Rohstoffkongress: Zeitenwende für eine sichere und nachhaltige Rohstoffpolitik

Anlässlich des 7. BDI-Rohstoffkongresses betont BDI-Präsident Siegfried Russwurm in seiner Rede, dass die Zeitenwende auch für die Rohstoffpolitik gilt. „Rohstoffe werden genauso wie Energie und genauso wie die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts als geopolitische Waffe eingesetzt. Das ist eine völlig neue Lage, der wir uns als innovativer Industriestandort, der von seiner globalen Wettbewerbsfähigkeit lebt, stellen müssen. Dazu gehört die bittere Wahrheit: Deutschland ist erpressbar.“

„Üblicherweise nutzten wir den Rohstoffkongress in der Vergangenheit, um das Thema Rohstoffe und Rohstoffversorgungssicherheit in der öffentlichen und politischen Debatte überhaupt zu verankern.

In diesem Jahr ist das offensichtlich ganz anders. Mit dem 24. Februar stehen die geopolitischen Risiken der Energie- und Rohstoffversorgungssicherheit ganz oben auf der politischen Agenda. Die Zeitenwende gilt auch für die Rohstoffpolitik. Rohstoffe werden genauso wie Energie und genauso wie die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts als geopolitische Waffe eingesetzt. Das ist eine völlig neue Lage, der wir uns als innovativer Industriestandort, der von seiner globalen Wettbewerbsfähigkeit lebt, stellen müssen. Dazu gehört die bittere Wahrheit: Deutschland ist erpressbar.

Dabei hat der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht nur die Abhängigkeit und Verwundbarkeit Deutschlands von russischen Energieträgern deutlich gemacht. Die Abhängigkeit Deutschlands von vielen mineralischen Rohstoffen, insbesondere von Metallen und Industriemineralen aus China, ist bereits heute größer als jene bei Erdöl und Erdgas aus Russland.

Die hohe Abhängigkeit ist das Ergebnis einer gezielten staatlichen Preis- und Ansiedlungspolitik Pekings. Förderung und Weiterverarbeitung in anderen Ländern wurden damit wirtschaftlich unattraktiv. Und das wird in den Excel-Sheets unserer Businesspläne auch so bleiben, solange wir über den „Wert“ von Resilienz zwar reden, aber keinen Euro-Wert als „Preis“ in unsere Rechenschemata einsetzen.

Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei mineralischen Rohstoffen keine nationalen Reserven. Ein Lieferstopp würde die deutsche Industrie folglich sofort und weitreichend treffen.

Wettbewerb um Rohstoffe für Dekarbonisierung und klimaneutrale Zukunft.

Dabei sind mineralische Rohstoffe für die Industrie unverzichtbar. Wir brauchen sie für wichtige Zukunftstechnologien auf dem Weg zur klimaneutralen Zukunft. Ohne bspw. Lithium und seltene Erden wird es keine Energiewende, keine E-Mobilität, keine Digitalisierung, keine Industrie 4.0, aber auch keinen Infrastrukturausbau und keine schlagkräftige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie geben.

Der Wettlauf um diese strategisch wichtigen Rohstoffe ist in vollem Gang. Abnahmeverträge werden zu großen Teilen weit vor Exploration geschlossen. Deutschland und Europa drohen im Wettbewerb mit anderen Ländern wichtige Zugänge zu verlieren und Abhängigkeiten zu vergrößern – kurz: Unsere Wettbewerber hängen uns ab und sichern sich machtpolitisches Kapital.

Was braucht es?  Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Im Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fordern wir nichts weniger als einen entschlossenen Kraftakt: Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen muss als strategisch für die nationale Sicherheit eingeordnet werden. Was heißt das?

Deutschland und Europa sollten sich entlang der gesamten Rohstoffwertschöpfungskette diversifizieren und unabhängiger aufstellen. Das Ziel sind integrierte Wertschöpfungsnetzwerke von der Förderung über die Weiterverarbeitung bis zur industriellen Fertigung in Europa und mit zuverlässigen Partnern. Sozusagen von der Mine bis zum Auto und über Recycling wieder zum Rohstoff.

Dazu bedarf es einer ganzheitlichen und strategischen Rohstoffpolitik, die auf drei Fundamente basieren muss: Der Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, dem Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland und dem Recycling.

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Keine Säule allein kann die Rohstoffsicherheit Deutschlands und Europas gewährleisten. Autarkie ist keine Option – genauso wie wir nicht ausschließlich auf ausländische Zulieferer setzen können, um strategisch souveräner zu werden – aber ohne diese wird es auch nicht gehen.

Dabei treiben mich drei große Sorgen um:

Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung und -verarbeitung: 

Erstens, wie können heimischer Bergbau und Weiterverarbeitung wieder gesellschaftliche Anerkennung erlangen? Wie kommen wir von der „not in my backyard“-Mentalität zur Erkenntnis, dass heimische Produktion unter hohen Standards sowohl auf das Konto von Klimaschutz als auch Resilienz einzahlt?

Was vielen nicht bewusst ist: Deutschland und Europa sind rohstoffreich. Rohstoffe wie Sand und Kies, Steinsalze und Kali decken in vielen Bereichen den deutschen Rohstoffbedarf. Und ja, große Vorkommen existieren auch bei Lithium und Schiefergas. Dabei findet Bergbau in Deutschland nach höchsten Transparenz- und Nachhaltigkeitskriterien statt. Der letzte Bericht der Multistakeholderinitiative D-EITI zum Rohstoffsektor in Deutschland hat dies wieder eindrücklich bestätigt.

Wenn wir das wollen, müssen wir alle – Politik, Industrie, Gewerkschaften und NGOs – größere Kompromissfähigkeit eingehen und pragmatisch handeln. Dazu gehört bspw. der Abbau des strategisch wichtigen Lithiums auch hierzulande. Bildungs- und Aufklärungsinitiativen wie die heute anwesende "RohstoffWissen!“-Initiative zur Förderung der Rohstoffkultur sollten unterstützt und ausgebaut werden.

Wir sollten auch den Schritt wissenschaftlich begleiteter Schiefergas-Probebohrungen mittels modernster Fracking-Technik gehen. Die staatlich eingesetzte Experten-Kommission hat – unter Voraussetzung höchster Sicherheits-Vorkehrungen – das Risiko von Fracking sowohl mit Blick auf Grundwasserschutz als auch Erdbebengefahr bereits 2021 als „gering“ bzw. „äußerst gering“ eingeschätzt. An die Autokraten dieser Welt senden wir damit das Signal, dass wir in der Lage sind, unsere strategische Souveränität zu stärken – und nochmal: die geopolitische Realität zwingt uns, kompromissfähiger zu sein und nicht auf ideologischen Positionen zu beharren.

Entsprechend müsste dann die Raumplanung gestaltet sowie Genehmigungs- und Zulassungsverfahren beschleunigt werden. Und vor allen Dingen muss die Politik für wettbewerbsfähige Energiepreise sorgen! Gerade stellt wieder eine Hütte im Zinkbereich ihre Produktion komplett ein. Deindustrialisierung und damit eine Vergrößerung der Abhängigkeiten vom Import findet bereits jetzt statt!

Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland:

Gleichzeitig ist eine völlige Autarkie Wunschdenken und in einer vernetzten Welt strategisch auch nicht erstrebenswert. Unter den neuen geopolitischen Bedingungen müssen unsere Abhängigkeiten und Vernetzungsrisiken vielmehr möglichst effektiv gemanagt und die Kontrolle über strategische Knotenpunkte dieser Vernetzung gestärkt werden. Damit komme ich zur zweiten Säule. Wie sichern wir uns Zugänge zu strategisch wichtigen Rohstoffen in hoch konzentrierten Märkten? Wie verhindern wir das Risiko von Engpässen, gar Lieferstopps?

Stichworte sind hier internationale Kooperation und staatliche Risikoabsicherung, um Produktionskapazitäten auszuweiten und damit das Angebot zu erweitern.

In Deutschland haben wir dafür das Instrument der Ungebundenen Finanzkredite, UFK. Es wird bislang allerdings nicht strategisch mit Blick auf kritische Rohstoffe eingesetzt. Durch eine andere Gewichtung des Faktors Versorgungssicherheit sollten dadurch gezielt langfristige Abnahmeverträge, so genannte Off-Take Agreements, angereizt werden. Denkbar ist auch die Schaffung eines neuen Risikokapitalinstruments, sei es national oder europäisch.

Schließlich findet noch zu wenig rohstoffstrategische internationale Kooperation statt. Die Kooperationen im Rahmen der Minerals Security Partnership, über die EU im Trade and Technology Council mit den USA, mit Australien und Norwegen sowie innerhalb der EU sind ein richtiger Anfang. Ebenso die jüngsten Reisen der Bundesregierung nach Chile und Kanada.

Was fehlt sind noch weitergehende Verzahnungen von Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Entwicklungspolitik. Bspw. ist Brasilien überaus relevant für den kritischen Rohstoff Niob, Südafrika für die Platingruppenmetalle und die Türkei für Borminerale. Rohstoffe gehören als Komponente in Handels- und Investitions- und entwicklungspolitische Abkommen, um nachhaltigere Exploration und Raffinierung vor Ort mit Krediten und Investitionen zu fördern.

Bevor ich zur wichtigen Säule der Recyclingrohstoffe komme, möchte ich noch auf die Vermeidung von gegenläufigen Effekten hinweisen. So müssen wir aufpassen, nicht die falschen Rahmenbedingungen zu setzen.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetze betonen bspw. richtigerweise die gestiegene Bedeutung von Risikomanagement und Prävention in der Lieferkette. In der derzeit angedachten Ausgestaltung besteht allerdings die Gefahr, dass Unternehmen bestimmte Länder und Zulieferer nur aufgrund nicht kalkulierbarer Haftungsrisiken vorsorglich meiden oder in Ländern, von denen große Abhängigkeiten bestehen, vor unlösbare Konflikte gestellt werden. Diversifizierung wird so erschwert. Hier ist Augenmaß und die gezielte Förderung von Transformationspfaden nötig.

Würden zudem drei Lithiumsalze durch die Europäische Chemieagentur ECHA in die Gruppe der besonders besorgniserregenden Substanzen eingestuft und Bergbauaktivitäten als nicht nachhaltig im Sinne der Taxonomie erklärt werden, dürfte das Ziel integrierter Wertschöpfungsnetzwerke in Europa nicht zu erreichen sein.

Recycling:

Abschließend zur dritten Säule: Die großen Potenziale von Kreislaufwirtschaft und Innovation machen zuversichtlich.

Gerade metallische Rohstoffe werden nicht ver- sondern gebraucht und stehen am Ende der Lebensdauer der Produkte, in denen sie verbaut sind, wieder zur Verfügung. Während bereits heute die Recyclingquoten in Deutschland zu den höchsten weltweit zählen, gibt es bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien noch erhebliche Defizite und etliche Tonnen gehen durch Nicht-Recycling verloren. Um hier weiter Fortschritte beim Schließen von Stoffkreisläufen machen zu können, müssen wir die Kreislauffähigkeit noch viel mehr als bisher bereits im Produktdesign, ganz am Anfang der Wertschöpfungskette anlegen.

Hervorzuheben ist hierbei die Arbeit der gemeinsam von der deutschen Rohstoffagentur DERA und acatech geleiteten Dialogplattform Recyclingrohstoffe. Ziel bis 2023 ist es, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten, welche die Barrieren zur Schließung von Rohstoffkreisläufen bei Metallen und Industriemineralen abbauen.

Ganz wichtig in unserem Land der Tüftler und Forscher ist dabei auch die Förderung von Innovationen im Bereich der kritischen Rohstoffe mit Blick auf Werkstoffe sowie Herstellungs-, Aufbereitungs- und Verwertungsverfahren.

Mit unserer eigenen und heute hier anwesenden BDI-Circular Economy-Initiative sind wir mit hohem Engagement aktiv. 

Ausblick: Wenn wir uns in 2 Jahren zum nächsten Rohstoffkongress treffen, wo sollten wir dann stehen?

Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten 10 Minuten letztlich die Fünf-Punkte-Forderung der deutschen Industrie komprimiert zusammengefasst: Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist überlebenswichtig!

Bis zum nächsten Rohstoffkongress des BDI in zwei Jahren wünsche ich mir Aufbruch und Mut und einen engen Schulterschluss von Politik, Industrie und Gesellschaft, um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen endlich strategisch anzugehen. Die Zeitenwende bedeutet, dass die Rohstoffpolitik der neuen geopolitischen Realität gerecht werden muss. Nur so kann die Industrie ihre Innovationskraft als unser asset im internationalen Wettbewerb weiter ausspielen und dadurch Wohlstand hierzulande sichern.

Packen wir es an, treffen wir Entscheidungen, setzen wir Strategien in die Tat um.“

 

Es gilt das gesprochene Wort.