Es ist die Palastbrücke in Sankt-Petersburg zu sehen. Die Brücke öffnet sich gerade, damit ein Schiff die Brücke passieren kann. Im Vordergrund des Bildes sieht man bläuliches Wasser im Hintergrund sind die Gebäude der Stadt zu sehen.

Die Palastbrücke in St. Petersburg © Unsplash/Suleyman Naumov

Russland-Ukraine-Krieg: Wie reagieren deutsche Unternehmen?

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Viele deutsche Unternehmen müssen schnell entscheiden, wie sie auf die neue Situation reagieren. Neben konkreter Krisenbewältigung und Hilfe für Mitarbeitende vor Ort geht es um die Frage, ob sie mit Russland noch Geschäfte machen können – und wollen.

Die Bedeutung Russlands für die deutsche Wirtschaft ist den vergangenen Jahren gesunken: Waren 2011 noch 6300 deutsche Unternehmen in Russland aktiv, hat sich bis 2020 jedes vierte davon aus Russland zurückgezogen. 2021 lag der Anteil des Landes am gesamten deutschen Außenhandel bei knapp über 2 Prozent. Dennoch spielt das Land für einzelne Branchen noch eine große Rolle. Der Russland-Ukraine-Krieg zwingt sie nun zum Umdenken. In vielen Fällen zum Rückzug. Branchenübergreifend wird deutlich: Deutsche Unternehmen stehen an der Seite der Ukraine und tragen die Sanktionen mit.

Rückzug aus dem Russland-Geschäft

Der Volkswagen-Konzern schließt mit sofortiger Wirkung die russischen Produktionsstandorte in Kaluga und Nischni Nowgorod. „Mit der weitgehenden Unterbrechung der Geschäftstätigkeit zieht der Konzernvorstand die Konsequenzen aus der von starker Unsicherheit und den aktuellen Verwerfungen geprägten Gesamtsituation“, erklärten die Wolfsburger.

Mit dieser Entscheidung geht für die Automobilindustrie eine erhebliche Signalwirkung einher. Andere Automobilhersteller wie Porsche und Daimler Truck stellen ebenfalls ihre Produktionen in Russland ein. Auch die BMW Group zeigt sich entschlossen. Neben der Schließung dortiger Produktionswerke werden darüber hinaus, alle Exporte nach Russland mit sofortiger Wirkung beendet.

Humanitäres Engagement und Millionen-Spenden

Für die energieintensive Branche der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie erweist sich der Rückzug aufgrund der stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen als schwieriger. Die Branche setzt nach VCI-Angaben derzeit rund 3,2 Millionen Tonnen Erdgas als Rohstoff ein (39 Prozent des Gesamtverbrauchs) und 84 Terawattstunden (61 Prozent des Verbrauchs) zur Energieerzeugung. Dennoch stellt sich die Branche ihrer Verantwortung: Die deutsche Chemie-Industrie bereitet Hilfslieferungen in die Ukraine vor. Bayer hat einen Katastrophenhilfefonds in Höhe von 3 Millionen Euro eingerichtet und verdoppelt alle Spenden von Mitarbeitenden. BASF und Evonik spenden 1 Million Euro Soforthilfe zur humanitären Unterstützung der Ukraine.

Die Deutsche Bahn kündigt an, Spenden per Zug direkt ins Kriegsgebiet zu transportieren. Transportiert werden sollen nach Angaben etwa Notstromaggregate sowie Wasser und Nahrungsmittel. "Das dürfen wir nicht vergessen: Die Menschen, die dort sind, müssen auch versorgt werden, wenn dort alles zusammenbricht", sagte Sigrid Nikutta, Vorstand Güterverkehr der Deutschen Bahn. In den ersten zehn Tagen sind dabei bereits 2000 Tonnen an Hilfsgütern transportiert worden, was seitens der ukrainischen Bevölkerung als enorme Hilfe angesehen wurde. Zudem erleichtert das Unternehmen Menschen aus der Ukraine die Flucht. Geflüchtete können Fernzüge aus Polen nach Berlin kostenlos nutzen.

Auch aus der Telekommunikationsbranche wird humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine zugesichert. Kunden, die vom deutschen Fest- oder Mobilfunknetz der Telekom und O2 aus in der Ukraine anrufen, können das ab sofort kostenlos machen. Auch für SMS fallen keine Gebühren an. Roaming innerhalb der Ukraine soll darüber hinaus bis auf Weiteres kostenfrei bereitgestellt werden.

Wirtschaftlich stehen derzeit vor allem energieintensive Branchen des deutschen Mittelstands vor einer großen Herausforderung. Aus einer BDI-Umfrage unter 400 mittelständischen Unternehmen geht hervor: Die dramatische Entwicklung der Energiekosten setzen den Mittelstand enorm unter Druck. Dabei schrumpfe der finanzielle Spielraum für dringend notwendigen Innovationen zunehmend. Doch auch diese prekäre Situation hält zahlreiche mittelständische Unternehmen nicht davon ab, ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland zu beenden und in der Ukraine humanitäre Hilfe zu leisten.

Der Mittelstand packt an

Das nordhessische mittelständische Familienunternehmen Viessmann Group gibt bekannt, alle wirtschaftlichen Aktivitäten mit Russland einzustellen. Für die Unterstützung russischer wie ukrainischer Mitarbeiter schnürt das Unternehmen ein umfassendes Hilfspaket. Dies umfasst die Bereitstellung von Geldern für die Evakuierung aller in Russland und der Ukraine beschäftigten Personen. Gleichzeitig sichert das Unternehmen die fortlaufende Zahlung der Gehälter aller in Not befindlichen Angestellten zu. Insgesamt spendet die Viessmann Group eine Million Euro an Hilfsorganisationen.

Ausgehend von diesen und noch vielen anderen Beispielen der deutschen Industrie verdeutlicht BDI-Präsident Sigfried Russwurm, die branchenübergreifende Überzeugung: „Die Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine.  Die Zivilbevölkerung müsse jetzt die humanitäre Unterstützung bekommen, die sie braucht.“