© Felix Brüggemann

 

Schuldenbremse: Konsolidierungsbedarf und Stärkung der Investitionstätigkeit

Deutschland verliert bei Investitions- und Standortentscheidungen von Unternehmen zunehmend an Boden. Die steuerlichen Rahmenbedingungen sind bereits jetzt nicht mehr wettbewerbsfähig. Es ist an der Zeit, neben einer konsequenten Priorisierung der öffentlichen Ausgaben, den Solidaritätszuschlag endgültig abzuschaffen.

Seit 2023 ist die Nettokreditaufnahme des Bundes erneut durch die Schuldenbremse (Artikel 115 Grundgesetz) -nach Aussetzungen in den Jahren 2020 bis 2022 - begrenzt. Dies setzt sich auch 2024 fort, mit einer maximal zulässigen strukturellen Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Basierend auf der Schuldenregel ergibt sich bei einem BIP von rund 3.869 Milliarden Euro des Vorjahres, bereinigt um finanzielle Transaktionen sowie konjunkturelle Entwicklungen, für 2024 eine maximal zulässige Neuverschuldung von bis zu 16,6 Milliarden Euro. Die geplante Nettokreditaufnahme zwischen 2024 und 2027 entspricht der regulären möglichen Kreditobergrenze.

  Ist Soll Entwurf Finanzplan Finanzplan Finanzplan
Jahr 2022 2023 2024 2025 2026 2027
Ausgaben (Mrd. €) 480,7 476,3 445,7 451,8 460,3 467,2
Veränderung gg. Vorjahr (%) -13,6 -0,9 -6,4 +1,4 +1,9 +1,5
Steuereinnahmen des Bundes (Mrd. €) 337,2 358,1 375,3 394,6 409,1 421,3
Nettokreditaufnahme (Mrd. €) 115,4 45,6 16,6 16,0 15,4 15,0
Ausgaben für Investitionen (Mrd. €) 46,2 71,5 54,2 60,2 59,1 57,2
Quelle: Haushaltsaufstellung 2024 und Finanzplan des Bundes bis 2027 (05.07.2023).

Anstieg der Bundesschuld und Senkung der relativen Höhe öffentlicher Investitionen

Bis 2027 könnte der Anteil der Bundesschuld an den Bundesausgaben auf bis zu 9,3 Prozent des BIP weiter zunehmen. Diese Höhe – vergleichbar mit dem Etat für das Ministerium für Digitales und Verkehr – ist besorgniserregend, insbesondere aufgrund steigender Zinsen. Eine weitere Herausforderung stellt die relative Höhe der Investitionen an den Ausgaben des Bundes dar. Trotz eines absoluten Anstiegs der Investitionsausgaben sinken die relativen investiven Ausgaben von 2023 bis 2027, während konsumtive Ausgaben weiterhin klar dominieren.

  2015 (Ist) 2019 (Ist) 2023 (Soll) 2027 (Soll)
Bundesschuld (% des BIP) 7,0 3,6 8,9 9,3
Konsumtive Ausgaben (% der Bundesausgaben) 90,1 89,0 86,4 88,0*
Investive Ausgaben (% der Bundesausgaben) 9,9 11,1 15,0 12,0
Quelle: Haushaltsaufstellungen 2015-2023; Haushaltsaufstellung 2024 und Finanzplan des Bundes bis 2027. *Geschätzte Zahl.

Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen

Der Solidaritätszuschlag (Soli) ist nach dem Auslaufen des Solidarpakets II überholt und muss umgehend für alle abgeschafft werden. Es gilt zu verhindern, dass diese einst zeitlich begrenzte Sonderabgabe sich in eine dauerhafte verkappte Unternehmen- und Reichensteuer verwandelt. Gerade mittelständische Familienbetriebe, welche in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs für Arbeitsplätze und Stabilität sorgen, werden dadurch hart getroffen. Eine Ergänzungsabgabe wie der Soli, welche einen bestimmten Zweck erfüllen sollte, darf nicht unbefristet aktiv bleiben und für sachfremde Bedarfe oder Finanzierungslücken genutzt werden. Trotz der Ansicht des Bundesfinanzhofs, der einen anhaltenden Finanzbedarf aufgrund der Wiedervereinigung sieht, ist der Soli nicht geeignet, Finanzierungsengpässe dauerhaft zu überbrücken. Neue krisenbedingte Ergänzungssteuern sollten nicht unter dem Deckmantel Solidaritätszuschlag versteckt werden. 

Die Abschaffung des Solis würde die Wirtschaft um etwa zwölf Milliarden Euro entlasten. In Kombination mit der im Wachstumschancengesetz vorgesehenen Maßnahmen wie der Einführung der Investitionsprämie, Ausweitung der Forschungszulage würde den Unternehmen in der Transformation mehr Liquidität für die notwendigen Anstrengungen zur Verfügung gestellt.

Zielsetzung: Konsequente Priorisierung der Ausgaben

Deutschland hat kein Steuereinnahmeproblem, da diese kontinuierlich wachsen und die Steuerquote auf dem höchsten Niveau seit der Wiedervereinigung ist. Somit wären Haushaltskürzungen zu Lasten der Wirtschaft und mittelbare Steuererhöhungen kontraproduktiv. Trotzdem fällt Deutschland bei Investitions- und Standortentscheidungen der Unternehmen zunehmend zurück. Schon jetzt sind die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig. Daher ist eine konsequente Priorisierung der öffentlichen Ausgaben und die Schaffung von Liquidität der Unternehmen durch Maßnahmen wie die Abschaffung des Solis zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unerlässlich. Die Stärkung des Standorts und die Schaffung geeigneter steuerlicher Anreize, insbesondere mit Hinblick auf die digitale Transformation, den Klimaschutz und eine nachhaltige, verlässliche Energieversorgung, sollten dabei im Mittelpunkt stehen.

Es braucht daher jetzt ein Steuerreformpaket mit einer Investitionsprämie, um deutliche steuerliche Anreize für die Unternehmen zu schaffen. Die Wirtschaft ist dringend auf Investitionsanreize für Investitionen in den Klimaschutz angewiesen. Zusätzlich müssen strukturelle Maßnahmen, die der Vereinfachung und dem Bürokratieabbau dienen, umgesetzt werden.