Rohstofflieferketten – Initiativen für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit
Energiewende, Elektromobilität, Digitalisierung, Bauwesen, Infrastrukturausbau und Industrie 4.0 werden den Bedarf nach Rohstoffen in den nächsten Jahren global erheblich erhöhen. Dadurch wird die Abhängigkeit von rohstoffreichen Ländern weiter zunehmen. Viele dieser Entwicklungs- und Schwellenländer erfüllen bei der Gewinnung von Rohstoffen häufig nicht die deutschen oder europäischen Sozial-, Umwelt-, Menschenrechts- und Governance-Standards. Die deutsche Industrie ist sich ihrer Verantwortung beim Rohstoffbezug bewusst. Deutsches Know-how zum sozial- und umweltverträglichen Rohstoffabbau leistet einen wichtigen Beitrag für einen nachhaltigen und verantwortungsvollen Rohstoffbezug. Die hohen Sicherheitsstandards und die erfolgreichen Rekultivierungs- und Renaturierungsmaßnahmen im deutschen Bergbau sowie in der Steine- und Erdenindustrie sind weltweit anerkannt und gefragt.
Unternehmerischer Beitrag zu den Sustainable Development Goals
Der Beitrag deutscher Unternehmen liegt weniger in der direkten Rohstoffexploration vor Ort. Vielmehr unterstützt die deutsche Energie- und Rohstofftechnik in anderen Ländern den umweltgerechten und sicheren Abbau von Rohstoffen: Von der Informationstechnologie über den Maschinenbau bis zur Hilfe beim Aufbau von Raffinerien. Deutsche Unternehmen implementieren vor Ort ihre Standards und verändern so die Bedingungen im positiven Sinne: Illegaler Rohstoffabbau und Umweltverschmutzung werden eingedämmt, neue Jobs mit hohen Arbeits- und Sozialstandards geschaffen. Damit leisten deutsche Unternehmen einen Beitrag zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs). All dies führt zu stabileren Märkten für einen sicheren und nachhaltigen Rohstoffbezug.
Steigende Anforderungen und verbindliche unternehmerische Sorgfaltspflichten
Immer längere und komplexere Wertschöpfungsketten gingen in den vergangenen Jahren auf Kosten von Transparenz und Nachverfolgbarkeit in der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung. Gleichzeitig wuchsen – insbesondere seit der Verabschiedung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in 2011 – die Anforderungen an Unternehmen, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten und die Herkunft ihrer Rohstoffe nachzuweisen. Viele Unternehmen engagieren sich in Branchen- und Multi-Stakeholder-Initiativen und haben Risikomanagementsysteme etabliert, um Menschenrechtsrisiken in ihrem Einflussbereich zu ermitteln, Missbrauch vorzubeugen und im konkreten Fall Abhilfe zu schaffen.
Einen ersten rechtlichen Rahmen für die Erfüllung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in der Lieferkette liefert seit Juni 2017 die so genannte EU-Konfliktmineralienverordnung. Sie hat das Ziel, die Finanzierung bewaffneter Gruppen und Sicherheitskräfte durch den Handel mit Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold zu unterbinden. Die Verordnung nimmt Transparenz und Sicherheit bei Bergbauunternehmen, Importeuren, Hütten und Raffinerien ins Visier, die Rohstoffe aus Konflikt- und Hochrisikogebieten beziehen.
Einen übergreifenden Ansatz verfolgt das 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Es definiert sanktionsbewährte unternehmerische, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfalts- und Berichtspflichten für den eigenen Geschäftsbereich und die gesamte Lieferkette. Aufgrund großer Rechtsunsicherheit und Herausforderungen bei der Umsetzbarkeit sieht die deutsche Industrie jedoch die Gefahr, dass das LkSG es Unternehmen erschwert, ihre Bezugsquellen zu diversifizieren.
Signalwirkung: Deutschlands Teilnahme an Rohstofftransparenzinitiative EITI
Für einen nachhaltigen Rohstoffabbau sind zudem transparente Finanzströme in den Förderländern wichtig. Die deutsche Rohstoffindustrie beteiligt sich deshalb aktiv an der Umsetzung der freiwilligen Initiative für mehr Transparenz im Rohstoffsektor, der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Der erste deutsche Bericht wurde im August 2017 veröffentlicht. EITI setzt Standards für Finanztransparenz und Regierungsverantwortung. Die Umsetzung in Deutschland soll Signalwirkung entfalten. Mit der Fortführung des 2020 gestarteten Pilotprojekts als Alternative zur bisherigen Überprüfung der Zahlungsströme durch einen Zahlungsabgleich verbindet die deutsche Industrie die Hoffnung, noch mehr Länder zur Mitwirkung in der EITI zu bewegen und damit weltweit zu noch mehr Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor beizutragen.
Großes Potenzial bei Recyclingrohstoffen und Kreislaufwirtschaft
Auch die Gewinnung von Recyclingrohstoffen und Ansätze der Kreislaufwirtschaft spielen für die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in Deutschland. Sie verringern den Primärrohstoffeinsatz, schonen die Ressourcen und verringern die Importabhängigkeit der deutschen Industrie bei Rohstoffen. Zudem sind die Verwendung von Recyclingrohstoffen und Ansätze der Kreislaufwirtschaft oftmals weniger energieintensiv als die Aufbereitung von Primärrohstoffen. Auf diese Weise wird weniger CO2 emittiert und ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Schon heute werden Recyclingrohstoffe in erheblichem Maße bei der Metallverarbeitung eingesetzt und tragen damit zur Rohstoffsicherheit bei. Bei vielen Rohstoffen gestaltet sich die Rückgewinnung jedoch noch schwierig. Zur Optimierung und Erforschung von Recyclingprozessen sollten Pilotprojekte in geeigneten Wirtschaftszweigen in enger Abstimmung mit den Unternehmen stärker politisch unterstützt werden.
Handlungsempfehlungen an die Politik: Unternehmen nicht allein lassen
Die Politik darf Unternehmen mit Blick auf eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung nicht allein lassen. Die politischen Herausforderungen in anderen rohstoffreichen Ländern kann die Industrie nicht allein lösen. Durch eine stärkere Verzahnung der Entwicklungszusammenarbeit mit konkreten Projekten der Rohstoffförderung sollte die Politik Einfluss auf die Rahmenbedingungen vor Ort nehmen und die Einhaltung von Menschenrechten einfordern. So können der Aufbau einer nachhaltigen Weiterverarbeitungs- und Zulieferindustrie befördert und hohe Standards in der Exploration implementiert werden. Regulierungen zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sollten die notwendige Sicherung von kritischen Rohstoffen auch aus Ländern mit schwierigen politischen Kontexten berücksichtigen. Für das Ziel von nachhaltigeren Lieferketten braucht es auch eine effizientere politische Unterstützung: Es herrscht ein Nebeneinander von diversen industrie-, innovations-, außenwirtschafts- und entwicklungspolitischen Maßnahmen, die deutlich besser aufeinander abgestimmt werden sollten.