitere Verschärfungen der US-Exportkontrollen im Hochtechnologiebereich gegenüber China sind durchaus denkbar. Anfang 2025 treten in den USA neue Regeln für Beschränkungen bei Auslandsinvestitionen (outbound investment screening) in kritische Technologien in Kraft. Der Druck auf die Europäer wird weiter steigen, die Maßnahmen gegenüber China mitzutragen.
Deutschland und die EU müssen im Hinblick auf ihre Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, die grüne Transformation, die nationale Sicherheit und Verteidigung zügig und entschlossen handeln. Die US-Wahlen sind ein weiterer Weckruf für Deutschland und Europa, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, den Standort zu stärken und als EU geschlossen aufzutreten. Wir müssen einen europäischen Weg finden, um kritische Technologien zu fördern und zu schützen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass diese Technologien nicht durch ausländische Produktion unseren Exportkontrollen entgehen.
Wie kann Deutschland die Beziehungen mit den USA resilienter gestalten?
Mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit würde sowohl den USA als auch Deutschland und der EU nützen. Deutschland und die EU sollten jede Möglichkeit nutzen, um eng zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel im Rahmen des EU-US Trade and Technology Council (TTC) etwa bei Vereinbarungen zur regulatorischen Zusammenarbeit und technischen Standards, zur langfristigen Lösung der transatlantischen Handelskonflikte und für den Abschluss der Verhandlungen über kritische Mineralien.
Konstruktive Visionen für die transatlantische Partnerschaft im persönlichen Austausch auf verschiedenen Arbeitsebenen schaffen. Damit trägt die Transatlantic Business Initiative (TBI) zur Resilienz der transatlantischen Beziehungen bei. Sie bringt seit 2021 regelmäßig Wirtschafts- und Politikvertreter in Berlin, Brüssel, Washington und Ottawa zusammen. Die TBI vermittelt zwischen Perspektiven auf Gesetzgebungsverfahren, Handelsstreitigkeiten und weist im persönlichen Gespräch auf ungenutzte Potenziale hin.