BDI-Präsident Siegfried Russwurm beim Rohstoffkongress © BDI/Christian Kruppa

Rohstoffkongress: Mehr Rohstoffsouveränität wagen – wie wird unsere Versorgung resilienter?

Beim Rohstoffkongress forderte BDI-Präsident Siegfried Russwurm, dass Deutschland endlich mehr in seine Rohstoffsicherheit investiert. Rohstoffe sind für die Zukunft Deutschlands als Industrieland und für unsere nationale Sicherheit unverzichtbar. Die Politik muss die heimische Förderung und Verarbeitung unterstützen, bestehende und neue Rohstoffkooperationen stärken sowie die Kreislaufwirtschaft ausbauen. Die Bedeutung von Rohstoffen muss in dem Köpfen von Politik und Gesellschaft ankommen.

Mehr Rohstoffsouveränität wagen

"Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Brantner, Exzellenzen, sehr geehrte Abgeordnete des deutschen und europäischen Parlaments, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herzlich willkommen zum 8. BDI-Rohstoffkongress! Ich freue mich sehr, so viele von Ihnen heute hier begrüßen zu dürfen – in einer für den BDI neuen Location, der Heeresbäckerei. Herzlichen Dank, dass wir heute hier zu Gast sein dürfen!

Es ist wichtig, dass wir heute zu einem solch internationalen Thema auch internationale Partner und Gäste dabeihaben. Auch wenn wir zum Teil ökonomische Wettbewerber sind. Das Ziel einer sicheren und nachhaltigen Rohstoffversorgung ist und bleibt ein Thema internationaler Zusammenarbeit – auch und gerade in Zeiten, in denen zunehmende geopolitische Polarisierung aus theoretischen Risiken tatsächliche werden lässt. Deshalb ein besonderes Willkommen auch an Sie!

Meine Damen und Herren, seit letztem Mittwoch hat sich die schwierige wirtschaftliche und politische Lage in Deutschland nochmal zugespitzt:
Während einerseits Stabilität, Planungssicherheit und entschiedenes Handeln im wortwörtlichen Sinne notwendig ist, hat die amtierende Bundesregierung keine parlamentarische Mehrheit mehr. Und weil es auch zu den Rohstoffthemen eine ganze Reihe notwendiger politischer Entscheidungen braucht, will ich auch an den Anfang dieses Kongresses unser klares Statement stellen: Deutschland braucht so schnell wie möglich wieder eine neue, handlungsfähige Regierung mit eigener parlamentarischer Mehrheit.

Unabhängig von den jüngsten Ereignissen hat sich in den letzten Monaten eine Erkenntnis durchgesetzt: Deutschland muss wieder wettbewerbsfähiger werden und braucht eine entschlossene Wachstumsagenda. In diesen Kontext fügt sich unser diesjähriges Thema des Rohstoffkongresses nahtlos ein: „Mehr Rohstoffsouveränität wagen“. Ein Motto, das aktueller und dringlicher nicht sein könnte, denn unsere Versorgungssicherheit – so deutlich müssen wir es sagen – ist mehr gefährdet als je zuvor.

Unsere Abhängigkeiten sind nicht geringer geworden – im Gegenteil. Im Wettbewerb der Systeme nutzen autokratische Regime ihre Monopolstellung bei einzelnen Rohstoffen immer häufiger, um aus geopolitischem Kalkül in das Marktgeschehen einzugreifen. Deutsche Unternehmen, in der Marktwirtschaft und im Multilateralismus fest verankert, haben es mit staatlichen Wettbewerbern zu tun, die nach eigenen Regeln handeln. In diesem Umfeld funktionieren rein privatwirtschaftliche Lösungen nicht.

Nicht erst durch die US-Präsidentschaftswahl wird immer deutlicher, dass Europa mehr Souveränität benötigt – und ich betone immer wieder: Das bedeutet eben keine Autarkie, sondern die Fähigkeit, selbstbestimmt und resilient zu agieren.

Klar ist: Der Wohlstand unserer Industrienation hängt entscheidend davon ab, wie erfolgreich wir die doppelte Herausforderung von Dekarbonisierung und Digitalisierung bewältigen. Rohstoffe sind dafür nicht der einzige Schlüsselfaktor, aber ein mitentscheidender, egal ob es um Mikroelektronik, e-Mobilität, Solar- und Windkraftwerke oder eine ausreichende Wasserstoffversorgung geht.

Das Handeln der Politik: too little, too late

Meine Damen und Herren, vor zwei Jahren, beim letzten Rohstoffkongress, machten wir uns große Sorgen um unsere Energieversorgung. Russland stoppte seine Energieexporte in den Westen und wir erlebten eine tiefe Energiekrise. Kurzfristig haben wir diese Krise gemeistert, Politik und Wirtschaft gemeinsam. Strukturell bleibt vieles zu tun.

Die Befürchtung, dass uns ähnliches auch bei kritischen mineralischen Rohstoffen drohen könnte, stand und steht im Raum.

Damals erklärte die Politik, dass sie Maßnahmen ergreifen würde, um die Rohstoffsouveränität zu stärken. Was ist seitdem passiert?

Es ist ein positives Signal, dass das BMWK ein Eckpunktepapier zur Rohstoffversorgung vorgelegt hat. Gut ist auch, dass die EU den Critical Raw Materials Act (CRMA) verabschiedet hat.

Doch wenn wir bis 2030 die Ziele des CRMA erreichen wollen, müssen in Europa mindestens 10 neue Minen, 15 Weiterverarbeitungs- und 15 große Recyclinganlagen entstehen. Das ist sehr ambitioniert. Wenn das Wirklichkeit werden soll, braucht es schnell entschiedenes und konkretes Handeln – und nochmal: durch eine handlungsfähige Regierung.

Leider hat die dafür notwendige und angekündigte Modernisierung des Bundesberggesetzes noch nicht stattgefunden. Dabei hätte die Novelle ein Booster für die nationale Umsetzung des CRMA werden können. Nun geht erst einmal wieder aufgrund der politischen Lage Zeit verloren – und es ist heute müßig darüber zu spekulieren, wie viele Monate es dauert, bis es dafür wieder eine stabile parlamentarische Mehrheit gibt.

Auch die geplante eine Milliarde für den Rohstofffonds ist ein guter Anfang. Doch wir wissen, dass weltweit pro Jahr zusätzliche 25 Milliarden US-Dollar erforderlich sind, um den prognostizierten Bedarf an kritischen Rohstoffen zu decken.

Positiv ist, dass die Bundesregierung den Dialog mit Partnern wie Kasachstan und Serbien über strategische Rohstoffpartnerschaften aufgenommen hat. Über die Teilnahme von Delegierten beider Länder heute an unserem Kongress freue ich mich sehr. Aber messbare Erfolge zur Erhöhung der Versorgungssicherheit, unterschriebene Verträge stehen noch aus.

Tatsache ist, die einseitigen Importabhängigkeiten Deutschlands bei mineralischen Rohstoffen sind teilweise gefährlich hoch und in den letzten zwei Jahren sogar gestiegen!

Wie anfällig wir als Land und als Industrie weiterhin für Exportstopps sind, zeigt eine gemeinsame Studie von Roland Berger und BDI. Sollte es zum Beispiel zu einem sofortigen Stopp chinesischer Lithiumexporte nach Europa kommen, sind in Deutschland bis zu 115 Milliarden Euro an Wertschöpfung bedroht.

Um das einzuordnen: Das sind 15 Prozent der Wertschöpfung im gesamten verarbeitenden Gewerbe in Deutschland! Die Politik muss alles tun, ein solches Worst-Case-Szenario zu verhindern. Deutschland muss endlich mehr in seine Rohstoffsicherheit investieren.

Die Gefahren und Risiken sind offenkundig. Aber das Reaktionstempo ist viel zu gering. Too little, too late: Wir handeln viel zu langsam, zu zögerlich - ganz im Gegensatz zu globalen Wettbewerbern wie China. Während wir reden, gräbt und verarbeitet die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde immer weiter, sichert sich weltweit Rohstoffe, investiert und steht auch beim Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft bereits in den Startlöchern. Und auch die USA setzen immer stärker auf heimische Förderung, Weiterverarbeitung und Recycling von Rohstoffen. Um es zuzuspitzen: Deutschland und Europa fallen im globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zunehmend zurück. Diesen Trend müssen wir umkehren.

Dafür brauchen wir größere Souveränität und eine starke wirtschaftliche Basis, um das Gap zu den internationalen Konkurrenten nicht immer größer werden zu lassen.

Es braucht vor allem einen europäischen Ansatz mit einem endlich wieder gestaltenden Antreiber Deutschland. Europa kann nur eigenes Gewicht wahren und zurückgewinnen, wenn es seine Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Eine sichere Rohstoffversorgung ist dafür ein wichtiger Bestandteil.

Rohstoffsouveränität und Wettbewerbsfähigkeit

Denn, meine Damen und Herren, Rohstoffe sind unverzichtbar für die Zukunft des Industrielandes. Ohne Rohstoffe keine Batterien, keine Halbleiter, keine Windkraftanlagen und auch keine nationale Sicherheit. Daher ist es besorgniserregend, wie stark Europa in den letzten 20 Jahren aus der Rohstoffproduktion ausgestiegen ist und sich in die Abhängigkeit von Dritten begeben hat.

Wo wir einst bedeutende Anteile an der weltweiten Produktion beispielsweise von Aluminium oder Kupfer hatten, sind diese heute dramatisch gesunken.

Auf den Punkt gebracht: Wir dürfen nicht immer nur aus bestimmten Industrien aussteigen. Wir müssen auch wieder einsteigen und zum Beispiel in die heimische Rohstoffproduktion und -weiterverarbeitung investieren.

Eine positive Nachricht ist die kürzliche Eröffnung der Lithium-Raffinerie in Bitterfeld, die erste ihrer Art in ganz Europa. Über die konkreten Pläne für eine zweite Anlage wird heute auf dem Kongress noch berichtet werden. Aber wir brauchen viel mehr solcher Initiativen, Investitionen und Erfolge. Und zwar schnell.

Damit das gelingt, muss die Politik einige Grundsatzentscheidungen treffen. Um den Standort nachhaltig zu stärken, müssen die Energie- und Stromkosten massiv sinken. Der Draghi-Report und unsere Transformationspfade-Studie haben es eindrücklich gezeigt. Die Stromkosten in Europa sind zwei- bis dreimal so hoch wie in den USA. Für die Rohstoffindustrien mit ihren energieintensiven Prozessen ist das ein k.o.-Kriterium.

Und ein zweiter Punkt ist wichtig: Die Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden. Das „Deutschlandtempo für die Flüssiggasterminals“ brauchen wir auch für die Revitalisierung der heimischen Rohstoffindustrie. Nur dann schaffen wir es, die zusätzlichen Minen, Weiterverarbeitungs- und Recyclinganlagen bis 2030 aufzubauen. Und sicherere Rohstoffquellen als solche im eigenen Land gibt es nun mal nicht.

Und schließlich braucht es auch klare Signale der politischen Unterstützung für die Rohstoffindustrie in Deutschland. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass Rohstoffe ein Schlüssel sind, um unsere ehrgeizigen Ziele bei Energiewende, Klimaschutz und Digitalisierung zu erreichen. Mehr Rohstoffsouveränität erreichen wir nur, wenn die Bedeutung von Rohstoffen in den Köpfen von Politik und Gesellschaft ankommt. 

Die Rohstoffindustrie hat sich schon auf den Weg in die Zukunft gemacht

Meine Damen und Herren, die heimische Rohstoffindustrie wartet aber nicht nur auf die notwendigen politischen Signale.

So investiert die Industrie immer stärker in die Kreislaufwirtschaft. Die kürzlichen Eröffnungen von Europas größter Recycling-Anlage für Seltene-Erden-Magneten in Bitterfeld und der Batterierecycling-Fabrik in Kuppenheim senden dafür ein starkes Signal. Exemplarisch zeigt sich das auch an der Circular Economy-Initiative des BDI. Mit über 60 Akteuren aus Verbänden, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-Ups haben wir eine Plattform geschaffen, die Zirkularität als Teil der Industrie- und Standortpolitik verortet. Neben politischen Rahmenbedingungen brauchen wir Engagement in Normungs- und Standardisierungsarbeit, Begeisterung für zirkuläre Technologien in Deutschland und darauf aufbauende neue Geschäftsmodelle. Dafür sind wir in der Initiative Vordenker.

Zirkuläres Wirtschaften ist dabei eine doppelte Chance – neue Wertschöpfungsketten vor Ort entstehen und die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen wird erhöht.

Und durch die Nutzung innovativer Technologien kommen auch ganz neue Optionen in Reichweite, werden Rohstoffförderung in der Tiefsee oder Weltraumbergbau zu konkreten Alternativen, die wir auf keinen Fall in vorauseilender Risikoorientierung von vorneherein ausschließen sollten.

Die Rohstoffindustrie hat sich also schon erfolgreich auf den Weg gemacht, um auch morgen noch die Versorgung mit Rohstoffen zu sichern. Es ist im strategischen Interesse unseres Landes, dass die Politik diese Bemühungen unterstützt.

Die Rohstoffindustrie als unverzichtbarer Partner

Meine Damen und Herren, die Rohstoffindustrie ist ein unverzichtbarer Partner für die mehrfache Transformation und im weltweiten Innovationswettbewerb.

Eindeutig: Gerade die uns verbliebenen heimischen Rohstoffunternehmen – und wir haben einige von ihnen heute prominent dabei – sollten wir, ja müssen wir hier am Standort Deutschland halten!

Auf Innovationen setzen, schneller vom Reden ins Machen kommen und ein gesellschaftlicher Schulterschluss pro Rohstoffindustrie sind notwendig, um die Rohstoffsouveränität zu erhöhen.

Lassen Sie uns gemeinsam „mehr Rohstoffsouveränität wagen“ – für eine stabile, zukunftsfähige Industrie und für die technologisch-wirtschaftliche Souveränität Europas.

Herzlichen Dank!"