Rohstoffabbau in Konfliktregionen
Was sind Konfliktrohstoffe?
In vielen Produkten unseres täglichen Lebens, zum Beispiel in Mobiltelefonen oder Computern, stecken seltene Rohstoffe wie Wolfram, Zinn, Coltan oder Gold. Diese Rohstoffe werden unter anderem im Osten der DR Kongo gefördert. Die Region wird, aufgrund andauernder Konflikte zwischen bewaffneten Gruppen, bei denen es auch regelmäßig zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kommt, auch als „Konfliktregion“ bezeichnet. Vor allem im Osten des Landes eskalieren die Auseinandersetzungen. Dabei finanzieren sich die Konfliktparteien auch über die Rohstoffe – indem sie direkt damit handeln oder indem sie Rohstoffhändler durch illegale Steuern zur Kasse bitten.
Wie kann man verhindern, dass solche Konfliktrohstoffe in Umlauf kommen?
Es gibt verschiedene Wege und über den besten lässt sich streiten. Die USA haben ein Gesetz erlassen, den Dodd-Frank Act. Unternehmen, die an den amerikanischen Börsen notiert sind, müssen danach Auskunft über die Herkunft des Wolframs, Zinns, Coltans und Golds geben, das in ihren Produkten enthalten ist. Warum? Weil diese als „Konfliktrohstoffe“ eingestuften Erze eben theoretisch auch aus der DR Kongo stammen können – oder aus einem ihrer neun Nachbarländer. Ist das der Fall, muss das US-Unternehmen nachweisen, dass ihr Erlös dort nicht zur Finanzierung bewaffneter Gruppen beigetragen hat.
Ist eine solche Nachweispflicht praktikabel?
Sie ist zumindest problematisch. In der Produktion von Elektronikgeräten etwa werden Hunderte von Komponenten eingesetzt. Es ist praktisch unmöglich, eine saubere Herkunft all dieser einzelnen Rohstoffe über die komplette Lieferkette hinweg nachzuweisen. Zumal die Rohstoffe bereits sieben bis 12 einzelne Wertschöpfungsstufen durchlaufen haben, bevor sie überhaupt beim Endproduzenten ankommen. Der Einfluss dieser Unternehmen auf die Rohstoffproduzenten und die Abbaubedingungen ist also ausgesprochen begrenzt. Hinzu kommt, dass die Erze vor Ort in der Regel nicht von großen Konzernen abgebaut werden. Diese hätten Strukturen und internationale Verflechtungen, die es den Abnehmern der Rohstoffe erlauben würden, Druck auszuüben, um die Bedingungen zu verbessern. In der DR Kongo aber werden die Erze von ca. 500.000 „selbstständigen“ Minenarbeitern in Tausenden einzelner Abbaustellen gefördert, die unmöglich alle überwacht werden können. Aber nur diese Rund-um-die-Uhr-Überwachung würde garantieren, dass die Rohstoffe tatsächlich konfliktfrei abgebaut und gehandelt werden.
Letztlich entsteht durch ein solch striktes Gesetz also lediglich eine Scheintransparenz. Eine hundertprozentige Sicherheit, dass alle Rohstoffe wirklich konfliktfrei hergestellt wurden, hat man dennoch nicht. Und für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland ist es praktisch unmöglich, den Anforderungen dieses Gesetzes gerecht zu werden. Pauschale Gesetze wie der amerikanische Dodd-Frank Act haben außerdem schädliche Nebenwirkungen für die betroffenen Länder.
Welche Nebenwirkungen sind das?
Noch mal das Beispiel Kongo: Weil die geforderten Nachweise zur Konfliktfreiheit unmöglich zu erbringen sind, meiden inzwischen viele Unternehmen den Import von Rohstoffen aus diesem Land. Ein genereller Boykott führt aber dazu, dass auch jene Rohstoffproduzenten im Kongo bestraft werden, die verantwortungsvoll arbeiten. Sie werden ihre Ware nicht los, auch wenn diese sauber ist. Letztlich destabilisiert das ein ganzes Land. Im Kongo arbeiten viele Tausend ehemalige Soldaten in den Minen. Wenn die ihre Arbeit verlieren, ist niemandem geholfen. Im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bürgerkrieg wieder aufflammt, wird größer. Irgendwie müssen die Menschen ja ihre Familien ernähren – und sei es eben als Söldner. Dass das wieder passiert, müssen wir verhindern. Die Region braucht jetzt Stabilität – und die kommt nur durch wirtschaftliche Entwicklung zustande. Eine Studie des Öko-Instituts kommt im Übrigen zu dem Ergebnis, dass der Konflikt im Kongo weit komplizierter ist und ein Eindämmen des Handels mit Konfliktrohstoffen allein nicht ausreicht, um das Land zu befrieden.
Welche anderen Lösungsansätze gibt es?
Wir müssen am Anfang der Lieferkette ansetzen, nicht am Ende. Also statt die Rohstoff-Abnehmer in den Industrieländern zu zwingen, fragwürdige Nachweise über die Herkunft beizubringen, sollten wir uns in den Herkunftsländern engagieren. Dort gilt es, den verantwortungsvollen Rohstoffabbau zu stärken und zunächst das Angebot an zertifizierten Rohstoffen schrittweise zu erhöhen. Die Nachfrage nach „konfliktfreien“ Rohstoffen ist hoch und wird durch Industrie-Initiativen wie die Conflict-Free-Sourcing-Initiative und viele andere weiter gestärkt. Weil es aber in den betroffenen Herkunftsländern bisher nur sehr wenig zertifizierte Rohstoffe gibt, kommen diese Länder oft nicht mehr als Bezugsquellen infrage.
Was muss die Politik tun?
Sie muss zum Beispiel im Kongo verlässliche Strukturen schaffen. Erst wenn man tatsächlich sagen kann, aus welcher Mine welcher Rohstoff stammt, für die allgemeine Sicherheit und die notwendige Infrastruktur sorgt, ist die Voraussetzung für ein Monitoring der lokalen Minen und Handelswege gegeben. Vom Schreibtisch in den USA oder Europa aus kann man jedenfalls nicht nachvollziehen, wer am Rohstoffabbau und -handel beteiligt war und ob etwa mit illegalen Zöllen bewaffnete Gruppen finanziert wurden. Das zu prüfen und geltendes Recht durchzusetzen, muss Aufgabe der Staaten bleiben und kann nicht auf die Privatwirtschaft abgewälzt werden.
Was macht die Industrie?
Nachhaltigkeit und Transparenz haben einen hohen Stellenwert für uns, auch in der Rohstoffpolitik. Die Industrie arbeitet mit verschiedenen Initiativen wie der „Better Coal“ oder der „Aluminium Stewardship Initiative“ daran, den verantwortungsvollen und nachhaltigen Rohstoffbezug zu fördern. Gleichzeitig existiert eine ganze Reihe von Initiativen, die sich ganz konkret mit dem Bezug konfliktfreier Rohstoffe auseinandersetzen, zum Beispiel die RMI-Initiative, die „Responsible Gold“- vom World Gold Council oder die „Responsible Jewelry“-Initiative.